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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 89. Polizeidienst und öffentliche Fronden.

Als Pflicht der Landfolge bezeichnen Quellen der nachfränkischen
Zeit 8 die allgemeine Pflicht, dem Aufgebote in Sachen der Friedens-
polizei Folge zu leisten. Der öffentliche Beamte konnte die Leute
seines Amtsbezirkes zur Verfolgung von Verbrechern bannen. Wer
die Teilnahme an der Verfolgung verweigerte, verwirkte eine Busse,
die nach dem Friedensgesetz Childeberts I. und Chlothars I. fünf
Solidi, aber schon nach einem Gesetze Childeberts II. und ebenso
nach spätkarolingischen Kapitularien den Königsbann betrug 9. Ein
Kapitular von 853 führt die Pflicht der Hülfeleistung auf den Treu-
eid der Unterthanen zurück 10. Der Richter konnte die Gauleute
ferner als Wächter und Geleitsmänner (fideiussores) zur Verwahrung
und zum Transporte von Gefangenen und Angeschuldigten aufbieten 11,
ebenso zum Wachtdienste 12.

Neben dem öffentlichen Polizeidienst bestand eine Anzahl von
Unterthanenpflichten, die sich füglich unter dem Gesichtspunkte öffent-
licher Fronden zusammenfassen lassen 13. Sie sind teils deutschen,
teils römischen Ursprungs.

Wohl schon aus der Zeit vor der Reichsgründung stammt das
Recht des Königs auf Gastung, nämlich das Recht, auf Reisen samt
dem Gefolge von den Unterthanen beherbergt und bewirtet zu wer-

dem westerlauwerschen Friesland angehörige Rechtsaufzeichnung, v. Richthofen,
Rqu. S. 424, Anm. 1, Jurisprudentia frisica 59, § 18. Wer den Ruf hört, heisst
es da, er sei alt oder jung, er sei durstig oder hungrig, leide an Hitze oder an
Kälte, er soll nicht so lange warten, um seine Kleider zu wechseln, sondern soll
Gottes Feind verfolgen. Wer ihn zuerst trifft, den Schächer, soll ihn ergreifen.
Die Pflicht, dem Gerüfte zu folgen, findet sich auch bei Indern und Slaven.
Bernhöft, Staat und Recht der römischen Königszeit 1882, S. 216.
8 Siehe die Stellen bei Haltaus, Gloss. Sp. 1161 f.
9 Decr. Child. II., c. 9, Cap. I 17. Conv. Carisiac. v. J. 873, c. 2, Pertz, LL
I 519. Vgl. Widonis Cap. v. J. 891, c. 2, II 107.
10 Conv. Silvacensis c. 4, Pertz, LL I 424.
11 Greg. Tur. Hist. Franc. VII 21. Lex Rib. 73, 4. Heinze, Zur Gesch.
der Sicherheitsstellung im german. Strafverfahren in Z. f. RG X 450. Fustel de
Coulanges
, Etude sur l'immunite Merovingienne, Revue historique XXII 285.
Personen, die denjenigen bewachen sollen, der zum König oder vor Gericht ge-
bracht werden soll, und dafür haften, dass er zur Stelle sei (daher fideiussores),
kann der Richter nötigenfalls zwangsweise unter den Gerichtspflichtigen ausheben.
12 Lex Chamav. 36. Constit. de Hispanis v. J. 815, c. 1, Cap. I 261: iuxta
rationabilem ... comitis ordinationem atque admonitionem explorationes et excu-
bias, quod usitato vocabulo wactas dicunt, facere non negligant ...
13 In den Quellen werden sie gelegentlich nebst anderen Leistungen unter
den allgemeinen Begriff der functiones publicae gebracht. Siehe die Citate bei
Waitz, VG II 2, S. 271, Anm. 1; S. 281, Anm. 2. IV 288. 294, Anm. 2. Functio
publica ist römischer Terminus. Cassiodor, Var. V 14. 39. Lex Wisig. V 4, 19.
§ 89. Polizeidienst und öffentliche Fronden.

Als Pflicht der Landfolge bezeichnen Quellen der nachfränkischen
Zeit 8 die allgemeine Pflicht, dem Aufgebote in Sachen der Friedens-
polizei Folge zu leisten. Der öffentliche Beamte konnte die Leute
seines Amtsbezirkes zur Verfolgung von Verbrechern bannen. Wer
die Teilnahme an der Verfolgung verweigerte, verwirkte eine Buſse,
die nach dem Friedensgesetz Childeberts I. und Chlothars I. fünf
Solidi, aber schon nach einem Gesetze Childeberts II. und ebenso
nach spätkarolingischen Kapitularien den Königsbann betrug 9. Ein
Kapitular von 853 führt die Pflicht der Hülfeleistung auf den Treu-
eid der Unterthanen zurück 10. Der Richter konnte die Gauleute
ferner als Wächter und Geleitsmänner (fideiussores) zur Verwahrung
und zum Transporte von Gefangenen und Angeschuldigten aufbieten 11,
ebenso zum Wachtdienste 12.

Neben dem öffentlichen Polizeidienst bestand eine Anzahl von
Unterthanenpflichten, die sich füglich unter dem Gesichtspunkte öffent-
licher Fronden zusammenfassen lassen 13. Sie sind teils deutschen,
teils römischen Ursprungs.

Wohl schon aus der Zeit vor der Reichsgründung stammt das
Recht des Königs auf Gastung, nämlich das Recht, auf Reisen samt
dem Gefolge von den Unterthanen beherbergt und bewirtet zu wer-

dem westerlauwerschen Friesland angehörige Rechtsaufzeichnung, v. Richthofen,
Rqu. S. 424, Anm. 1, Jurisprudentia frisica 59, § 18. Wer den Ruf hört, heiſst
es da, er sei alt oder jung, er sei durstig oder hungrig, leide an Hitze oder an
Kälte, er soll nicht so lange warten, um seine Kleider zu wechseln, sondern soll
Gottes Feind verfolgen. Wer ihn zuerst trifft, den Schächer, soll ihn ergreifen.
Die Pflicht, dem Gerüfte zu folgen, findet sich auch bei Indern und Slaven.
Bernhöft, Staat und Recht der römischen Königszeit 1882, S. 216.
8 Siehe die Stellen bei Haltaus, Gloss. Sp. 1161 f.
9 Decr. Child. II., c. 9, Cap. I 17. Conv. Carisiac. v. J. 873, c. 2, Pertz, LL
I 519. Vgl. Widonis Cap. v. J. 891, c. 2, II 107.
10 Conv. Silvacensis c. 4, Pertz, LL I 424.
11 Greg. Tur. Hist. Franc. VII 21. Lex Rib. 73, 4. Heinze, Zur Gesch.
der Sicherheitsstellung im german. Strafverfahren in Z. f. RG X 450. Fustel de
Coulanges
, Étude sur l’immunité Mérovingienne, Revue historique XXII 285.
Personen, die denjenigen bewachen sollen, der zum König oder vor Gericht ge-
bracht werden soll, und dafür haften, daſs er zur Stelle sei (daher fideiussores),
kann der Richter nötigenfalls zwangsweise unter den Gerichtspflichtigen ausheben.
12 Lex Chamav. 36. Constit. de Hispanis v. J. 815, c. 1, Cap. I 261: iuxta
rationabilem … comitis ordinationem atque admonitionem explorationes et excu-
bias, quod usitato vocabulo wactas dicunt, facere non negligant …
13 In den Quellen werden sie gelegentlich nebst anderen Leistungen unter
den allgemeinen Begriff der functiones publicae gebracht. Siehe die Citate bei
Waitz, VG II 2, S. 271, Anm. 1; S. 281, Anm. 2. IV 288. 294, Anm. 2. Functio
publica ist römischer Terminus. Cassiodor, Var. V 14. 39. Lex Wisig. V 4, 19.
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[228/0246] § 89. Polizeidienst und öffentliche Fronden. Als Pflicht der Landfolge bezeichnen Quellen der nachfränkischen Zeit 8 die allgemeine Pflicht, dem Aufgebote in Sachen der Friedens- polizei Folge zu leisten. Der öffentliche Beamte konnte die Leute seines Amtsbezirkes zur Verfolgung von Verbrechern bannen. Wer die Teilnahme an der Verfolgung verweigerte, verwirkte eine Buſse, die nach dem Friedensgesetz Childeberts I. und Chlothars I. fünf Solidi, aber schon nach einem Gesetze Childeberts II. und ebenso nach spätkarolingischen Kapitularien den Königsbann betrug 9. Ein Kapitular von 853 führt die Pflicht der Hülfeleistung auf den Treu- eid der Unterthanen zurück 10. Der Richter konnte die Gauleute ferner als Wächter und Geleitsmänner (fideiussores) zur Verwahrung und zum Transporte von Gefangenen und Angeschuldigten aufbieten 11, ebenso zum Wachtdienste 12. Neben dem öffentlichen Polizeidienst bestand eine Anzahl von Unterthanenpflichten, die sich füglich unter dem Gesichtspunkte öffent- licher Fronden zusammenfassen lassen 13. Sie sind teils deutschen, teils römischen Ursprungs. Wohl schon aus der Zeit vor der Reichsgründung stammt das Recht des Königs auf Gastung, nämlich das Recht, auf Reisen samt dem Gefolge von den Unterthanen beherbergt und bewirtet zu wer- 7 8 Siehe die Stellen bei Haltaus, Gloss. Sp. 1161 f. 9 Decr. Child. II., c. 9, Cap. I 17. Conv. Carisiac. v. J. 873, c. 2, Pertz, LL I 519. Vgl. Widonis Cap. v. J. 891, c. 2, II 107. 10 Conv. Silvacensis c. 4, Pertz, LL I 424. 11 Greg. Tur. Hist. Franc. VII 21. Lex Rib. 73, 4. Heinze, Zur Gesch. der Sicherheitsstellung im german. Strafverfahren in Z. f. RG X 450. Fustel de Coulanges, Étude sur l’immunité Mérovingienne, Revue historique XXII 285. Personen, die denjenigen bewachen sollen, der zum König oder vor Gericht ge- bracht werden soll, und dafür haften, daſs er zur Stelle sei (daher fideiussores), kann der Richter nötigenfalls zwangsweise unter den Gerichtspflichtigen ausheben. 12 Lex Chamav. 36. Constit. de Hispanis v. J. 815, c. 1, Cap. I 261: iuxta rationabilem … comitis ordinationem atque admonitionem explorationes et excu- bias, quod usitato vocabulo wactas dicunt, facere non negligant … 13 In den Quellen werden sie gelegentlich nebst anderen Leistungen unter den allgemeinen Begriff der functiones publicae gebracht. Siehe die Citate bei Waitz, VG II 2, S. 271, Anm. 1; S. 281, Anm. 2. IV 288. 294, Anm. 2. Functio publica ist römischer Terminus. Cassiodor, Var. V 14. 39. Lex Wisig. V 4, 19. 7 dem westerlauwerschen Friesland angehörige Rechtsaufzeichnung, v. Richthofen, Rqu. S. 424, Anm. 1, Jurisprudentia frisica 59, § 18. Wer den Ruf hört, heiſst es da, er sei alt oder jung, er sei durstig oder hungrig, leide an Hitze oder an Kälte, er soll nicht so lange warten, um seine Kleider zu wechseln, sondern soll Gottes Feind verfolgen. Wer ihn zuerst trifft, den Schächer, soll ihn ergreifen. Die Pflicht, dem Gerüfte zu folgen, findet sich auch bei Indern und Slaven. Bernhöft, Staat und Recht der römischen Königszeit 1882, S. 216.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/246>, abgerufen am 23.11.2024.