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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 78. Die Verwaltungsbezirke.
bezeichnet, damals neugebildet oder an bereits vorhandene Gliede-
rungen angelehnt wurden, bleibt zweifelhaft. Vermutlich waren da-
für die örtlichen Verhältnisse entscheidend. Wo Centenen im frän-
kischen Sinne bereits bestanden, hätte es genügt, die Ersatzpflicht der
Centene auszusprechen und das Versäumnis des Aufgebotes zur Ver-
folgung unter Strafe zu stellen 38, wie dies im Jahre 596 für Austra-
sien in der decretio Childeberti II. geschah 39. Soweit das Friedens-
gesetz Chlothars I. und Childeberts I. die Bildung neuer Centenen ver-
anlasste, hatten diese nur den Charakter von Polizeibezirken, nicht auch
die übrigen Funktionen der Hundertschaft.

Schon im Laufe der fränkischen Periode macht sich eine mehr
und mehr zunehmende Verkleinerung der Verwaltungsbezirke geltend 40.
Grössere Grafschaften und Gaue spalten sich in mehrere kleinere;
grössere Hundertschaften und Vikarien zerfallen in eine Anzahl von
Unterbezirken, die nunmehr centenae oder vicariae heissen, während
der grössere Bezirk zum comitatus aufrückt.

Von den Markgenossenschaften, Dorfschaften und Bauerschaften
ist hier abzusehen. Sie waren wirtschaftliche Verbände und sind als
solche schon oben besprochen worden. Dagegen fehlte ihnen der
Charakter politischer Verwaltungsbezirke. Als solche sind im Sinne
der fränkischen Reichsverfassung auch die Städte nicht anzusehen;
denn sie waren den Gauen und ihren Unterbezirken eingegliedert.
Doch haben sich in den Städten der romanischen Gebiete desorgani-
sierte Reste des römischen Städtewesens erhalten, durch welche sich
jene ein beschränktes Mass von Selbstverwaltung bewahrten 41.


38 Schon Waitz, VG II 1, S. 399, Anm. 2, bemerkt: Und möglich scheint mir
immer, dass das Gesetz die Absicht hat, die fränkische Organisation der Hunderten
nun für den Zweck der Rechtssicherung allgemeiner durchzuführen, namentlich
auch da, wo es keine Centenarien gab, solche wählen zu lassen.
39 Decretio Childeb. II. c. 11: si furtus factus fuerit, capitale de praesente
centena restituat et causa centenarius cum centena requirat. L. c. c. 12. c. 9. Als
Organ der Verfolgung von Dieben wird die trustis schon in c. 1 des ältesten Ca-
pitulars zur Lex Salica, Hessels 66, genannt.
40 Entsprechend einer Entwicklung, die wir bereits im römischen Reiche wahr-
nehmen können.
41 Siehe unten § 86.

§ 78. Die Verwaltungsbezirke.
bezeichnet, damals neugebildet oder an bereits vorhandene Gliede-
rungen angelehnt wurden, bleibt zweifelhaft. Vermutlich waren da-
für die örtlichen Verhältnisse entscheidend. Wo Centenen im frän-
kischen Sinne bereits bestanden, hätte es genügt, die Ersatzpflicht der
Centene auszusprechen und das Versäumnis des Aufgebotes zur Ver-
folgung unter Strafe zu stellen 38, wie dies im Jahre 596 für Austra-
sien in der decretio Childeberti II. geschah 39. Soweit das Friedens-
gesetz Chlothars I. und Childeberts I. die Bildung neuer Centenen ver-
anlaſste, hatten diese nur den Charakter von Polizeibezirken, nicht auch
die übrigen Funktionen der Hundertschaft.

Schon im Laufe der fränkischen Periode macht sich eine mehr
und mehr zunehmende Verkleinerung der Verwaltungsbezirke geltend 40.
Gröſsere Grafschaften und Gaue spalten sich in mehrere kleinere;
gröſsere Hundertschaften und Vikarien zerfallen in eine Anzahl von
Unterbezirken, die nunmehr centenae oder vicariae heiſsen, während
der gröſsere Bezirk zum comitatus aufrückt.

Von den Markgenossenschaften, Dorfschaften und Bauerschaften
ist hier abzusehen. Sie waren wirtschaftliche Verbände und sind als
solche schon oben besprochen worden. Dagegen fehlte ihnen der
Charakter politischer Verwaltungsbezirke. Als solche sind im Sinne
der fränkischen Reichsverfassung auch die Städte nicht anzusehen;
denn sie waren den Gauen und ihren Unterbezirken eingegliedert.
Doch haben sich in den Städten der romanischen Gebiete desorgani-
sierte Reste des römischen Städtewesens erhalten, durch welche sich
jene ein beschränktes Maſs von Selbstverwaltung bewahrten 41.


38 Schon Waitz, VG II 1, S. 399, Anm. 2, bemerkt: Und möglich scheint mir
immer, daſs das Gesetz die Absicht hat, die fränkische Organisation der Hunderten
nun für den Zweck der Rechtssicherung allgemeiner durchzuführen, namentlich
auch da, wo es keine Centenarien gab, solche wählen zu lassen.
39 Decretio Childeb. II. c. 11: si furtus factus fuerit, capitale de praesente
centena restituat et causa centenarius cum centena requirat. L. c. c. 12. c. 9. Als
Organ der Verfolgung von Dieben wird die trustis schon in c. 1 des ältesten Ca-
pitulars zur Lex Salica, Hessels 66, genannt.
40 Entsprechend einer Entwicklung, die wir bereits im römischen Reiche wahr-
nehmen können.
41 Siehe unten § 86.
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[148/0166] § 78. Die Verwaltungsbezirke. bezeichnet, damals neugebildet oder an bereits vorhandene Gliede- rungen angelehnt wurden, bleibt zweifelhaft. Vermutlich waren da- für die örtlichen Verhältnisse entscheidend. Wo Centenen im frän- kischen Sinne bereits bestanden, hätte es genügt, die Ersatzpflicht der Centene auszusprechen und das Versäumnis des Aufgebotes zur Ver- folgung unter Strafe zu stellen 38, wie dies im Jahre 596 für Austra- sien in der decretio Childeberti II. geschah 39. Soweit das Friedens- gesetz Chlothars I. und Childeberts I. die Bildung neuer Centenen ver- anlaſste, hatten diese nur den Charakter von Polizeibezirken, nicht auch die übrigen Funktionen der Hundertschaft. Schon im Laufe der fränkischen Periode macht sich eine mehr und mehr zunehmende Verkleinerung der Verwaltungsbezirke geltend 40. Gröſsere Grafschaften und Gaue spalten sich in mehrere kleinere; gröſsere Hundertschaften und Vikarien zerfallen in eine Anzahl von Unterbezirken, die nunmehr centenae oder vicariae heiſsen, während der gröſsere Bezirk zum comitatus aufrückt. Von den Markgenossenschaften, Dorfschaften und Bauerschaften ist hier abzusehen. Sie waren wirtschaftliche Verbände und sind als solche schon oben besprochen worden. Dagegen fehlte ihnen der Charakter politischer Verwaltungsbezirke. Als solche sind im Sinne der fränkischen Reichsverfassung auch die Städte nicht anzusehen; denn sie waren den Gauen und ihren Unterbezirken eingegliedert. Doch haben sich in den Städten der romanischen Gebiete desorgani- sierte Reste des römischen Städtewesens erhalten, durch welche sich jene ein beschränktes Maſs von Selbstverwaltung bewahrten 41. 38 Schon Waitz, VG II 1, S. 399, Anm. 2, bemerkt: Und möglich scheint mir immer, daſs das Gesetz die Absicht hat, die fränkische Organisation der Hunderten nun für den Zweck der Rechtssicherung allgemeiner durchzuführen, namentlich auch da, wo es keine Centenarien gab, solche wählen zu lassen. 39 Decretio Childeb. II. c. 11: si furtus factus fuerit, capitale de praesente centena restituat et causa centenarius cum centena requirat. L. c. c. 12. c. 9. Als Organ der Verfolgung von Dieben wird die trustis schon in c. 1 des ältesten Ca- pitulars zur Lex Salica, Hessels 66, genannt. 40 Entsprechend einer Entwicklung, die wir bereits im römischen Reiche wahr- nehmen können. 41 Siehe unten § 86.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/166>, abgerufen am 25.11.2024.