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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 57. Die Urkunden.

Theodor Sickel, Lehre von den Urkunden der ersten Karolinger (751--840), als
erster Teil der Acta regum et imperatorum Karolinorum 1867, wo S 34 ff. die
ältere Litteratur der Diplomatik besprochen wird. Mühlbacher, Die Urkunden
Karls III., Wiener Sitz.-Ber. 1878, XCII. Stumpf, Die Reichskanzler vornehmlich
des 10., 11. u. 12. Jahrh. nebst einem Rückblicke auf die Merowinger- und Karo-
linger-Urkunden I, 1865; derselbe, Über die Merowinger-Diplome, in v. Sybels
Hist. Z XXIX 343. Jul. Ficker, Beiträge zur Urkundenlehre, 2 Bde 1877. 1878.
Brunner, Zur Rechtsgesch. der röm. und germ. Urkunde I, 1880; derselbe, Das
Gerichtszeugnis und die fränk. Königsurkunde, 1873 (Festgaben für Heffter, S 133);
derselbe, Carta und Notitia, 1877 (Commentationes philologae in honorem Th.
Mommseni S 570). Zeumer, Cartam levare in St. Galler Urkunden, in Z 2 f. RG
IV 113. H. Bresslau, Urkundenbeweis u. Urkundenschreiber im älteren deutschen
Recht, Forschungen zur deutschen Gesch. XXVI 1. O. Redlich, Über bairische
Traditionsbücher und Traditionen, in den Mitth. des österr. Instituts V 1--82.

Das germanische Urkundenwesen ging aus dem spätrömischen
hervor. Als die Germanen anfingen, die Urkunde nach römischem
Vorbilde in der Verwaltung und im Rechtsleben anzuwenden, be-
dienten sie sich römischer Urkundenschreiber oder solcher Stammes-
genossen, welche bei diesen in die Schule gegangen waren. Die
älteste germanische Königsurkunde, ein Schenkungsbrief Odovakers von
489, ist noch ganz in den Formen des römisch-italischen Urkunden-
typus abgefasst 1. Bei den Franken hat das Urkundenwesen allerdings
schon frühzeitig selbständige Entwicklungswege eingeschlagen. Den-
noch zeigen zahlreiche fränkische Urkundenformulare noch deutlich
das spätrömische Gepräge 2 und hat in einzelnen Gegenden des Reiches
sich der spezifisch römische Urkundentypus bis in das neunte Jahr-
hundert hinein erhalten 3.

Das Wort Urkunde ist in der Bedeutung eines schriftlichen
Zeugnisses über rechtliche Akte verhältnismässig jung 4. Die fränkische

1 Marini, Papiri diplomatici S 128 ff. Nr 82. 83. Spangenberg, Juris
romani tabulae negotiorum, 1822, S 164.
2 Das römische Testamentsformular hat in seinen wesentlichen Bestandteilen
bis in die karolingische Zeit hinein und zwar fast gänzlich ausserhalb der Formel-
sammlungen fortgelebt (eine freundliche Bemerkung Zeumers). Man hatte wohl
in kirchlichen Kreisen keinen Anlass und kein Interesse, es allgemein zugänglich
zu machen.
3 Besonders in Rätien. Brunner, Zur RG der Urk. I 245.
4 "Urkunde" wurde im Mittelalter u. a. als Bezeichnung des Gerichtszeug-
nisses (Haltaus, Gloss. col. 2005) und dann zunächst für das schriftliche Gerichts-
zeugnis verwendet. Ältestes Beispiel für die Bedeutung Dokument ist nach einer
Mitteilung Bresslaus: Boos, UB. der Landschaft Basel II 73, Nr 627 v. J. 1422:
han ich der obgen. schultheis ... die urkund mit einem angehenkten insigel geben.
§ 57. Die Urkunden.

Theodor Sickel, Lehre von den Urkunden der ersten Karolinger (751—840), als
erster Teil der Acta regum et imperatorum Karolinorum 1867, wo S 34 ff. die
ältere Litteratur der Diplomatik besprochen wird. Mühlbacher, Die Urkunden
Karls III., Wiener Sitz.-Ber. 1878, XCII. Stumpf, Die Reichskanzler vornehmlich
des 10., 11. u. 12. Jahrh. nebst einem Rückblicke auf die Merowinger- und Karo-
linger-Urkunden I, 1865; derselbe, Über die Merowinger-Diplome, in v. Sybels
Hist. Z XXIX 343. Jul. Ficker, Beiträge zur Urkundenlehre, 2 Bde 1877. 1878.
Brunner, Zur Rechtsgesch. der röm. und germ. Urkunde I, 1880; derselbe, Das
Gerichtszeugnis und die fränk. Königsurkunde, 1873 (Festgaben für Heffter, S 133);
derselbe, Carta und Notitia, 1877 (Commentationes philologae in honorem Th.
Mommseni S 570). Zeumer, Cartam levare in St. Galler Urkunden, in Z 2 f. RG
IV 113. H. Breſslau, Urkundenbeweis u. Urkundenschreiber im älteren deutschen
Recht, Forschungen zur deutschen Gesch. XXVI 1. O. Redlich, Über bairische
Traditionsbücher und Traditionen, in den Mitth. des österr. Instituts V 1—82.

Das germanische Urkundenwesen ging aus dem spätrömischen
hervor. Als die Germanen anfingen, die Urkunde nach römischem
Vorbilde in der Verwaltung und im Rechtsleben anzuwenden, be-
dienten sie sich römischer Urkundenschreiber oder solcher Stammes-
genossen, welche bei diesen in die Schule gegangen waren. Die
älteste germanische Königsurkunde, ein Schenkungsbrief Odovakers von
489, ist noch ganz in den Formen des römisch-italischen Urkunden-
typus abgefaſst 1. Bei den Franken hat das Urkundenwesen allerdings
schon frühzeitig selbständige Entwicklungswege eingeschlagen. Den-
noch zeigen zahlreiche fränkische Urkundenformulare noch deutlich
das spätrömische Gepräge 2 und hat in einzelnen Gegenden des Reiches
sich der spezifisch römische Urkundentypus bis in das neunte Jahr-
hundert hinein erhalten 3.

Das Wort Urkunde ist in der Bedeutung eines schriftlichen
Zeugnisses über rechtliche Akte verhältnismäſsig jung 4. Die fränkische

1 Marini, Papiri diplomatici S 128 ff. Nr 82. 83. Spangenberg, Juris
romani tabulae negotiorum, 1822, S 164.
2 Das römische Testamentsformular hat in seinen wesentlichen Bestandteilen
bis in die karolingische Zeit hinein und zwar fast gänzlich auſserhalb der Formel-
sammlungen fortgelebt (eine freundliche Bemerkung Zeumers). Man hatte wohl
in kirchlichen Kreisen keinen Anlaſs und kein Interesse, es allgemein zugänglich
zu machen.
3 Besonders in Rätien. Brunner, Zur RG der Urk. I 245.
4 „Urkunde“ wurde im Mittelalter u. a. als Bezeichnung des Gerichtszeug-
nisses (Haltaus, Gloss. col. 2005) und dann zunächst für das schriftliche Gerichts-
zeugnis verwendet. Ältestes Beispiel für die Bedeutung Dokument ist nach einer
Mitteilung Breſslaus: Boos, UB. der Landschaft Basel II 73, Nr 627 v. J. 1422:
han ich der obgen. schultheis … die urkund mit einem angehenkten insigel geben.
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[392/0410] § 57. Die Urkunden. Theodor Sickel, Lehre von den Urkunden der ersten Karolinger (751—840), als erster Teil der Acta regum et imperatorum Karolinorum 1867, wo S 34 ff. die ältere Litteratur der Diplomatik besprochen wird. Mühlbacher, Die Urkunden Karls III., Wiener Sitz.-Ber. 1878, XCII. Stumpf, Die Reichskanzler vornehmlich des 10., 11. u. 12. Jahrh. nebst einem Rückblicke auf die Merowinger- und Karo- linger-Urkunden I, 1865; derselbe, Über die Merowinger-Diplome, in v. Sybels Hist. Z XXIX 343. Jul. Ficker, Beiträge zur Urkundenlehre, 2 Bde 1877. 1878. Brunner, Zur Rechtsgesch. der röm. und germ. Urkunde I, 1880; derselbe, Das Gerichtszeugnis und die fränk. Königsurkunde, 1873 (Festgaben für Heffter, S 133); derselbe, Carta und Notitia, 1877 (Commentationes philologae in honorem Th. Mommseni S 570). Zeumer, Cartam levare in St. Galler Urkunden, in Z 2 f. RG IV 113. H. Breſslau, Urkundenbeweis u. Urkundenschreiber im älteren deutschen Recht, Forschungen zur deutschen Gesch. XXVI 1. O. Redlich, Über bairische Traditionsbücher und Traditionen, in den Mitth. des österr. Instituts V 1—82. Das germanische Urkundenwesen ging aus dem spätrömischen hervor. Als die Germanen anfingen, die Urkunde nach römischem Vorbilde in der Verwaltung und im Rechtsleben anzuwenden, be- dienten sie sich römischer Urkundenschreiber oder solcher Stammes- genossen, welche bei diesen in die Schule gegangen waren. Die älteste germanische Königsurkunde, ein Schenkungsbrief Odovakers von 489, ist noch ganz in den Formen des römisch-italischen Urkunden- typus abgefaſst 1. Bei den Franken hat das Urkundenwesen allerdings schon frühzeitig selbständige Entwicklungswege eingeschlagen. Den- noch zeigen zahlreiche fränkische Urkundenformulare noch deutlich das spätrömische Gepräge 2 und hat in einzelnen Gegenden des Reiches sich der spezifisch römische Urkundentypus bis in das neunte Jahr- hundert hinein erhalten 3. Das Wort Urkunde ist in der Bedeutung eines schriftlichen Zeugnisses über rechtliche Akte verhältnismäſsig jung 4. Die fränkische 1 Marini, Papiri diplomatici S 128 ff. Nr 82. 83. Spangenberg, Juris romani tabulae negotiorum, 1822, S 164. 2 Das römische Testamentsformular hat in seinen wesentlichen Bestandteilen bis in die karolingische Zeit hinein und zwar fast gänzlich auſserhalb der Formel- sammlungen fortgelebt (eine freundliche Bemerkung Zeumers). Man hatte wohl in kirchlichen Kreisen keinen Anlaſs und kein Interesse, es allgemein zugänglich zu machen. 3 Besonders in Rätien. Brunner, Zur RG der Urk. I 245. 4 „Urkunde“ wurde im Mittelalter u. a. als Bezeichnung des Gerichtszeug- nisses (Haltaus, Gloss. col. 2005) und dann zunächst für das schriftliche Gerichts- zeugnis verwendet. Ältestes Beispiel für die Bedeutung Dokument ist nach einer Mitteilung Breſslaus: Boos, UB. der Landschaft Basel II 73, Nr 627 v. J. 1422: han ich der obgen. schultheis … die urkund mit einem angehenkten insigel geben.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/410>, abgerufen am 22.11.2024.