Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.§ 8. Das Auftreten der deutschen Stämme. Jahrhunderts die Salier auf. Schon in der Zeit Julians sind sie unterden Franken "primi omnium"6. Damals hatten sie Toxandrien be- setzt, wurden von Julian besiegt, durften aber die eigenmächtig be- siedelten Gebiete unter römischer Hoheit vermutlich als Föderaten behalten. Das römische Ämterverzeichnis von etwa 412 zählt mehrere salische Truppenkörper auf, kennt aber die Sitze der Salier nicht mehr als Bestandteile des Reiches7. Die Herkunft der Salier ist dunkel. Wahrscheinlich sind die Bataver und die Kannenefaten, vielleicht auch die Sugambern8 in sie aufgegangen9, allein die namengebende Völker- schaft scheint einst an der Yssel, in dem später sogenannten Salgau oder Salland gesessen zu haben10 und dann vermutlich von den Friesen gedrängt gegen Süden gezogen zu sein11. Mit den Saliern verschmolzen nachmals auch die Chattuarier, die im vierten Jahr- hundert von ihnen noch unterschieden werden. Nach ihrem Königs- geschlechte, dem die Sage göttlichen Ursprung beilegte, hiessen die Salier gelegentlich auch Merowingi, ihr Land Merowingia12. Bedeu- tend später wird in sicheren Zeugnissen der zweite grosse Zweig des Frankenstammes, das Volk der Ribuarier genannt, welche aus den alten Amsivariern und Brukterern hervorgegangen sind13. Auch die 6 Amm. Marc. 17, 8 zum J. 358: petit primos omnium Francos, eos videlicet quos consuetudo Salios appellavit ausos olim in Romano solo apud Toxiandriam locum habitacula sibi figere praelicenter. 7 Waitz, VG II 1 S 28 Anm 5. Schröder, Deutsche RG I 96. 8 Nach Müllenhoff, Z f. DA XXIII 26 ff. ist das Volk der Sugambern er- loschen und habe der Name nur noch als poetische und rhetorische Wendung in der entstellten Form Sygambri oder Sigambri fortgelebt. S. dagegen Waitz, VG II 1 S 25. 9 Waitz, VG II 1 S 23. Schröder, Herkunft der Franken und Z2 f. RG II 1 ff. lässt die Salier aus Batavern, Kannenefaten und Kugernen (den Überresten der von Tiberius verpflanzten Sugambern) hervorgehen. S. noch Müllenhoff in der deutschen Litteraturzeitung 1878 Nr 11 und Lamprecht, Fränkische Wan- derungen u. Ansiedlungen, vornehmlich im Rheinland, Z d. Aachener Geschichtsver. IV 189 ff. 10 Zeuss S 329. Anderer Ansicht Schröder, RG I 95. 11 Zosimus III 6. Gegen Schröders Zweifel Waitz II 22 Anm. 3. 12 Siehe Waitz, VG II 1 S 25 Anm 2, S 33 Anm. Merewioinga im Beovulf hsg. von Heyne, Vers 2922. 13 Über die bei Jordanes genannten Ripari (oli?) s. E. Mayer, Zur Ent-
stehung der Lex Rib. 19 Anm. Die Ansicht Mayers, dass erst die Lex Rib. den Unterschied zwischen Saliern und Ribuariern hervorgerufen habe, S 38, kann kaum ernst genommen werden. Siehe Schröder, RG S 97. In der Decr. Childeberti II. wird c. 14 statt des Francus der Salicus genannt, weil das Wort Francus in c. 8 bereits in anderem Sinne, nämlich als Gegensatz zur debilior persona verbraucht worden war. § 8. Das Auftreten der deutschen Stämme. Jahrhunderts die Salier auf. Schon in der Zeit Julians sind sie unterden Franken „primi omnium“6. Damals hatten sie Toxandrien be- setzt, wurden von Julian besiegt, durften aber die eigenmächtig be- siedelten Gebiete unter römischer Hoheit vermutlich als Föderaten behalten. Das römische Ämterverzeichnis von etwa 412 zählt mehrere salische Truppenkörper auf, kennt aber die Sitze der Salier nicht mehr als Bestandteile des Reiches7. Die Herkunft der Salier ist dunkel. Wahrscheinlich sind die Bataver und die Kannenefaten, vielleicht auch die Sugambern8 in sie aufgegangen9, allein die namengebende Völker- schaft scheint einst an der Yssel, in dem später sogenannten Salgau oder Salland gesessen zu haben10 und dann vermutlich von den Friesen gedrängt gegen Süden gezogen zu sein11. Mit den Saliern verschmolzen nachmals auch die Chattuarier, die im vierten Jahr- hundert von ihnen noch unterschieden werden. Nach ihrem Königs- geschlechte, dem die Sage göttlichen Ursprung beilegte, hieſsen die Salier gelegentlich auch Merowingi, ihr Land Merowingia12. Bedeu- tend später wird in sicheren Zeugnissen der zweite groſse Zweig des Frankenstammes, das Volk der Ribuarier genannt, welche aus den alten Amsivariern und Brukterern hervorgegangen sind13. Auch die 6 Amm. Marc. 17, 8 zum J. 358: petit primos omnium Francos, eos videlicet quos consuetudo Salios appellavit ausos olim in Romano solo apud Toxiandriam locum habitacula sibi figere praelicenter. 7 Waitz, VG II 1 S 28 Anm 5. Schröder, Deutsche RG I 96. 8 Nach Müllenhoff, Z f. DA XXIII 26 ff. ist das Volk der Sugambern er- loschen und habe der Name nur noch als poetische und rhetorische Wendung in der entstellten Form Sygambri oder Sigambri fortgelebt. S. dagegen Waitz, VG II 1 S 25. 9 Waitz, VG II 1 S 23. Schröder, Herkunft der Franken und Z2 f. RG II 1 ff. läſst die Salier aus Batavern, Kannenefaten und Kugernen (den Überresten der von Tiberius verpflanzten Sugambern) hervorgehen. S. noch Müllenhoff in der deutschen Litteraturzeitung 1878 Nr 11 und Lamprecht, Fränkische Wan- derungen u. Ansiedlungen, vornehmlich im Rheinland, Z d. Aachener Geschichtsver. IV 189 ff. 10 Zeuſs S 329. Anderer Ansicht Schröder, RG I 95. 11 Zosimus III 6. Gegen Schröders Zweifel Waitz II 22 Anm. 3. 12 Siehe Waitz, VG II 1 S 25 Anm 2, S 33 Anm. Merewioinga im Beóvulf hsg. von Heyne, Vers 2922. 13 Über die bei Jordanes genannten Ripari (oli?) s. E. Mayer, Zur Ent-
stehung der Lex Rib. 19 Anm. Die Ansicht Mayers, daſs erst die Lex Rib. den Unterschied zwischen Saliern und Ribuariern hervorgerufen habe, S 38, kann kaum ernst genommen werden. Siehe Schröder, RG S 97. In der Decr. Childeberti II. wird c. 14 statt des Francus der Salicus genannt, weil das Wort Francus in c. 8 bereits in anderem Sinne, nämlich als Gegensatz zur debilior persona verbraucht worden war. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0061" n="43"/><fw place="top" type="header">§ 8. Das Auftreten der deutschen Stämme.</fw><lb/> Jahrhunderts die Salier auf. Schon in der Zeit Julians sind sie unter<lb/> den Franken „primi omnium“<note place="foot" n="6">Amm. Marc. 17, 8 zum J. 358: petit primos omnium Francos, eos videlicet<lb/> quos consuetudo Salios appellavit ausos olim in Romano solo apud Toxiandriam<lb/> locum habitacula sibi figere praelicenter.</note>. Damals hatten sie Toxandrien be-<lb/> setzt, wurden von Julian besiegt, durften aber die eigenmächtig be-<lb/> siedelten Gebiete unter römischer Hoheit vermutlich als Föderaten<lb/> behalten. Das römische Ämterverzeichnis von etwa 412 zählt mehrere<lb/> salische Truppenkörper auf, kennt aber die Sitze der Salier nicht mehr<lb/> als Bestandteile des Reiches<note place="foot" n="7"><hi rendition="#g">Waitz</hi>, VG II 1 S 28 Anm 5. <hi rendition="#g">Schröder</hi>, Deutsche RG I 96.</note>. Die Herkunft der Salier ist dunkel.<lb/> Wahrscheinlich sind die Bataver und die Kannenefaten, vielleicht auch<lb/> die Sugambern<note place="foot" n="8">Nach <hi rendition="#g">Müllenhoff</hi>, Z f. DA XXIII 26 ff. ist das Volk der Sugambern er-<lb/> loschen und habe der Name nur noch als poetische und rhetorische Wendung in<lb/> der entstellten Form Sygambri oder Sigambri fortgelebt. S. dagegen <hi rendition="#g">Waitz</hi>, VG<lb/> II 1 S 25.</note> in sie aufgegangen<note place="foot" n="9"><hi rendition="#g">Waitz</hi>, VG II 1 S 23. <hi rendition="#g">Schröder</hi>, Herkunft der Franken und Z<hi rendition="#sup">2</hi> f. RG<lb/> II 1 ff. läſst die Salier aus Batavern, Kannenefaten und Kugernen (den Überresten<lb/> der von Tiberius verpflanzten Sugambern) hervorgehen. S. noch <hi rendition="#g">Müllenhoff</hi> in<lb/> der deutschen Litteraturzeitung 1878 Nr 11 und <hi rendition="#g">Lamprecht</hi>, Fränkische Wan-<lb/> derungen u. Ansiedlungen, vornehmlich im Rheinland, Z d. Aachener Geschichtsver.<lb/> IV 189 ff.</note>, allein die namengebende Völker-<lb/> schaft scheint einst an der Yssel, in dem später sogenannten Salgau<lb/> oder Salland gesessen zu haben<note place="foot" n="10"><hi rendition="#g">Zeuſs</hi> S 329. Anderer Ansicht <hi rendition="#g">Schröder</hi>, RG I 95.</note> und dann vermutlich von den<lb/> Friesen gedrängt gegen Süden gezogen zu sein<note place="foot" n="11">Zosimus III 6. Gegen Schröders Zweifel <hi rendition="#g">Waitz</hi> II 22 Anm. 3.</note>. Mit den Saliern<lb/> verschmolzen nachmals auch die Chattuarier, die im vierten Jahr-<lb/> hundert von ihnen noch unterschieden werden. Nach ihrem Königs-<lb/> geschlechte, dem die Sage göttlichen Ursprung beilegte, hieſsen die<lb/> Salier gelegentlich auch Merowingi, ihr Land Merowingia<note place="foot" n="12">Siehe <hi rendition="#g">Waitz</hi>, VG II 1 S 25 Anm 2, S 33 Anm. Merewioinga im Beóvulf<lb/> hsg. von <hi rendition="#g">Heyne</hi>, Vers 2922.</note>. Bedeu-<lb/> tend später wird in sicheren Zeugnissen der zweite groſse Zweig des<lb/> Frankenstammes, das Volk der Ribuarier genannt, welche aus den<lb/> alten Amsivariern und Brukterern hervorgegangen sind<note place="foot" n="13">Über die bei Jordanes genannten Ripari (oli?) s. E. <hi rendition="#g">Mayer</hi>, Zur Ent-<lb/> stehung der Lex Rib. 19 Anm. Die Ansicht <hi rendition="#g">Mayers</hi>, daſs erst die Lex Rib. den<lb/> Unterschied zwischen Saliern und Ribuariern hervorgerufen habe, S 38, kann kaum<lb/> ernst genommen werden. Siehe <hi rendition="#g">Schröder</hi>, RG S 97. In der Decr. Childeberti II.<lb/> wird c. 14 statt des Francus der Salicus genannt, weil das Wort Francus in c. 8<lb/> bereits in anderem Sinne, nämlich als Gegensatz zur debilior persona verbraucht<lb/> worden war.</note>. Auch die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0061]
§ 8. Das Auftreten der deutschen Stämme.
Jahrhunderts die Salier auf. Schon in der Zeit Julians sind sie unter
den Franken „primi omnium“ 6. Damals hatten sie Toxandrien be-
setzt, wurden von Julian besiegt, durften aber die eigenmächtig be-
siedelten Gebiete unter römischer Hoheit vermutlich als Föderaten
behalten. Das römische Ämterverzeichnis von etwa 412 zählt mehrere
salische Truppenkörper auf, kennt aber die Sitze der Salier nicht mehr
als Bestandteile des Reiches 7. Die Herkunft der Salier ist dunkel.
Wahrscheinlich sind die Bataver und die Kannenefaten, vielleicht auch
die Sugambern 8 in sie aufgegangen 9, allein die namengebende Völker-
schaft scheint einst an der Yssel, in dem später sogenannten Salgau
oder Salland gesessen zu haben 10 und dann vermutlich von den
Friesen gedrängt gegen Süden gezogen zu sein 11. Mit den Saliern
verschmolzen nachmals auch die Chattuarier, die im vierten Jahr-
hundert von ihnen noch unterschieden werden. Nach ihrem Königs-
geschlechte, dem die Sage göttlichen Ursprung beilegte, hieſsen die
Salier gelegentlich auch Merowingi, ihr Land Merowingia 12. Bedeu-
tend später wird in sicheren Zeugnissen der zweite groſse Zweig des
Frankenstammes, das Volk der Ribuarier genannt, welche aus den
alten Amsivariern und Brukterern hervorgegangen sind 13. Auch die
6 Amm. Marc. 17, 8 zum J. 358: petit primos omnium Francos, eos videlicet
quos consuetudo Salios appellavit ausos olim in Romano solo apud Toxiandriam
locum habitacula sibi figere praelicenter.
7 Waitz, VG II 1 S 28 Anm 5. Schröder, Deutsche RG I 96.
8 Nach Müllenhoff, Z f. DA XXIII 26 ff. ist das Volk der Sugambern er-
loschen und habe der Name nur noch als poetische und rhetorische Wendung in
der entstellten Form Sygambri oder Sigambri fortgelebt. S. dagegen Waitz, VG
II 1 S 25.
9 Waitz, VG II 1 S 23. Schröder, Herkunft der Franken und Z2 f. RG
II 1 ff. läſst die Salier aus Batavern, Kannenefaten und Kugernen (den Überresten
der von Tiberius verpflanzten Sugambern) hervorgehen. S. noch Müllenhoff in
der deutschen Litteraturzeitung 1878 Nr 11 und Lamprecht, Fränkische Wan-
derungen u. Ansiedlungen, vornehmlich im Rheinland, Z d. Aachener Geschichtsver.
IV 189 ff.
10 Zeuſs S 329. Anderer Ansicht Schröder, RG I 95.
11 Zosimus III 6. Gegen Schröders Zweifel Waitz II 22 Anm. 3.
12 Siehe Waitz, VG II 1 S 25 Anm 2, S 33 Anm. Merewioinga im Beóvulf
hsg. von Heyne, Vers 2922.
13 Über die bei Jordanes genannten Ripari (oli?) s. E. Mayer, Zur Ent-
stehung der Lex Rib. 19 Anm. Die Ansicht Mayers, daſs erst die Lex Rib. den
Unterschied zwischen Saliern und Ribuariern hervorgerufen habe, S 38, kann kaum
ernst genommen werden. Siehe Schröder, RG S 97. In der Decr. Childeberti II.
wird c. 14 statt des Francus der Salicus genannt, weil das Wort Francus in c. 8
bereits in anderem Sinne, nämlich als Gegensatz zur debilior persona verbraucht
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