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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 75. Die Beamten der Domänenverwaltung.

Das Wort domesticus verwenden die fränkischen Quellen in zwei-
facher Bedeutung. Entweder bezeichnet es wie im römischen Sprach-
gebrauch den Hausgenossen im allgemeinen1, oder es wird als Amts-
titel gebraucht für einen bestimmten Beamten mit bestimmten Funk-
tionen2, dessen rechtliche Stellung nach Lage der Quellen noch manche
Zweifel offen lässt.

Der fränkische domesticus war Domänenbeamter3. An alle domestici
ergeht der Befehl, zur Feier der Geburt eines Königssohnes in jeder
königlichen Villa drei Knechte freizulassen4. In dem Formular des
Freibriefs, den der domesticus daraufhin ausstellt, nennt er sich do-
mesticus super villas illas5. Gelegentlich wird einem domesticus auf-
getragen, mit dem königlichen Förster einen Forst auszumessen und
abzugrenzen, den der König einem Kloster zuwendet6. Ein andermal
erscheint ein domesticus als custos saltuum villarumque regalium7.
Die domestici ziehen Schätze und Güter ein, die dem König anheim-
fallen8; an sie richtet sich die Anweisung des Königs, eine Verfügung
über eingezogenes oder heimgefallenes Gut zur Ausführung zu bringen.
Ein domesticus lässt das Gold, das als öffentliche Abgabe eingelaufen
ist, in einer königlichen Villa einschmelzen9.

Neben den domestici, die wir uns als Beamte der Provinzial-
domänenverwaltung zu denken haben, gab es in merowingischer Zeit

1 Siehe oben S. 96, Anm. 7.
2 Es geht nicht an, die domestici allerwege als Hofleute oder Hofbeamte
schlechtweg zu betrachten, wie Eichhorn, RG I5 184, Maurer, Fronhöfe I 164,
oder sie für eine bestimmte Klasse von Hofleuten zu erklären, wie Hermann,
a. O. S. 108 f. Diese Ansichten widerlegt schon der Ausdruck ex domestico bei
Greg. Tur. Hist. Franc. IV 3, VI 11, VII 15. Siehe oben S. 80.
3 Es ist Sohms Verdienst, diese Bedeutung des domesticus völlig klargestellt
zu haben.
4 Marculf I 39.
5 Marculf II 52.
6 Pertz, Dipl. M. Nr. 29.
7 Gesta abbatum Fontanell. ed. Loewenthal S. 16, eine Schenkungsurkunde
directa Teutgislo domestico et custodi saltuum villarumque regalium.
8 Fredegar IV 4: Mummolus iusso Guntchramni interficitur. Uxorem eius ..
una cum omnes thinsauris eius Domnolus domesticus et Wandalmarus camararius
Gundramno praesentant. Damit dürfte wohl auch auf die etwas dunkle Erzählung
bei Greg. Tur. Hist. Franc. X 5 einiges Licht fallen, wo es von dem zur Verant-
wortung gezogenen Vikar Animodus heisst: repertumque Flavianum domesticum,
causatus cum socio, .. redire ad propria iussus est, datis tamen domestico illi mu-
nera prius. Es kam dem Beschuldigten darauf an den domesticus zu gewinnen,
der wegen der Konfiskation, die den Überführten treffen musste, ein amtliches
Interesse an der Überführung gehabt hätte. Vgl. Lex Rib. 88.
9 Audoenus, Vita S. Eligii I, c. 15.
§ 75. Die Beamten der Domänenverwaltung.

Das Wort domesticus verwenden die fränkischen Quellen in zwei-
facher Bedeutung. Entweder bezeichnet es wie im römischen Sprach-
gebrauch den Hausgenossen im allgemeinen1, oder es wird als Amts-
titel gebraucht für einen bestimmten Beamten mit bestimmten Funk-
tionen2, dessen rechtliche Stellung nach Lage der Quellen noch manche
Zweifel offen läſst.

Der fränkische domesticus war Domänenbeamter3. An alle domestici
ergeht der Befehl, zur Feier der Geburt eines Königssohnes in jeder
königlichen Villa drei Knechte freizulassen4. In dem Formular des
Freibriefs, den der domesticus daraufhin ausstellt, nennt er sich do-
mesticus super villas illas5. Gelegentlich wird einem domesticus auf-
getragen, mit dem königlichen Förster einen Forst auszumessen und
abzugrenzen, den der König einem Kloster zuwendet6. Ein andermal
erscheint ein domesticus als custos saltuum villarumque regalium7.
Die domestici ziehen Schätze und Güter ein, die dem König anheim-
fallen8; an sie richtet sich die Anweisung des Königs, eine Verfügung
über eingezogenes oder heimgefallenes Gut zur Ausführung zu bringen.
Ein domesticus läſst das Gold, das als öffentliche Abgabe eingelaufen
ist, in einer königlichen Villa einschmelzen9.

Neben den domestici, die wir uns als Beamte der Provinzial-
domänenverwaltung zu denken haben, gab es in merowingischer Zeit

1 Siehe oben S. 96, Anm. 7.
2 Es geht nicht an, die domestici allerwege als Hofleute oder Hofbeamte
schlechtweg zu betrachten, wie Eichhorn, RG I5 184, Maurer, Fronhöfe I 164,
oder sie für eine bestimmte Klasse von Hofleuten zu erklären, wie Hermann,
a. O. S. 108 f. Diese Ansichten widerlegt schon der Ausdruck ex domestico bei
Greg. Tur. Hist. Franc. IV 3, VI 11, VII 15. Siehe oben S. 80.
3 Es ist Sohms Verdienst, diese Bedeutung des domesticus völlig klargestellt
zu haben.
4 Marculf I 39.
5 Marculf II 52.
6 Pertz, Dipl. M. Nr. 29.
7 Gesta abbatum Fontanell. ed. Loewenthal S. 16, eine Schenkungsurkunde
directa Teutgislo domestico et custodi saltuum villarumque regalium.
8 Fredegar IV 4: Mummolus iusso Guntchramni interficitur. Uxorem eius ..
una cum omnes thinsauris eius Domnolus domesticus et Wandalmarus camararius
Gundramno praesentant. Damit dürfte wohl auch auf die etwas dunkle Erzählung
bei Greg. Tur. Hist. Franc. X 5 einiges Licht fallen, wo es von dem zur Verant-
wortung gezogenen Vikar Animodus heiſst: repertumque Flavianum domesticum,
causatus cum socio, .. redire ad propria iussus est, datis tamen domestico illi mu-
nera prius. Es kam dem Beschuldigten darauf an den domesticus zu gewinnen,
der wegen der Konfiskation, die den Überführten treffen muſste, ein amtliches
Interesse an der Überführung gehabt hätte. Vgl. Lex Rib. 88.
9 Audoenus, Vita S. Eligii I, c. 15.
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[118/0136] § 75. Die Beamten der Domänenverwaltung. Das Wort domesticus verwenden die fränkischen Quellen in zwei- facher Bedeutung. Entweder bezeichnet es wie im römischen Sprach- gebrauch den Hausgenossen im allgemeinen 1, oder es wird als Amts- titel gebraucht für einen bestimmten Beamten mit bestimmten Funk- tionen 2, dessen rechtliche Stellung nach Lage der Quellen noch manche Zweifel offen läſst. Der fränkische domesticus war Domänenbeamter 3. An alle domestici ergeht der Befehl, zur Feier der Geburt eines Königssohnes in jeder königlichen Villa drei Knechte freizulassen 4. In dem Formular des Freibriefs, den der domesticus daraufhin ausstellt, nennt er sich do- mesticus super villas illas 5. Gelegentlich wird einem domesticus auf- getragen, mit dem königlichen Förster einen Forst auszumessen und abzugrenzen, den der König einem Kloster zuwendet 6. Ein andermal erscheint ein domesticus als custos saltuum villarumque regalium 7. Die domestici ziehen Schätze und Güter ein, die dem König anheim- fallen 8; an sie richtet sich die Anweisung des Königs, eine Verfügung über eingezogenes oder heimgefallenes Gut zur Ausführung zu bringen. Ein domesticus läſst das Gold, das als öffentliche Abgabe eingelaufen ist, in einer königlichen Villa einschmelzen 9. Neben den domestici, die wir uns als Beamte der Provinzial- domänenverwaltung zu denken haben, gab es in merowingischer Zeit 1 Siehe oben S. 96, Anm. 7. 2 Es geht nicht an, die domestici allerwege als Hofleute oder Hofbeamte schlechtweg zu betrachten, wie Eichhorn, RG I5 184, Maurer, Fronhöfe I 164, oder sie für eine bestimmte Klasse von Hofleuten zu erklären, wie Hermann, a. O. S. 108 f. Diese Ansichten widerlegt schon der Ausdruck ex domestico bei Greg. Tur. Hist. Franc. IV 3, VI 11, VII 15. Siehe oben S. 80. 3 Es ist Sohms Verdienst, diese Bedeutung des domesticus völlig klargestellt zu haben. 4 Marculf I 39. 5 Marculf II 52. 6 Pertz, Dipl. M. Nr. 29. 7 Gesta abbatum Fontanell. ed. Loewenthal S. 16, eine Schenkungsurkunde directa Teutgislo domestico et custodi saltuum villarumque regalium. 8 Fredegar IV 4: Mummolus iusso Guntchramni interficitur. Uxorem eius .. una cum omnes thinsauris eius Domnolus domesticus et Wandalmarus camararius Gundramno praesentant. Damit dürfte wohl auch auf die etwas dunkle Erzählung bei Greg. Tur. Hist. Franc. X 5 einiges Licht fallen, wo es von dem zur Verant- wortung gezogenen Vikar Animodus heiſst: repertumque Flavianum domesticum, causatus cum socio, .. redire ad propria iussus est, datis tamen domestico illi mu- nera prius. Es kam dem Beschuldigten darauf an den domesticus zu gewinnen, der wegen der Konfiskation, die den Überführten treffen muſste, ein amtliches Interesse an der Überführung gehabt hätte. Vgl. Lex Rib. 88. 9 Audoenus, Vita S. Eligii I, c. 15.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/136>, abgerufen am 23.11.2024.