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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 8. Das Auftreten der deutschen Stämme.
krieges nichts mehr hören. Mit ihnen haben sich zwei niederdeutsche
Völkerschaften vereinigt, nämlich die Warnen und ein Teil der Angeln.
Die Zeit ihrer Zuwanderung ist unbekannt. In der Überschrift einer
unter Karl dem Grossen entstandenen Lex werden die Angeln und
Warnen als Thüringer bezeichnet22. Zu Anfang des sechsten Jahr-
hunderts sind uns durch ein Schreiben des ostgotischen Theoderich
besondere Könige der Warnen und der Thüringer bezeugt. Als der
Frankenkönig Theuderich die Thüringer bekämpft, steht an der Spitze
des ganzen Stammes ein einziges Königsgeschlecht, welches durch
innere Zwistigkeiten gespalten ist. Gleichzeitig von Franken und
Sachsen angegriffen erlagen die Thüringer, ein Teil des Landes ward
sächsisch, der grössere fränkisch.

Den jüngsten Stammesnamen tragen die Baiern23, die nach der
ansprechendsten Herleitung ihres Ursprungs aus den Markomannen
und ihren Nachbarn, den Quaden und Nariskern, erwachsen sind.
Unsicher bleibt, ob und in welchem Masse ostgermanische Völker-
splitter in sie aufgingen. Die Markomannen und Quaden werden
zuletzt unter den Hilfsvölkern Attilas genannt24. Nach der Auflösung
des Hunnenreichs scheinen sie eine Periode herulischer Herrschaft
durchgemacht zu haben25. Zu Anfang des sechsten Jahrhunderts
wanderten die Baiern aus Böhmen nach Westen und Süden in die
Donaugegenden ein. Den Namen führen sie nach der Heimat, die sie
nach mehr als halbtausendjährigem Aufenthalte verliessen. Baiuwarii
bedeutet die Bewohner des Landes Baia, Boihaemum. Den Franken
der merowingischen Zeit heissen sie auch Bogii26, Boii, wie die Kelten,
deren Name an dem Lande Böhmen haften geblieben war, nachdem
sie von den Vorfahren der Baiern unter Marbod daraus verdrängt
worden waren. Als das Thüringerreich zusammenbrach, gerieten die

22 S. unten § 47.
23 Erwähnt in der fränkischen Völkertafel von etwa 520; Müllenhoff, Ger-
mania antiqua S 163. Über die ältesten Fundstellen des Namens s. Riezler
a. O. I 8 f.
24 Zeuss S 708. Die Notitia dignitatum kennt in Pannonien 34, 24 einen
tribunus gentis Marcomannorum, unter welchem ein Tribun angesiedelter Grenz-
soldaten markomannischer Herkunft gemeint sein dürfte.
25 Über die Lage des Reiches der Heruler Eichhorn I 116. 520 Anm t.
Um das J. 480 nehmen nach der Vita Severini die Heruler Salzburg ein. Vgl. die
Angaben bei Zeuss S 479, gegen den ich den Hauptsitz der herulischen Macht
weiter nach Westen verlegen möchte. Das Schreiben Theoderichs an die Könige
der Heruler, Warnen und Thüringer (Cassiodor, Var. III 3) lässt vermuten, dass
ihre Reiche sich berührten.
26 So in der Lex Ribuaria 36, 4.

§ 8. Das Auftreten der deutschen Stämme.
krieges nichts mehr hören. Mit ihnen haben sich zwei niederdeutsche
Völkerschaften vereinigt, nämlich die Warnen und ein Teil der Angeln.
Die Zeit ihrer Zuwanderung ist unbekannt. In der Überschrift einer
unter Karl dem Groſsen entstandenen Lex werden die Angeln und
Warnen als Thüringer bezeichnet22. Zu Anfang des sechsten Jahr-
hunderts sind uns durch ein Schreiben des ostgotischen Theoderich
besondere Könige der Warnen und der Thüringer bezeugt. Als der
Frankenkönig Theuderich die Thüringer bekämpft, steht an der Spitze
des ganzen Stammes ein einziges Königsgeschlecht, welches durch
innere Zwistigkeiten gespalten ist. Gleichzeitig von Franken und
Sachsen angegriffen erlagen die Thüringer, ein Teil des Landes ward
sächsisch, der gröſsere fränkisch.

Den jüngsten Stammesnamen tragen die Baiern23, die nach der
ansprechendsten Herleitung ihres Ursprungs aus den Markomannen
und ihren Nachbarn, den Quaden und Nariskern, erwachsen sind.
Unsicher bleibt, ob und in welchem Maſse ostgermanische Völker-
splitter in sie aufgingen. Die Markomannen und Quaden werden
zuletzt unter den Hilfsvölkern Attilas genannt24. Nach der Auflösung
des Hunnenreichs scheinen sie eine Periode herulischer Herrschaft
durchgemacht zu haben25. Zu Anfang des sechsten Jahrhunderts
wanderten die Baiern aus Böhmen nach Westen und Süden in die
Donaugegenden ein. Den Namen führen sie nach der Heimat, die sie
nach mehr als halbtausendjährigem Aufenthalte verlieſsen. Baiuwarii
bedeutet die Bewohner des Landes Baia, Boihaemum. Den Franken
der merowingischen Zeit heiſsen sie auch Bogii26, Boii, wie die Kelten,
deren Name an dem Lande Böhmen haften geblieben war, nachdem
sie von den Vorfahren der Baiern unter Marbod daraus verdrängt
worden waren. Als das Thüringerreich zusammenbrach, gerieten die

22 S. unten § 47.
23 Erwähnt in der fränkischen Völkertafel von etwa 520; Müllenhoff, Ger-
mania antiqua S 163. Über die ältesten Fundstellen des Namens s. Riezler
a. O. I 8 f.
24 Zeuſs S 708. Die Notitia dignitatum kennt in Pannonien 34, 24 einen
tribunus gentis Marcomannorum, unter welchem ein Tribun angesiedelter Grenz-
soldaten markomannischer Herkunft gemeint sein dürfte.
25 Über die Lage des Reiches der Heruler Eichhorn I 116. 520 Anm t.
Um das J. 480 nehmen nach der Vita Severini die Heruler Salzburg ein. Vgl. die
Angaben bei Zeuſs S 479, gegen den ich den Hauptsitz der herulischen Macht
weiter nach Westen verlegen möchte. Das Schreiben Theoderichs an die Könige
der Heruler, Warnen und Thüringer (Cassiodor, Var. III 3) läſst vermuten, daſs
ihre Reiche sich berührten.
26 So in der Lex Ribuaria 36, 4.
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[46/0064] § 8. Das Auftreten der deutschen Stämme. krieges nichts mehr hören. Mit ihnen haben sich zwei niederdeutsche Völkerschaften vereinigt, nämlich die Warnen und ein Teil der Angeln. Die Zeit ihrer Zuwanderung ist unbekannt. In der Überschrift einer unter Karl dem Groſsen entstandenen Lex werden die Angeln und Warnen als Thüringer bezeichnet 22. Zu Anfang des sechsten Jahr- hunderts sind uns durch ein Schreiben des ostgotischen Theoderich besondere Könige der Warnen und der Thüringer bezeugt. Als der Frankenkönig Theuderich die Thüringer bekämpft, steht an der Spitze des ganzen Stammes ein einziges Königsgeschlecht, welches durch innere Zwistigkeiten gespalten ist. Gleichzeitig von Franken und Sachsen angegriffen erlagen die Thüringer, ein Teil des Landes ward sächsisch, der gröſsere fränkisch. Den jüngsten Stammesnamen tragen die Baiern 23, die nach der ansprechendsten Herleitung ihres Ursprungs aus den Markomannen und ihren Nachbarn, den Quaden und Nariskern, erwachsen sind. Unsicher bleibt, ob und in welchem Maſse ostgermanische Völker- splitter in sie aufgingen. Die Markomannen und Quaden werden zuletzt unter den Hilfsvölkern Attilas genannt 24. Nach der Auflösung des Hunnenreichs scheinen sie eine Periode herulischer Herrschaft durchgemacht zu haben 25. Zu Anfang des sechsten Jahrhunderts wanderten die Baiern aus Böhmen nach Westen und Süden in die Donaugegenden ein. Den Namen führen sie nach der Heimat, die sie nach mehr als halbtausendjährigem Aufenthalte verlieſsen. Baiuwarii bedeutet die Bewohner des Landes Baia, Boihaemum. Den Franken der merowingischen Zeit heiſsen sie auch Bogii 26, Boii, wie die Kelten, deren Name an dem Lande Böhmen haften geblieben war, nachdem sie von den Vorfahren der Baiern unter Marbod daraus verdrängt worden waren. Als das Thüringerreich zusammenbrach, gerieten die 22 S. unten § 47. 23 Erwähnt in der fränkischen Völkertafel von etwa 520; Müllenhoff, Ger- mania antiqua S 163. Über die ältesten Fundstellen des Namens s. Riezler a. O. I 8 f. 24 Zeuſs S 708. Die Notitia dignitatum kennt in Pannonien 34, 24 einen tribunus gentis Marcomannorum, unter welchem ein Tribun angesiedelter Grenz- soldaten markomannischer Herkunft gemeint sein dürfte. 25 Über die Lage des Reiches der Heruler Eichhorn I 116. 520 Anm t. Um das J. 480 nehmen nach der Vita Severini die Heruler Salzburg ein. Vgl. die Angaben bei Zeuſs S 479, gegen den ich den Hauptsitz der herulischen Macht weiter nach Westen verlegen möchte. Das Schreiben Theoderichs an die Könige der Heruler, Warnen und Thüringer (Cassiodor, Var. III 3) läſst vermuten, daſs ihre Reiche sich berührten. 26 So in der Lex Ribuaria 36, 4.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/64>, abgerufen am 25.11.2024.