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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 94. Die Immunität.
das spätrömische Recht zählte Brücken- und Wegebau nicht zu jenen
Fronden, sordida munera, von welchen die Immunität eximierte. Viel-
mehr mussten sie selbst von den kaiserlichen Domänen aus geleistet
werden42. Die übereinstimmende Ausnahme liefert einen schlagenden
Beleg für den geschichtlichen Zusammenhang der römischen und der
fränkischen Immunität. Die Immunität enthebt die Hintersassen des
gefreiten Gutes nicht vom Heer- und Wachtdienst43, sie berührt nicht
die Pflicht der Jahresgaben und entlastet nicht von Zöllen, die ausser-
halb des immunen Gebietes erhoben werden. Zu den öffentlichen
Pflichten, welche die Immunitätsleute trotz der Immunität zu tragen
hatten, wurden sie durch Vermittlung des Immunitätsherrn und seiner
Beamten herangezogen44.

Die Immunität hat nicht bloss einen negativen, sondern auch
einen positiven Inhalt. Schon nach dem Wortlaut der ältesten Im-
munitätsbriefe erwirbt die gefreite Kirche das Recht des Fiskus auf
Friedensgelder und sonstige Hebungen45. Wie vor der Freiung der

verleihungen seit der fränkischen Eroberung Eingang fanden. Cap. Pipp. ital. von
782--786, c. 4, I 192: ut de restauratione ecclesiarum vel pontes faciendum aut stratas
restaurandum omnino generaliter faciant, sicut antiqua fuit consuetudo, et non ante-
ponatur emunitas
. In älteren fränkischen Immunitätsbriefen wird die Freiheit
vom Brücken- und Wegebau, der als öffentliche Pflicht erscheint (siehe oben S. 233),
niemals erwähnt. Erst in vereinzelten späteren Urkunden wird die Freiheit vom
Brückenbau ausnahmsweise verliehen. Siehe Waitz, VG IV 35 und die Anm. 2
daselbst angeführten Beispiele.
42 Cod. Theod. XV 3, 6 v. J. 423: absit, ut nos instructionem viae publicae
et pontium stratarumque operam .. inter sordida munera numeremus. Igitur ad
instructiones reparationesque itinerum pontiumque nullum genus hominum nullius-
que dignitatis ac venerationis meritis cessare oportet. Domos etiam divinas ac
venerandas ecclesias tam laudabili titulo libenter adscribimus.
43 Memor. Olonn. 822--823, c. 11, I 319. In der Urkunde Karls für Metz
v. J. 775, Mühlbacher Nr. 174, werden Heerdienst, Wachtdienst und Brücken-
bau von der verliehenen Immunität ausdrücklich ausgenommen.
44 Die Vorschrift des Cap. Mant. sec. c. 5. 7, I 197 gilt auch für Immuni-
täten. Siehe noch oben S. 212. 214.
45 So schon in Pertz, Dipl. M. 15 v. J. 635: sed sub omni emunitate ...
omnes fredos concessos debeat possidere vel quicquid exinde fiscus forsitan de
eorum hominibus .. poterat sperare .. in luminaribus ipsius s. loci vel stipendia ser-
vorum Dei .. debeant cuncta proficere. A. O. S. 154 v. J. 635: et quicquid de
fredis aut de reliquiis (sic!) exinde fiscus augmentare potuerat, ad ipsos pauperes
proficiat in augmentis. Th. Sickel führt, Beiträge V 35 ff., für die karolingische Zeit
den Nachweis, dass der Ertrag der Einkünfte auch in solchen Fällen der Immuni-
tätsherrschaft zukam, in welchen die Urkunde die Übertragung der nutzbaren
Rechte verschweigt. Auch auf den fiskalischen Domänen werden die von den
Hintersassen verwirkten Friedensgelder, welche die Domänenbeamten einzogen,

§ 94. Die Immunität.
das spätrömische Recht zählte Brücken- und Wegebau nicht zu jenen
Fronden, sordida munera, von welchen die Immunität eximierte. Viel-
mehr muſsten sie selbst von den kaiserlichen Domänen aus geleistet
werden42. Die übereinstimmende Ausnahme liefert einen schlagenden
Beleg für den geschichtlichen Zusammenhang der römischen und der
fränkischen Immunität. Die Immunität enthebt die Hintersassen des
gefreiten Gutes nicht vom Heer- und Wachtdienst43, sie berührt nicht
die Pflicht der Jahresgaben und entlastet nicht von Zöllen, die auſser-
halb des immunen Gebietes erhoben werden. Zu den öffentlichen
Pflichten, welche die Immunitätsleute trotz der Immunität zu tragen
hatten, wurden sie durch Vermittlung des Immunitätsherrn und seiner
Beamten herangezogen44.

Die Immunität hat nicht bloſs einen negativen, sondern auch
einen positiven Inhalt. Schon nach dem Wortlaut der ältesten Im-
munitätsbriefe erwirbt die gefreite Kirche das Recht des Fiskus auf
Friedensgelder und sonstige Hebungen45. Wie vor der Freiung der

verleihungen seit der fränkischen Eroberung Eingang fanden. Cap. Pipp. ital. von
782—786, c. 4, I 192: ut de restauratione ecclesiarum vel pontes faciendum aut stratas
restaurandum omnino generaliter faciant, sicut antiqua fuit consuetudo, et non ante-
ponatur emunitas
. In älteren fränkischen Immunitätsbriefen wird die Freiheit
vom Brücken- und Wegebau, der als öffentliche Pflicht erscheint (siehe oben S. 233),
niemals erwähnt. Erst in vereinzelten späteren Urkunden wird die Freiheit vom
Brückenbau ausnahmsweise verliehen. Siehe Waitz, VG IV 35 und die Anm. 2
daselbst angeführten Beispiele.
42 Cod. Theod. XV 3, 6 v. J. 423: absit, ut nos instructionem viae publicae
et pontium stratarumque operam .. inter sordida munera numeremus. Igitur ad
instructiones reparationesque itinerum pontiumque nullum genus hominum nullius-
que dignitatis ac venerationis meritis cessare oportet. Domos etiam divinas ac
venerandas ecclesias tam laudabili titulo libenter adscribimus.
43 Memor. Olonn. 822—823, c. 11, I 319. In der Urkunde Karls für Metz
v. J. 775, Mühlbacher Nr. 174, werden Heerdienst, Wachtdienst und Brücken-
bau von der verliehenen Immunität ausdrücklich ausgenommen.
44 Die Vorschrift des Cap. Mant. sec. c. 5. 7, I 197 gilt auch für Immuni-
täten. Siehe noch oben S. 212. 214.
45 So schon in Pertz, Dipl. M. 15 v. J. 635: sed sub omni emunitate …
omnes fredos concessos debeat possidere vel quicquid exinde fiscus forsitan de
eorum hominibus .. poterat sperare .. in luminaribus ipsius s. loci vel stipendia ser-
vorum Dei .. debeant cuncta proficere. A. O. S. 154 v. J. 635: et quicquid de
fredis aut de reliquiis (sic!) exinde fiscus augmentare potuerat, ad ipsos pauperes
proficiat in augmentis. Th. Sickel führt, Beiträge V 35 ff., für die karolingische Zeit
den Nachweis, daſs der Ertrag der Einkünfte auch in solchen Fällen der Immuni-
tätsherrschaft zukam, in welchen die Urkunde die Übertragung der nutzbaren
Rechte verschweigt. Auch auf den fiskalischen Domänen werden die von den
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[295/0313] § 94. Die Immunität. das spätrömische Recht zählte Brücken- und Wegebau nicht zu jenen Fronden, sordida munera, von welchen die Immunität eximierte. Viel- mehr muſsten sie selbst von den kaiserlichen Domänen aus geleistet werden 42. Die übereinstimmende Ausnahme liefert einen schlagenden Beleg für den geschichtlichen Zusammenhang der römischen und der fränkischen Immunität. Die Immunität enthebt die Hintersassen des gefreiten Gutes nicht vom Heer- und Wachtdienst 43, sie berührt nicht die Pflicht der Jahresgaben und entlastet nicht von Zöllen, die auſser- halb des immunen Gebietes erhoben werden. Zu den öffentlichen Pflichten, welche die Immunitätsleute trotz der Immunität zu tragen hatten, wurden sie durch Vermittlung des Immunitätsherrn und seiner Beamten herangezogen 44. Die Immunität hat nicht bloſs einen negativen, sondern auch einen positiven Inhalt. Schon nach dem Wortlaut der ältesten Im- munitätsbriefe erwirbt die gefreite Kirche das Recht des Fiskus auf Friedensgelder und sonstige Hebungen 45. Wie vor der Freiung der 41 42 Cod. Theod. XV 3, 6 v. J. 423: absit, ut nos instructionem viae publicae et pontium stratarumque operam .. inter sordida munera numeremus. Igitur ad instructiones reparationesque itinerum pontiumque nullum genus hominum nullius- que dignitatis ac venerationis meritis cessare oportet. Domos etiam divinas ac venerandas ecclesias tam laudabili titulo libenter adscribimus. 43 Memor. Olonn. 822—823, c. 11, I 319. In der Urkunde Karls für Metz v. J. 775, Mühlbacher Nr. 174, werden Heerdienst, Wachtdienst und Brücken- bau von der verliehenen Immunität ausdrücklich ausgenommen. 44 Die Vorschrift des Cap. Mant. sec. c. 5. 7, I 197 gilt auch für Immuni- täten. Siehe noch oben S. 212. 214. 45 So schon in Pertz, Dipl. M. 15 v. J. 635: sed sub omni emunitate … omnes fredos concessos debeat possidere vel quicquid exinde fiscus forsitan de eorum hominibus .. poterat sperare .. in luminaribus ipsius s. loci vel stipendia ser- vorum Dei .. debeant cuncta proficere. A. O. S. 154 v. J. 635: et quicquid de fredis aut de reliquiis (sic!) exinde fiscus augmentare potuerat, ad ipsos pauperes proficiat in augmentis. Th. Sickel führt, Beiträge V 35 ff., für die karolingische Zeit den Nachweis, daſs der Ertrag der Einkünfte auch in solchen Fällen der Immuni- tätsherrschaft zukam, in welchen die Urkunde die Übertragung der nutzbaren Rechte verschweigt. Auch auf den fiskalischen Domänen werden die von den Hintersassen verwirkten Friedensgelder, welche die Domänenbeamten einzogen, 41 verleihungen seit der fränkischen Eroberung Eingang fanden. Cap. Pipp. ital. von 782—786, c. 4, I 192: ut de restauratione ecclesiarum vel pontes faciendum aut stratas restaurandum omnino generaliter faciant, sicut antiqua fuit consuetudo, et non ante- ponatur emunitas. In älteren fränkischen Immunitätsbriefen wird die Freiheit vom Brücken- und Wegebau, der als öffentliche Pflicht erscheint (siehe oben S. 233), niemals erwähnt. Erst in vereinzelten späteren Urkunden wird die Freiheit vom Brückenbau ausnahmsweise verliehen. Siehe Waitz, VG IV 35 und die Anm. 2 daselbst angeführten Beispiele.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/313>, abgerufen am 25.11.2024.