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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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der arianischen Germanen.
magistri militum oder Patrizier, sondern es wird in Inschriften, die
aus den Jahren 466 und 473 stammen, Kaiser Leo geradezu dominus
noster genannt 6. Und noch im sechsten Jahrhundert bringt es König
Sigismund über sich, in Briefen an Kaiser Anastasius die Burgunder
als kaiserliche milites zu bezeichnen.

Der Stellung zum Reiche entsprach das Verhalten der Germanen
zur römischen Bevölkerung, die ihre neuen Herren verhältnismässig
früh zu romanisieren vermochte. Obzwar sich ihre Lage in den ein-
zelnen Staaten verschieden gestaltete, so behielt sie doch allenthalben
ihre Freiheit, ihr Recht und ihr Vermögen. Und wenn sie sich auch
von den Goten und Burgundern eine Landteilung gefallen lassen
musste, so erfolgte dieselbe doch im Anschluss an Grundsätze des
römischen Verwaltungsrechts, nämlich nach dem Vorbilde des römischen
Einquartierungssystems, welches kennen zu lernen die Germanen im
römischen Dienste reichliche Gelegenheit gefunden hatten 7.

Die inneren Einrichtungen der neuen Reiche knüpfen in wesent-
lichen Punkten an die vorgefundenen römischen Institutionen an. Die
Burgunder und Westgoten haben sie bald in selbständiger Weise um-
zubilden begonnen. Dagegen fungierte in Italien die alte römische
Verwaltungsmaschine bis zur langobardischen Eroberung ohne erheb-
liche Störungen fort. Odovaker liess den Senat und den ganzen
römischen Beamtenapparat bestehen. Theoderich liebte es, die alt-
hergebrachten Formen fast mit Ängstlichkeit zu wahren. Schreibt er
an den Senat, so spricht er zu den patres conscripti. Sein Reich ist
ihm ein regnum Romanum, in welchem die Goten den erblichen
Wehrstand bilden.

Formell stellt sich der Übergang von der alten Ordnung der Ver-
hältnisse in die neue als ein fast unmerklicher dar. So gross auch der
Abstand zwischen dem ersten germanischen Reisläufer, der in römischen
Kriegsdienst trat, und dem König des germanischen Föderatvolkes,
der sich magister militum oder patricius nennen durfte, so erheblich
der Unterschied ist zwischen der Einquartierung eines römischen Sol-
daten germanischer Herkunft und den Landteilungen der Burgunder
und Westgoten, so liegt doch auf dem Boden des römischen Staats-
und Verwaltungsrechtes eine Reihe von Mittelgliedern, welche die
Anfangs- und Endpunkte der Entwicklung verketten.

Sieht man nicht auf die Formen, sondern auf das Wesen der
Dinge, so wird man sich freilich der Wahrnehmung nicht verschliessen,

6 Binding S 311. 315.
7 S. unten § 11.

der arianischen Germanen.
magistri militum oder Patrizier, sondern es wird in Inschriften, die
aus den Jahren 466 und 473 stammen, Kaiser Leo geradezu dominus
noster genannt 6. Und noch im sechsten Jahrhundert bringt es König
Sigismund über sich, in Briefen an Kaiser Anastasius die Burgunder
als kaiserliche milites zu bezeichnen.

Der Stellung zum Reiche entsprach das Verhalten der Germanen
zur römischen Bevölkerung, die ihre neuen Herren verhältnismäſsig
früh zu romanisieren vermochte. Obzwar sich ihre Lage in den ein-
zelnen Staaten verschieden gestaltete, so behielt sie doch allenthalben
ihre Freiheit, ihr Recht und ihr Vermögen. Und wenn sie sich auch
von den Goten und Burgundern eine Landteilung gefallen lassen
muſste, so erfolgte dieselbe doch im Anschluſs an Grundsätze des
römischen Verwaltungsrechts, nämlich nach dem Vorbilde des römischen
Einquartierungssystems, welches kennen zu lernen die Germanen im
römischen Dienste reichliche Gelegenheit gefunden hatten 7.

Die inneren Einrichtungen der neuen Reiche knüpfen in wesent-
lichen Punkten an die vorgefundenen römischen Institutionen an. Die
Burgunder und Westgoten haben sie bald in selbständiger Weise um-
zubilden begonnen. Dagegen fungierte in Italien die alte römische
Verwaltungsmaschine bis zur langobardischen Eroberung ohne erheb-
liche Störungen fort. Odovaker lieſs den Senat und den ganzen
römischen Beamtenapparat bestehen. Theoderich liebte es, die alt-
hergebrachten Formen fast mit Ängstlichkeit zu wahren. Schreibt er
an den Senat, so spricht er zu den patres conscripti. Sein Reich ist
ihm ein regnum Romanum, in welchem die Goten den erblichen
Wehrstand bilden.

Formell stellt sich der Übergang von der alten Ordnung der Ver-
hältnisse in die neue als ein fast unmerklicher dar. So groſs auch der
Abstand zwischen dem ersten germanischen Reisläufer, der in römischen
Kriegsdienst trat, und dem König des germanischen Föderatvolkes,
der sich magister militum oder patricius nennen durfte, so erheblich
der Unterschied ist zwischen der Einquartierung eines römischen Sol-
daten germanischer Herkunft und den Landteilungen der Burgunder
und Westgoten, so liegt doch auf dem Boden des römischen Staats-
und Verwaltungsrechtes eine Reihe von Mittelgliedern, welche die
Anfangs- und Endpunkte der Entwicklung verketten.

Sieht man nicht auf die Formen, sondern auf das Wesen der
Dinge, so wird man sich freilich der Wahrnehmung nicht verschlieſsen,

6 Binding S 311. 315.
7 S. unten § 11.
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[53/0071] der arianischen Germanen. magistri militum oder Patrizier, sondern es wird in Inschriften, die aus den Jahren 466 und 473 stammen, Kaiser Leo geradezu dominus noster genannt 6. Und noch im sechsten Jahrhundert bringt es König Sigismund über sich, in Briefen an Kaiser Anastasius die Burgunder als kaiserliche milites zu bezeichnen. Der Stellung zum Reiche entsprach das Verhalten der Germanen zur römischen Bevölkerung, die ihre neuen Herren verhältnismäſsig früh zu romanisieren vermochte. Obzwar sich ihre Lage in den ein- zelnen Staaten verschieden gestaltete, so behielt sie doch allenthalben ihre Freiheit, ihr Recht und ihr Vermögen. Und wenn sie sich auch von den Goten und Burgundern eine Landteilung gefallen lassen muſste, so erfolgte dieselbe doch im Anschluſs an Grundsätze des römischen Verwaltungsrechts, nämlich nach dem Vorbilde des römischen Einquartierungssystems, welches kennen zu lernen die Germanen im römischen Dienste reichliche Gelegenheit gefunden hatten 7. Die inneren Einrichtungen der neuen Reiche knüpfen in wesent- lichen Punkten an die vorgefundenen römischen Institutionen an. Die Burgunder und Westgoten haben sie bald in selbständiger Weise um- zubilden begonnen. Dagegen fungierte in Italien die alte römische Verwaltungsmaschine bis zur langobardischen Eroberung ohne erheb- liche Störungen fort. Odovaker lieſs den Senat und den ganzen römischen Beamtenapparat bestehen. Theoderich liebte es, die alt- hergebrachten Formen fast mit Ängstlichkeit zu wahren. Schreibt er an den Senat, so spricht er zu den patres conscripti. Sein Reich ist ihm ein regnum Romanum, in welchem die Goten den erblichen Wehrstand bilden. Formell stellt sich der Übergang von der alten Ordnung der Ver- hältnisse in die neue als ein fast unmerklicher dar. So groſs auch der Abstand zwischen dem ersten germanischen Reisläufer, der in römischen Kriegsdienst trat, und dem König des germanischen Föderatvolkes, der sich magister militum oder patricius nennen durfte, so erheblich der Unterschied ist zwischen der Einquartierung eines römischen Sol- daten germanischer Herkunft und den Landteilungen der Burgunder und Westgoten, so liegt doch auf dem Boden des römischen Staats- und Verwaltungsrechtes eine Reihe von Mittelgliedern, welche die Anfangs- und Endpunkte der Entwicklung verketten. Sieht man nicht auf die Formen, sondern auf das Wesen der Dinge, so wird man sich freilich der Wahrnehmung nicht verschlieſsen, 6 Binding S 311. 315. 7 S. unten § 11.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/71>, abgerufen am 22.11.2024.