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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 89. Polizeidienst und öffentliche Fronden.
war unter den Karolingern in erster Linie Sache der ordentlichen Be-
amten, insbesondere der Grafen, welche die erforderlichen Leistungen
von den Verpflichteten eintrieben 35. Karl der Grosse und Ludwig I.
errichteten hie und da besondere Herbergen und Pferdestationen, die
unter ständigen Aufsehern standen 36. Früher scheinen an einzelnen
Orten bestimmte Hofbesitzer von alters her mit der Sorge für die
Missi betraut gewesen zu sein 37, vielleicht so, dass diese Pflicht die
Gegenleistung für ein vom Fiskus erworbenes Leihegut bildete. Wo
solche Einrichtungen existierten, wurden die öffentlichen Fronden nur
subsidiär in Anspruch genommen.

Die Beherbergung, Verpflegung und Beförderung der Grafen
dürfte seit Ludwig I. nicht mehr eine allgemeine Pflicht der Gau-
leute, sondern eine Reallast einzelner Grundstücke gewesen sein 38.
Denselben Charakter haben wenigstens örtlich die Lieferungen von
Pferden und Naturalabgaben für die Missi angenommen 39.

In karolingischen Privilegien erscheint unter den Unterthanen-
pflichten auch das 'scaram facere' 40. Wahrscheinlich sind Botendienste
damit gemeint, die zu Pferde oder zu Fuss geleistet werden mussten.
Die Verpflichtung, welche hauptsächlich in Grundherrschaften vor-
kommt, dürfte ursprünglich eine Ergänzung der die paravereda be-
treffenden Fronden gewesen sein, indem der Botendienst als Ersatz
der Beistellung von Pferden angesehen wurde 41.


35 Cap. de villis c. 27, I 85. Cap. miss. v. J. 802, c. 28, I 96. Cap. miss.
v. J. 865, c. 16, Pertz, LL I 503: ut ministri comitum .. dispensam missorum
nostrorum, a quibuscumque dari debet, recipiant, sicut in tractoria nostra contine-
tur, et ipsi ministerialibus missorum nostrorum eam reddant. Lex Chamav. 35: si
quis cum caballo bannitus fuerit .., beziehe ich nicht auf den Heerbann, sondern
auf die Stellung von paraveredi.
36 Admonitio 823--825, c. 19, Cap. I 306: in illis vero locis, ubi modo via et
mansionatici a genitore nostro et a nobis per capitulare ordinati sunt, missos ad
hoc specialiter constitutos, qui hoc iugiter providere debeant, habeant ...
37 Arg. Cap. de villis c. 27, I 85.
38 Die responsa missis data v. J. 826, Cap. I 315, c. 10, ordnet aus Anlass
der Verweigerung der paravereda eine Untersuchung an, bei der die nichtpflichtigen
Gauleute vernommen werden sollen, ob die Grundbesitzer, die sich weigern, zur
Stellung von Pferden verpflichtet seien.
39 Hlud. II. Cap. Papiense v. J. 850, c. 9, II 88.
40 Cap. Bonon. v. J. 811, c. 2, I 166: ut non per aliquam occasionem nec
de wacta nec de scara nec de warda nec pro heribergare ... heribannum comis
exactare praesumat. Urk. Karls für Prüm v. J. 775, Mühlbacher Nr. 193: nec
(ad) scaras vel mansionaticos seu coniectos ... non praesumat ingredere. Form.
imper. 37: neque scaram facere ...
41 Arg. Lex Baiuw. I 13: parafretos donent aut ipsi vadant, ubi eis iniunctum
fuerit.

§ 89. Polizeidienst und öffentliche Fronden.
war unter den Karolingern in erster Linie Sache der ordentlichen Be-
amten, insbesondere der Grafen, welche die erforderlichen Leistungen
von den Verpflichteten eintrieben 35. Karl der Groſse und Ludwig I.
errichteten hie und da besondere Herbergen und Pferdestationen, die
unter ständigen Aufsehern standen 36. Früher scheinen an einzelnen
Orten bestimmte Hofbesitzer von alters her mit der Sorge für die
Missi betraut gewesen zu sein 37, vielleicht so, daſs diese Pflicht die
Gegenleistung für ein vom Fiskus erworbenes Leihegut bildete. Wo
solche Einrichtungen existierten, wurden die öffentlichen Fronden nur
subsidiär in Anspruch genommen.

Die Beherbergung, Verpflegung und Beförderung der Grafen
dürfte seit Ludwig I. nicht mehr eine allgemeine Pflicht der Gau-
leute, sondern eine Reallast einzelner Grundstücke gewesen sein 38.
Denselben Charakter haben wenigstens örtlich die Lieferungen von
Pferden und Naturalabgaben für die Missi angenommen 39.

In karolingischen Privilegien erscheint unter den Unterthanen-
pflichten auch das ‘scaram facere’ 40. Wahrscheinlich sind Botendienste
damit gemeint, die zu Pferde oder zu Fuſs geleistet werden muſsten.
Die Verpflichtung, welche hauptsächlich in Grundherrschaften vor-
kommt, dürfte ursprünglich eine Ergänzung der die paravereda be-
treffenden Fronden gewesen sein, indem der Botendienst als Ersatz
der Beistellung von Pferden angesehen wurde 41.


35 Cap. de villis c. 27, I 85. Cap. miss. v. J. 802, c. 28, I 96. Cap. miss.
v. J. 865, c. 16, Pertz, LL I 503: ut ministri comitum .. dispensam missorum
nostrorum, a quibuscumque dari debet, recipiant, sicut in tractoria nostra contine-
tur, et ipsi ministerialibus missorum nostrorum eam reddant. Lex Chamav. 35: si
quis cum caballo bannitus fuerit .., beziehe ich nicht auf den Heerbann, sondern
auf die Stellung von paraveredi.
36 Admonitio 823—825, c. 19, Cap. I 306: in illis vero locis, ubi modo via et
mansionatici a genitore nostro et a nobis per capitulare ordinati sunt, missos ad
hoc specialiter constitutos, qui hoc iugiter providere debeant, habeant …
37 Arg. Cap. de villis c. 27, I 85.
38 Die responsa missis data v. J. 826, Cap. I 315, c. 10, ordnet aus Anlaſs
der Verweigerung der paravereda eine Untersuchung an, bei der die nichtpflichtigen
Gauleute vernommen werden sollen, ob die Grundbesitzer, die sich weigern, zur
Stellung von Pferden verpflichtet seien.
39 Hlud. II. Cap. Papiense v. J. 850, c. 9, II 88.
40 Cap. Bonon. v. J. 811, c. 2, I 166: ut non per aliquam occasionem nec
de wacta nec de scara nec de warda nec pro heribergare … heribannum comis
exactare praesumat. Urk. Karls für Prüm v. J. 775, Mühlbacher Nr. 193: nec
(ad) scaras vel mansionaticos seu coniectos … non praesumat ingredere. Form.
imper. 37: neque scaram facere …
41 Arg. Lex Baiuw. I 13: parafretos donent aut ipsi vadant, ubi eis iniunctum
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[232/0250] § 89. Polizeidienst und öffentliche Fronden. war unter den Karolingern in erster Linie Sache der ordentlichen Be- amten, insbesondere der Grafen, welche die erforderlichen Leistungen von den Verpflichteten eintrieben 35. Karl der Groſse und Ludwig I. errichteten hie und da besondere Herbergen und Pferdestationen, die unter ständigen Aufsehern standen 36. Früher scheinen an einzelnen Orten bestimmte Hofbesitzer von alters her mit der Sorge für die Missi betraut gewesen zu sein 37, vielleicht so, daſs diese Pflicht die Gegenleistung für ein vom Fiskus erworbenes Leihegut bildete. Wo solche Einrichtungen existierten, wurden die öffentlichen Fronden nur subsidiär in Anspruch genommen. Die Beherbergung, Verpflegung und Beförderung der Grafen dürfte seit Ludwig I. nicht mehr eine allgemeine Pflicht der Gau- leute, sondern eine Reallast einzelner Grundstücke gewesen sein 38. Denselben Charakter haben wenigstens örtlich die Lieferungen von Pferden und Naturalabgaben für die Missi angenommen 39. In karolingischen Privilegien erscheint unter den Unterthanen- pflichten auch das ‘scaram facere’ 40. Wahrscheinlich sind Botendienste damit gemeint, die zu Pferde oder zu Fuſs geleistet werden muſsten. Die Verpflichtung, welche hauptsächlich in Grundherrschaften vor- kommt, dürfte ursprünglich eine Ergänzung der die paravereda be- treffenden Fronden gewesen sein, indem der Botendienst als Ersatz der Beistellung von Pferden angesehen wurde 41. 35 Cap. de villis c. 27, I 85. Cap. miss. v. J. 802, c. 28, I 96. Cap. miss. v. J. 865, c. 16, Pertz, LL I 503: ut ministri comitum .. dispensam missorum nostrorum, a quibuscumque dari debet, recipiant, sicut in tractoria nostra contine- tur, et ipsi ministerialibus missorum nostrorum eam reddant. Lex Chamav. 35: si quis cum caballo bannitus fuerit .., beziehe ich nicht auf den Heerbann, sondern auf die Stellung von paraveredi. 36 Admonitio 823—825, c. 19, Cap. I 306: in illis vero locis, ubi modo via et mansionatici a genitore nostro et a nobis per capitulare ordinati sunt, missos ad hoc specialiter constitutos, qui hoc iugiter providere debeant, habeant … 37 Arg. Cap. de villis c. 27, I 85. 38 Die responsa missis data v. J. 826, Cap. I 315, c. 10, ordnet aus Anlaſs der Verweigerung der paravereda eine Untersuchung an, bei der die nichtpflichtigen Gauleute vernommen werden sollen, ob die Grundbesitzer, die sich weigern, zur Stellung von Pferden verpflichtet seien. 39 Hlud. II. Cap. Papiense v. J. 850, c. 9, II 88. 40 Cap. Bonon. v. J. 811, c. 2, I 166: ut non per aliquam occasionem nec de wacta nec de scara nec de warda nec pro heribergare … heribannum comis exactare praesumat. Urk. Karls für Prüm v. J. 775, Mühlbacher Nr. 193: nec (ad) scaras vel mansionaticos seu coniectos … non praesumat ingredere. Form. imper. 37: neque scaram facere … 41 Arg. Lex Baiuw. I 13: parafretos donent aut ipsi vadant, ubi eis iniunctum fuerit.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/250>, abgerufen am 22.11.2024.