Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.§ 81. Die Grafen. lische Interessen wahrzunehmen 47. Weitergehende Befugnis erlangtendie sächsischen Grafen. Ihnen wurde allgemeine Vollmacht gewährt, zur Unterdrückung von Fehden und schlechtweg in causae maiores bei sechzig Schillingen zu bannen 48. Die in der gräflichen Gewalt enthaltenen Rechte vermag der Ein festes Amtsgehalt war den Grafen nicht ausgesetzt. Dafür 47 Cap. Aquisgr. 801--813, c. 6, I 171. Edictum Pist. v. J. 864, c. 28, Pertz, LL I 495. 48 Cap. de part. Sax. c. 31, I 70. 49 Daher bezieht der Graf den Anteil an den Heerbannbussen, welche die königlichen Missi eintreiben. Dagegen erhält er keine Entschädigung, wenn der König eine verwirkte Bannbusse aus Gnade erlässt. Cap. miss. gen. v. J. 802, c. 29, I 96. 50 Capit. Pipp. ital. von c. 790, c. 5, I 201: si comites ipsas causas commo- verint ad requirendum, illam tertiam partem ad eorum recipiant opus, duas vero ad palatium. Cap. Bonon. v. J. 811, c. 2, I 166 (siehe oben S. 165, Anm. 25). Lombarda-Commentare I 2: plane si compositionem comes exegerit, tertiam sibi partem retinebit. Eine merkwürdige Reminiscenz an das Drittteilsrecht des Grafen kennt das anglo-normannische Recht. Dialogus de scaccario I, c. 17: comes autem est, qui tertiam portionem eorum, quae de placitis proveniunt, in quolibet comitatu percipit ... qui ideo sic (comes) dici dicitur, quia fisco socius est et comes in percipiendis. Der ordentliche Grafschaftsbeamte war in England und in der Normandie der vicecomes. Doch wurde der Bezug des Drittels der Gerichtsgefälle vom König teils als Privilegium verliehen, teils wohl als Herkommen geachtet und wird diesfalls der Bezugsberechtigte als Graf bezeichnet. 51 Siehe oben I 203, Anm. 3. Ein in die merowingische Zeit hinaufreichen-
des Beispiel aus Cod. Lauresham. I 16 citiert Waitz, VG II 2, S. 35, Anm. 4. § 81. Die Grafen. lische Interessen wahrzunehmen 47. Weitergehende Befugnis erlangtendie sächsischen Grafen. Ihnen wurde allgemeine Vollmacht gewährt, zur Unterdrückung von Fehden und schlechtweg in causae maiores bei sechzig Schillingen zu bannen 48. Die in der gräflichen Gewalt enthaltenen Rechte vermag der Ein festes Amtsgehalt war den Grafen nicht ausgesetzt. Dafür 47 Cap. Aquisgr. 801—813, c. 6, I 171. Edictum Pist. v. J. 864, c. 28, Pertz, LL I 495. 48 Cap. de part. Sax. c. 31, I 70. 49 Daher bezieht der Graf den Anteil an den Heerbannbuſsen, welche die königlichen Missi eintreiben. Dagegen erhält er keine Entschädigung, wenn der König eine verwirkte Bannbuſse aus Gnade erläſst. Cap. miss. gen. v. J. 802, c. 29, I 96. 50 Capit. Pipp. ital. von c. 790, c. 5, I 201: si comites ipsas causas commo- verint ad requirendum, illam tertiam partem ad eorum recipiant opus, duas vero ad palatium. Cap. Bonon. v. J. 811, c. 2, I 166 (siehe oben S. 165, Anm. 25). Lombarda-Commentare I 2: plane si compositionem comes exegerit, tertiam sibi partem retinebit. Eine merkwürdige Reminiscenz an das Drittteilsrecht des Grafen kennt das anglo-normannische Recht. Dialogus de scaccario I, c. 17: comes autem est, qui tertiam portionem eorum, quae de placitis proveniunt, in quolibet comitatu percipit … qui ideo sic (comes) dici dicitur, quia fisco socius est et comes in percipiendis. Der ordentliche Grafschaftsbeamte war in England und in der Normandie der vicecomes. Doch wurde der Bezug des Drittels der Gerichtsgefälle vom König teils als Privilegium verliehen, teils wohl als Herkommen geachtet und wird diesfalls der Bezugsberechtigte als Graf bezeichnet. 51 Siehe oben I 203, Anm. 3. Ein in die merowingische Zeit hinaufreichen-
des Beispiel aus Cod. Lauresham. I 16 citiert Waitz, VG II 2, S. 35, Anm. 4. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0186" n="168"/><fw place="top" type="header">§ 81. Die Grafen.</fw><lb/> lische Interessen wahrzunehmen <note place="foot" n="47">Cap. Aquisgr. 801—813, c. 6, I 171. Edictum Pist. v. J. 864, c. 28, Pertz,<lb/> LL I 495.</note>. Weitergehende Befugnis erlangten<lb/> die sächsischen Grafen. Ihnen wurde allgemeine Vollmacht gewährt,<lb/> zur Unterdrückung von Fehden und schlechtweg in causae maiores<lb/> bei sechzig Schillingen zu bannen <note place="foot" n="48">Cap. de part. Sax. c. 31, I 70.</note>.</p><lb/> <p>Die in der gräflichen Gewalt enthaltenen Rechte vermag der<lb/> König jederzeit persönlich oder durch Stellvertreter auszuüben. Es<lb/> steht bei ihm, Eingesessene der Grafschaft von der gräflichen Gewalt<lb/> zu eximieren, dem Grafen einzelne Amtsbefugnisse zu entziehen und<lb/> sie auf andere Organe zu übertragen. Doch wird bei allgemeinen<lb/> Maſsregeln dieser Art schon von Karl dem Groſsen darauf gesehen,<lb/> daſs dadurch die Einkünfte des Grafen nicht geschmälert werden <note place="foot" n="49">Daher bezieht der Graf den Anteil an den Heerbannbuſsen, welche die<lb/> königlichen Missi eintreiben. Dagegen erhält er keine Entschädigung, wenn der<lb/> König eine verwirkte Bannbuſse aus Gnade erläſst. Cap. miss. gen. v. J. 802,<lb/> c. 29, I 96.</note>.</p><lb/> <p>Ein festes Amtsgehalt war den Grafen nicht ausgesetzt. Dafür<lb/> bezogen sie einen Teil der fiskalischen Grafschaftseinkünfte, jedenfalls<lb/> ein Drittel der Friedensgelder und der Bannbuſsen, die sie für den könig-<lb/> lichen Fiskus erhoben hatten <note place="foot" n="50">Capit. Pipp. ital. von c. 790, c. 5, I 201: si comites ipsas causas commo-<lb/> verint ad requirendum, illam tertiam partem ad eorum recipiant opus, duas vero<lb/> ad palatium. Cap. Bonon. v. J. 811, c. 2, I 166 (siehe oben S. 165, Anm. 25).<lb/> Lombarda-Commentare I 2: plane si compositionem comes exegerit, tertiam sibi<lb/> partem retinebit. Eine merkwürdige Reminiscenz an das Drittteilsrecht des Grafen<lb/> kennt das anglo-normannische Recht. Dialogus de scaccario I, c. 17: comes autem<lb/> est, qui tertiam portionem eorum, <hi rendition="#g">quae de placitis proveniunt,</hi> in quolibet<lb/> comitatu percipit … qui ideo sic (comes) dici dicitur, quia fisco socius est et comes<lb/> in percipiendis. Der ordentliche Grafschaftsbeamte war in England und in der<lb/> Normandie der vicecomes. Doch wurde der Bezug des Drittels der Gerichtsgefälle<lb/> vom König teils als Privilegium verliehen, teils wohl als Herkommen geachtet und<lb/> wird diesfalls der Bezugsberechtigte als Graf bezeichnet.</note>. Auf ihren Dienstreisen innerhalb<lb/> der Grafschaft konnten sie von den Gauleuten Beherbergung, Beför-<lb/> derung und Spanndienste beanspruchen. Auſserdem waren den Grafen<lb/> wohl regelmäſsig Nutzungen von königlichen Gütern zugewiesen, die<lb/> sich innerhalb der Grafschaft befanden <note place="foot" n="51">Siehe oben I 203, Anm. 3. Ein in die merowingische Zeit hinaufreichen-<lb/> des Beispiel aus Cod. Lauresham. I 16 citiert <hi rendition="#g">Waitz,</hi> VG II 2, S. 35, Anm. 4.</note>. Solches Land wurde bei<lb/> dem Wechsel der Amtsinhaber nicht selten dem Nachfolger zur<lb/> Nutzung überlassen, sodaſs es schlieſslich den Charakter eines mit<lb/> dem Grafschaftsamte als solchem verbundenen Amtsgutes annahm.<lb/> Die Besitzungen, mit welchen die Grafschaft ausgestattet ist, heiſsen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [168/0186]
§ 81. Die Grafen.
lische Interessen wahrzunehmen 47. Weitergehende Befugnis erlangten
die sächsischen Grafen. Ihnen wurde allgemeine Vollmacht gewährt,
zur Unterdrückung von Fehden und schlechtweg in causae maiores
bei sechzig Schillingen zu bannen 48.
Die in der gräflichen Gewalt enthaltenen Rechte vermag der
König jederzeit persönlich oder durch Stellvertreter auszuüben. Es
steht bei ihm, Eingesessene der Grafschaft von der gräflichen Gewalt
zu eximieren, dem Grafen einzelne Amtsbefugnisse zu entziehen und
sie auf andere Organe zu übertragen. Doch wird bei allgemeinen
Maſsregeln dieser Art schon von Karl dem Groſsen darauf gesehen,
daſs dadurch die Einkünfte des Grafen nicht geschmälert werden 49.
Ein festes Amtsgehalt war den Grafen nicht ausgesetzt. Dafür
bezogen sie einen Teil der fiskalischen Grafschaftseinkünfte, jedenfalls
ein Drittel der Friedensgelder und der Bannbuſsen, die sie für den könig-
lichen Fiskus erhoben hatten 50. Auf ihren Dienstreisen innerhalb
der Grafschaft konnten sie von den Gauleuten Beherbergung, Beför-
derung und Spanndienste beanspruchen. Auſserdem waren den Grafen
wohl regelmäſsig Nutzungen von königlichen Gütern zugewiesen, die
sich innerhalb der Grafschaft befanden 51. Solches Land wurde bei
dem Wechsel der Amtsinhaber nicht selten dem Nachfolger zur
Nutzung überlassen, sodaſs es schlieſslich den Charakter eines mit
dem Grafschaftsamte als solchem verbundenen Amtsgutes annahm.
Die Besitzungen, mit welchen die Grafschaft ausgestattet ist, heiſsen
47 Cap. Aquisgr. 801—813, c. 6, I 171. Edictum Pist. v. J. 864, c. 28, Pertz,
LL I 495.
48 Cap. de part. Sax. c. 31, I 70.
49 Daher bezieht der Graf den Anteil an den Heerbannbuſsen, welche die
königlichen Missi eintreiben. Dagegen erhält er keine Entschädigung, wenn der
König eine verwirkte Bannbuſse aus Gnade erläſst. Cap. miss. gen. v. J. 802,
c. 29, I 96.
50 Capit. Pipp. ital. von c. 790, c. 5, I 201: si comites ipsas causas commo-
verint ad requirendum, illam tertiam partem ad eorum recipiant opus, duas vero
ad palatium. Cap. Bonon. v. J. 811, c. 2, I 166 (siehe oben S. 165, Anm. 25).
Lombarda-Commentare I 2: plane si compositionem comes exegerit, tertiam sibi
partem retinebit. Eine merkwürdige Reminiscenz an das Drittteilsrecht des Grafen
kennt das anglo-normannische Recht. Dialogus de scaccario I, c. 17: comes autem
est, qui tertiam portionem eorum, quae de placitis proveniunt, in quolibet
comitatu percipit … qui ideo sic (comes) dici dicitur, quia fisco socius est et comes
in percipiendis. Der ordentliche Grafschaftsbeamte war in England und in der
Normandie der vicecomes. Doch wurde der Bezug des Drittels der Gerichtsgefälle
vom König teils als Privilegium verliehen, teils wohl als Herkommen geachtet und
wird diesfalls der Bezugsberechtigte als Graf bezeichnet.
51 Siehe oben I 203, Anm. 3. Ein in die merowingische Zeit hinaufreichen-
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