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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 7. Das Germanentum im römischen Reich.
unabhängig von ihr vollzog sich die Germanisierung des römischen
Heeres.

Schon in dem Heere, welches Pompejus gegen Mithradates führte,
dienten Germanen. Bei Pharsalos fochten Germanen auf Seite Cäsars,
der aus ihnen eine nach germanischer Art aus Fussvolk und Reiterei
gemischte Truppe gebildet hatte. Da die römischen Legionen grund-
sätzlich nur aus römischen Bürgern gebildet wurden, muss die Auf-
nahme von Germanen in den Legionsverband durch den Erwerb des
Bürgerrechts vermittelt worden sein, welches zu verleihen der Feld-
herr die ausserordentliche Befugnis hatte18.

Die innerhalb der Reichsgrenzen sesshaften Germanen waren der
Konskription unterworfen und stellten, da die Konskription wenigstens
zeitweise bei ihnen stärker war wie anderwärts, ein beträchtliches
Kontingent zu den Auxilien, so lange diese gemäss der augustischen
Heerordnung aus den Unterthanen peregrinischen und latinischen
Rechtes gebildet wurden.

Hauptsächlich aus Germanen und zwar besonders aus Batavern
bestanden die custodes corporis, die berittenen Leibwächter des prin-
ceps, welche bei ihm den unmittelbaren Sicherheitsdienst versahen.
Sie hiessen auch schlechtweg Germani oder Batavi. Persönlich unfrei,
werden sie rechtlich nicht zum Heer, sondern zum kaiserlichen Gesinde
gerechnet. Im ersten Schrecken der Varusschlacht wurden sie von
Augustus aufgelöst, bald wieder hergestellt, dann aber von Galba be-
seitigt, um in anderer Form wieder aufzuleben. Eine Neubildung der
germanischen Leibwache sind nämlich die equites singulares19, ein
militärisch organisiertes Truppencorps, welches spätestens seit Hadrian
besteht und aus freigeborenen Germanen und anderen Provinzialen
zusammengesetzt ist20.

Unter den Prätorianern waren die Germanen nicht oder kaum,
wohl aber unter den Hoftruppen der gentiles und scutarii vertreten,
welche nach Vernichtung der Prätorianer als Ersatz derselben gebildet
worden sind. Als die Zeit ihrer Vorherrschaft im Reiche gekommen
war, erschienen die Germanen auch in der Nobelgarde der kaiser-
lichen protectores, deren Dienst den Weg zu den einflussreichsten
Staatsämtern zu eröffnen pflegte.

18 Mommsen, Conscriptionsordnung S 12 f.
19 Mommsen, Schweizer Nachstudien im Hermes XVI 458; derselbe, Con-
scriptionsordnung a. O. S 29. Marquardt a. O. S 488.
20 "Es scheint sogar im gewöhnlichen Leben diesem Truppenkörper der Name
der Germanen geblieben zu sein." Mommsen, Hermes XVI 459.

§ 7. Das Germanentum im römischen Reich.
unabhängig von ihr vollzog sich die Germanisierung des römischen
Heeres.

Schon in dem Heere, welches Pompejus gegen Mithradates führte,
dienten Germanen. Bei Pharsalos fochten Germanen auf Seite Cäsars,
der aus ihnen eine nach germanischer Art aus Fuſsvolk und Reiterei
gemischte Truppe gebildet hatte. Da die römischen Legionen grund-
sätzlich nur aus römischen Bürgern gebildet wurden, muſs die Auf-
nahme von Germanen in den Legionsverband durch den Erwerb des
Bürgerrechts vermittelt worden sein, welches zu verleihen der Feld-
herr die auſserordentliche Befugnis hatte18.

Die innerhalb der Reichsgrenzen seſshaften Germanen waren der
Konskription unterworfen und stellten, da die Konskription wenigstens
zeitweise bei ihnen stärker war wie anderwärts, ein beträchtliches
Kontingent zu den Auxilien, so lange diese gemäſs der augustischen
Heerordnung aus den Unterthanen peregrinischen und latinischen
Rechtes gebildet wurden.

Hauptsächlich aus Germanen und zwar besonders aus Batavern
bestanden die custodes corporis, die berittenen Leibwächter des prin-
ceps, welche bei ihm den unmittelbaren Sicherheitsdienst versahen.
Sie hieſsen auch schlechtweg Germani oder Batavi. Persönlich unfrei,
werden sie rechtlich nicht zum Heer, sondern zum kaiserlichen Gesinde
gerechnet. Im ersten Schrecken der Varusschlacht wurden sie von
Augustus aufgelöst, bald wieder hergestellt, dann aber von Galba be-
seitigt, um in anderer Form wieder aufzuleben. Eine Neubildung der
germanischen Leibwache sind nämlich die equites singulares19, ein
militärisch organisiertes Truppencorps, welches spätestens seit Hadrian
besteht und aus freigeborenen Germanen und anderen Provinzialen
zusammengesetzt ist20.

Unter den Prätorianern waren die Germanen nicht oder kaum,
wohl aber unter den Hoftruppen der gentiles und scutarii vertreten,
welche nach Vernichtung der Prätorianer als Ersatz derselben gebildet
worden sind. Als die Zeit ihrer Vorherrschaft im Reiche gekommen
war, erschienen die Germanen auch in der Nobelgarde der kaiser-
lichen protectores, deren Dienst den Weg zu den einfluſsreichsten
Staatsämtern zu eröffnen pflegte.

18 Mommsen, Conscriptionsordnung S 12 f.
19 Mommsen, Schweizer Nachstudien im Hermes XVI 458; derselbe, Con-
scriptionsordnung a. O. S 29. Marquardt a. O. S 488.
20 „Es scheint sogar im gewöhnlichen Leben diesem Truppenkörper der Name
der Germanen geblieben zu sein.“ Mommsen, Hermes XVI 459.
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[37/0055] § 7. Das Germanentum im römischen Reich. unabhängig von ihr vollzog sich die Germanisierung des römischen Heeres. Schon in dem Heere, welches Pompejus gegen Mithradates führte, dienten Germanen. Bei Pharsalos fochten Germanen auf Seite Cäsars, der aus ihnen eine nach germanischer Art aus Fuſsvolk und Reiterei gemischte Truppe gebildet hatte. Da die römischen Legionen grund- sätzlich nur aus römischen Bürgern gebildet wurden, muſs die Auf- nahme von Germanen in den Legionsverband durch den Erwerb des Bürgerrechts vermittelt worden sein, welches zu verleihen der Feld- herr die auſserordentliche Befugnis hatte 18. Die innerhalb der Reichsgrenzen seſshaften Germanen waren der Konskription unterworfen und stellten, da die Konskription wenigstens zeitweise bei ihnen stärker war wie anderwärts, ein beträchtliches Kontingent zu den Auxilien, so lange diese gemäſs der augustischen Heerordnung aus den Unterthanen peregrinischen und latinischen Rechtes gebildet wurden. Hauptsächlich aus Germanen und zwar besonders aus Batavern bestanden die custodes corporis, die berittenen Leibwächter des prin- ceps, welche bei ihm den unmittelbaren Sicherheitsdienst versahen. Sie hieſsen auch schlechtweg Germani oder Batavi. Persönlich unfrei, werden sie rechtlich nicht zum Heer, sondern zum kaiserlichen Gesinde gerechnet. Im ersten Schrecken der Varusschlacht wurden sie von Augustus aufgelöst, bald wieder hergestellt, dann aber von Galba be- seitigt, um in anderer Form wieder aufzuleben. Eine Neubildung der germanischen Leibwache sind nämlich die equites singulares 19, ein militärisch organisiertes Truppencorps, welches spätestens seit Hadrian besteht und aus freigeborenen Germanen und anderen Provinzialen zusammengesetzt ist 20. Unter den Prätorianern waren die Germanen nicht oder kaum, wohl aber unter den Hoftruppen der gentiles und scutarii vertreten, welche nach Vernichtung der Prätorianer als Ersatz derselben gebildet worden sind. Als die Zeit ihrer Vorherrschaft im Reiche gekommen war, erschienen die Germanen auch in der Nobelgarde der kaiser- lichen protectores, deren Dienst den Weg zu den einfluſsreichsten Staatsämtern zu eröffnen pflegte. 18 Mommsen, Conscriptionsordnung S 12 f. 19 Mommsen, Schweizer Nachstudien im Hermes XVI 458; derselbe, Con- scriptionsordnung a. O. S 29. Marquardt a. O. S 488. 20 „Es scheint sogar im gewöhnlichen Leben diesem Truppenkörper der Name der Germanen geblieben zu sein.“ Mommsen, Hermes XVI 459.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/55>, abgerufen am 03.05.2024.