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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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der deutschen Rechtsgeschichte.
des Landes und von den jeweiligen Kulturverhältnissen abhängig seien.
Angeregt durch Montesquieu 19 und durch den Historiker L. T. Spittler
entwickelte Hugo in Göttingen 1789, also im Geburtsjahre der fran-
zösischen Revolution, für die Behandlung des römischen Rechtes den
Grundgedanken des wissenschaftlichen Programms, welches die von
ihm begründete historische Rechtsschule charakterisiert 20.

So lagen die Verhältnisse, als ein Schüler Hugos, Karl Fried-
rich Eichhorn
21, die deutsche Rechtsgeschichte zum Range einer
selbständigen Wissenschaft erhob. Das Werk, durch welches ihm diese
Geistesthat gelang, war seine deutsche Staats- und Rechtsgeschichte,
von welcher der erste Band 1808, der vierte und letzte 1823 er-
schien 22. Begonnen unter dem geistigen Drucke der französischen
Vorherrschaft, unterbrochen wegen der persönlichen Teilnahme des
Verfassers an den Befreiungskriegen, ist sie der litterarische Ausdruck
des Zusammenhanges, welcher zwischen dem Erwachen des deutschen
Nationalbewusstseins und der Wiederbelebung des deutschen Rechtes
obwaltete. Eichhorn überwand den überlieferten Gegensatz zwischen
der Staatsrechts- und der Privatrechtsgeschichte, indem er durch An-
wendung der historischen Forschung auf alle Teile des Rechtes die erste
wissenschaftliche Gesamtdarstellung der deutschen Rechtsgeschichte
schuf. Seine Methode ist das strikte Gegenteil jener antiquarischen
Behandlung, wie sie vor ihm üblich gewesen war. Er setzt sich das
Ziel für das noch geltende Recht eine sichere geschichtliche Grund-
lage zu gewinnen und verweilt daher in der Vergangenheit nur um
aus ihr in die Gegenwart zu gelangen. Wollte er den gesamten Stoff
bewältigen, die Anfangs- und die Endpunkte der Entwicklung zu-
sammenfassen, so konnte er nicht umhin, sich gewisse Beschränkungen

19 In der Vorrede zu seiner Übersetzung des 44. Kapitels von Gibbons Ge-
schichte des Verfalls des römischen Reiches spricht Hugo den Gedanken aus "wie
herrlich und schön das römische Recht sich bearbeiten liesse, wenn man die Bahn,
die Montesquieu eigentlich nur entdeckt hat, ginge ...".
20 O. Mejer, Gustav Hugo, der Begründer der historischen Juristenschule,
Preussische Jahrbücher XLIV 472 ff.
21 Bruchstück einer Autobiographie bei Fr. v. Schulte, Karl Fr. Eichhorn,
Rede zur Säkularfeier ... am 20. Nov. 1881. Briefe von K. Fr. Eichhorn, hrsg.
von Hugo Loersch 1881. Über Eichhorns Bedeutung für die Rechtsgeschichte
Alex Franken, Romanisten und Germanisten, 1882. Eine zusammenfassende
Biographie giebt Fr. v. Schulte, Karl Friedrich Eichhorn, sein Leben und
Wirken, 1884. Den Einfluss Hugos auf Eichhorn bezeugt letzterer in einer Stelle
seiner Autobiographie, worin er sagt, dass ihm Hugos Vorträge später das "eigent-
liche Licht in das Verfahren beim deutschen Rechte" gebracht hätten.
22 Die d. Staats- u. RG erschien 1843--44 in fünfter Auflage.
2*

der deutschen Rechtsgeschichte.
des Landes und von den jeweiligen Kulturverhältnissen abhängig seien.
Angeregt durch Montesquieu 19 und durch den Historiker L. T. Spittler
entwickelte Hugo in Göttingen 1789, also im Geburtsjahre der fran-
zösischen Revolution, für die Behandlung des römischen Rechtes den
Grundgedanken des wissenschaftlichen Programms, welches die von
ihm begründete historische Rechtsschule charakterisiert 20.

So lagen die Verhältnisse, als ein Schüler Hugos, Karl Fried-
rich Eichhorn
21, die deutsche Rechtsgeschichte zum Range einer
selbständigen Wissenschaft erhob. Das Werk, durch welches ihm diese
Geistesthat gelang, war seine deutsche Staats- und Rechtsgeschichte,
von welcher der erste Band 1808, der vierte und letzte 1823 er-
schien 22. Begonnen unter dem geistigen Drucke der französischen
Vorherrschaft, unterbrochen wegen der persönlichen Teilnahme des
Verfassers an den Befreiungskriegen, ist sie der litterarische Ausdruck
des Zusammenhanges, welcher zwischen dem Erwachen des deutschen
Nationalbewuſstseins und der Wiederbelebung des deutschen Rechtes
obwaltete. Eichhorn überwand den überlieferten Gegensatz zwischen
der Staatsrechts- und der Privatrechtsgeschichte, indem er durch An-
wendung der historischen Forschung auf alle Teile des Rechtes die erste
wissenschaftliche Gesamtdarstellung der deutschen Rechtsgeschichte
schuf. Seine Methode ist das strikte Gegenteil jener antiquarischen
Behandlung, wie sie vor ihm üblich gewesen war. Er setzt sich das
Ziel für das noch geltende Recht eine sichere geschichtliche Grund-
lage zu gewinnen und verweilt daher in der Vergangenheit nur um
aus ihr in die Gegenwart zu gelangen. Wollte er den gesamten Stoff
bewältigen, die Anfangs- und die Endpunkte der Entwicklung zu-
sammenfassen, so konnte er nicht umhin, sich gewisse Beschränkungen

19 In der Vorrede zu seiner Übersetzung des 44. Kapitels von Gibbons Ge-
schichte des Verfalls des römischen Reiches spricht Hugo den Gedanken aus „wie
herrlich und schön das römische Recht sich bearbeiten lieſse, wenn man die Bahn,
die Montesquieu eigentlich nur entdeckt hat, ginge …“.
20 O. Mejer, Gustav Hugo, der Begründer der historischen Juristenschule,
Preuſsische Jahrbücher XLIV 472 ff.
21 Bruchstück einer Autobiographie bei Fr. v. Schulte, Karl Fr. Eichhorn,
Rede zur Säkularfeier … am 20. Nov. 1881. Briefe von K. Fr. Eichhorn, hrsg.
von Hugo Loersch 1881. Über Eichhorns Bedeutung für die Rechtsgeschichte
Alex Franken, Romanisten und Germanisten, 1882. Eine zusammenfassende
Biographie giebt Fr. v. Schulte, Karl Friedrich Eichhorn, sein Leben und
Wirken, 1884. Den Einfluſs Hugos auf Eichhorn bezeugt letzterer in einer Stelle
seiner Autobiographie, worin er sagt, daſs ihm Hugos Vorträge später das „eigent-
liche Licht in das Verfahren beim deutschen Rechte“ gebracht hätten.
22 Die d. Staats- u. RG erschien 1843—44 in fünfter Auflage.
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[19/0037] der deutschen Rechtsgeschichte. des Landes und von den jeweiligen Kulturverhältnissen abhängig seien. Angeregt durch Montesquieu 19 und durch den Historiker L. T. Spittler entwickelte Hugo in Göttingen 1789, also im Geburtsjahre der fran- zösischen Revolution, für die Behandlung des römischen Rechtes den Grundgedanken des wissenschaftlichen Programms, welches die von ihm begründete historische Rechtsschule charakterisiert 20. So lagen die Verhältnisse, als ein Schüler Hugos, Karl Fried- rich Eichhorn 21, die deutsche Rechtsgeschichte zum Range einer selbständigen Wissenschaft erhob. Das Werk, durch welches ihm diese Geistesthat gelang, war seine deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, von welcher der erste Band 1808, der vierte und letzte 1823 er- schien 22. Begonnen unter dem geistigen Drucke der französischen Vorherrschaft, unterbrochen wegen der persönlichen Teilnahme des Verfassers an den Befreiungskriegen, ist sie der litterarische Ausdruck des Zusammenhanges, welcher zwischen dem Erwachen des deutschen Nationalbewuſstseins und der Wiederbelebung des deutschen Rechtes obwaltete. Eichhorn überwand den überlieferten Gegensatz zwischen der Staatsrechts- und der Privatrechtsgeschichte, indem er durch An- wendung der historischen Forschung auf alle Teile des Rechtes die erste wissenschaftliche Gesamtdarstellung der deutschen Rechtsgeschichte schuf. Seine Methode ist das strikte Gegenteil jener antiquarischen Behandlung, wie sie vor ihm üblich gewesen war. Er setzt sich das Ziel für das noch geltende Recht eine sichere geschichtliche Grund- lage zu gewinnen und verweilt daher in der Vergangenheit nur um aus ihr in die Gegenwart zu gelangen. Wollte er den gesamten Stoff bewältigen, die Anfangs- und die Endpunkte der Entwicklung zu- sammenfassen, so konnte er nicht umhin, sich gewisse Beschränkungen 19 In der Vorrede zu seiner Übersetzung des 44. Kapitels von Gibbons Ge- schichte des Verfalls des römischen Reiches spricht Hugo den Gedanken aus „wie herrlich und schön das römische Recht sich bearbeiten lieſse, wenn man die Bahn, die Montesquieu eigentlich nur entdeckt hat, ginge …“. 20 O. Mejer, Gustav Hugo, der Begründer der historischen Juristenschule, Preuſsische Jahrbücher XLIV 472 ff. 21 Bruchstück einer Autobiographie bei Fr. v. Schulte, Karl Fr. Eichhorn, Rede zur Säkularfeier … am 20. Nov. 1881. Briefe von K. Fr. Eichhorn, hrsg. von Hugo Loersch 1881. Über Eichhorns Bedeutung für die Rechtsgeschichte Alex Franken, Romanisten und Germanisten, 1882. Eine zusammenfassende Biographie giebt Fr. v. Schulte, Karl Friedrich Eichhorn, sein Leben und Wirken, 1884. Den Einfluſs Hugos auf Eichhorn bezeugt letzterer in einer Stelle seiner Autobiographie, worin er sagt, daſs ihm Hugos Vorträge später das „eigent- liche Licht in das Verfahren beim deutschen Rechte“ gebracht hätten. 22 Die d. Staats- u. RG erschien 1843—44 in fünfter Auflage. 2*

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/37>, abgerufen am 03.12.2024.