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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 32. Adel und Freie.
fremdem Grund und Boden angesiedelt sind 12. Wir haben sie viel-
mehr als die Gemeinfreien zu betrachten, welche das normale Mass
des Grundeigentums besitzen 13. Auch der salische minoflidus ist nicht
ein Hintersasse, sondern ein selbständiger Hofbesitzer, wie denn über-
haupt die Unterscheidung von minoflidi und meliores in dem salischen
Kapitular keinen eigentlich ständischen Gegensatz zum Ausdruck
bringen will 14. Das Wort minoflidus ist niederdeutsch und bedeutet
den Besitzer eines geringeren Hofes 15. Im Gegensatz zu ihm bedarf
der melior, weil er eine grössere Zahl angehöriger und abhängiger
Personen freizuschwören hat, einer grösseren Zahl von Helfern. Die
salfränkische Bezeichnung minoflidi ist dann bei Abfassung des ala-

12 Walter § 438, Schröder in Z2 f. RG II 54 Anm 1 sehen in den mino-
fledi freie Hintersassen. Nach Waitz VG II 1 S 265 waren die mediani die freien
Grundbesitzer, die minofledi Freie, die nicht ihren Grundbesitz, aber die persön-
liche Freiheit bewahrt haben. Das Wergeld der ersteren sei erhöht worden.
13 Das Wergeld von 160 solidi stellt den minofledus dem Vollfreien der
übrigen Stämme ebenbürtig zur Seite. In der Lex Alam. heissen die minofledi
schlechtweg liberi. Das alamannische Busssystem hat den Stand der minofledi oder
liberi zur Grundlage. Denn die Busse für den vollständigen Verlust der Hand und
des Fusses, welche regelmässig als eine Quote des Wergeldes berechnet wird, be-
trägt nach dem Pactus 40, nach der Lex 80 solidi, also das Viertel bezw. die Hälfte
des Wergeldes, das dem minofledus oder liber zugeschrieben wird. Wenn Hlo. 8 B
bestimmt, dass die freien Kolonen der Kirche sicut alii Alamanni componantur, so
können unter den alii Alamanni schlechtweg nur die liberi, nicht die mediani ver-
standen werden. Auffallend wäre es, wenn man die Lex in erster Linie nicht für
die Gemeinfreien, sondern für Leute aufgezeichnet hätte, die ihre Freiheit gemindert
haben. Und nicht weniger müsste es befremden, wenn schon zur Zeit der Entstehung
des Pactus der grössere Teil der freien Bevölkerung aus grundbesitzlosen Personen
bestanden hätte. In den Urkunden Wartmann Nr 135 v. J. 793, Nr 143 v. J. 797
erscheint der Betrag von 160 solidi, um welchen die vergabten Grundstücke zurück-
gekauft werden können (vgl. oben S 198 Anm 21) als das Wergeld freier Grund-
besitzer. Schon Wilda, Strafrecht S 422 hat in den minofledi die Gemeinfreien
erkannt.
14 Soweit das Ständewesen die Zahl der Eideshelfer beeinflusst, schwört der
höhere Stand nicht mit mehr, sondern mit weniger Eideshelfern, weil sein und seiner
Genossen Eid höheren Wert hat. Der selbsechzehn geschworene Eid, wie er in
Lex Sal. 74 von den minofledi verlangt wird, ist in einigen Gegenden salischen
Rechts als Abart des normalen Zwölfereides nachzuweisen, nämlich dort, wo ausser
den zwölf Eidhelfern noch drei aloarii (alwari, allwahre) schwören. Carta Senon.
17. 21, Zeumer S 192. 194. Auch Schröder sieht in den salischen minoflidi
freie Bauern, indem er die Stelle aus dem Gegensatz des herrschaftlichen Gross-
grundbesitzes oder der terra salica und des nachbarlichen, d. h. bäuerlichen Klein-
besitzes in der Gemeindeflur erklärt. Z2 f. RG II 54. Dagegen hält W. Sickel,
Westd. Z f. Gesch. u. Kunst IV 267 die minoflidi für Zinsgutbesitzer.
15 Flid, alts., ags. und altn. flet, ahd. flezi, flazi area, aula. Grimm, WB
III 1771; Schröder, Z2 f. RG VII 18.

§ 32. Adel und Freie.
fremdem Grund und Boden angesiedelt sind 12. Wir haben sie viel-
mehr als die Gemeinfreien zu betrachten, welche das normale Maſs
des Grundeigentums besitzen 13. Auch der salische minoflidus ist nicht
ein Hintersasse, sondern ein selbständiger Hofbesitzer, wie denn über-
haupt die Unterscheidung von minoflidi und meliores in dem salischen
Kapitular keinen eigentlich ständischen Gegensatz zum Ausdruck
bringen will 14. Das Wort minoflidus ist niederdeutsch und bedeutet
den Besitzer eines geringeren Hofes 15. Im Gegensatz zu ihm bedarf
der melior, weil er eine gröſsere Zahl angehöriger und abhängiger
Personen freizuschwören hat, einer gröſseren Zahl von Helfern. Die
salfränkische Bezeichnung minoflidi ist dann bei Abfassung des ala-

12 Walter § 438, Schröder in Z2 f. RG II 54 Anm 1 sehen in den mino-
fledi freie Hintersassen. Nach Waitz VG II 1 S 265 waren die mediani die freien
Grundbesitzer, die minofledi Freie, die nicht ihren Grundbesitz, aber die persön-
liche Freiheit bewahrt haben. Das Wergeld der ersteren sei erhöht worden.
13 Das Wergeld von 160 solidi stellt den minofledus dem Vollfreien der
übrigen Stämme ebenbürtig zur Seite. In der Lex Alam. heiſsen die minofledi
schlechtweg liberi. Das alamannische Buſssystem hat den Stand der minofledi oder
liberi zur Grundlage. Denn die Buſse für den vollständigen Verlust der Hand und
des Fuſses, welche regelmäſsig als eine Quote des Wergeldes berechnet wird, be-
trägt nach dem Pactus 40, nach der Lex 80 solidi, also das Viertel bezw. die Hälfte
des Wergeldes, das dem minofledus oder liber zugeschrieben wird. Wenn Hlo. 8 B
bestimmt, daſs die freien Kolonen der Kirche sicut alii Alamanni componantur, so
können unter den alii Alamanni schlechtweg nur die liberi, nicht die mediani ver-
standen werden. Auffallend wäre es, wenn man die Lex in erster Linie nicht für
die Gemeinfreien, sondern für Leute aufgezeichnet hätte, die ihre Freiheit gemindert
haben. Und nicht weniger müſste es befremden, wenn schon zur Zeit der Entstehung
des Pactus der gröſsere Teil der freien Bevölkerung aus grundbesitzlosen Personen
bestanden hätte. In den Urkunden Wartmann Nr 135 v. J. 793, Nr 143 v. J. 797
erscheint der Betrag von 160 solidi, um welchen die vergabten Grundstücke zurück-
gekauft werden können (vgl. oben S 198 Anm 21) als das Wergeld freier Grund-
besitzer. Schon Wilda, Strafrecht S 422 hat in den minofledi die Gemeinfreien
erkannt.
14 Soweit das Ständewesen die Zahl der Eideshelfer beeinfluſst, schwört der
höhere Stand nicht mit mehr, sondern mit weniger Eideshelfern, weil sein und seiner
Genossen Eid höheren Wert hat. Der selbsechzehn geschworene Eid, wie er in
Lex Sal. 74 von den minofledi verlangt wird, ist in einigen Gegenden salischen
Rechts als Abart des normalen Zwölfereides nachzuweisen, nämlich dort, wo auſser
den zwölf Eidhelfern noch drei aloarii (alwâri, allwahre) schwören. Carta Senon.
17. 21, Zeumer S 192. 194. Auch Schröder sieht in den salischen minoflidi
freie Bauern, indem er die Stelle aus dem Gegensatz des herrschaftlichen Groſs-
grundbesitzes oder der terra salica und des nachbarlichen, d. h. bäuerlichen Klein-
besitzes in der Gemeindeflur erklärt. Z2 f. RG II 54. Dagegen hält W. Sickel,
Westd. Z f. Gesch. u. Kunst IV 267 die minoflidi für Zinsgutbesitzer.
15 Flid, alts., ags. und altn. flet, ahd. flezi, flazi area, aula. Grimm, WB
III 1771; Schröder, Z2 f. RG VII 18.
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[249/0267] § 32. Adel und Freie. fremdem Grund und Boden angesiedelt sind 12. Wir haben sie viel- mehr als die Gemeinfreien zu betrachten, welche das normale Maſs des Grundeigentums besitzen 13. Auch der salische minoflidus ist nicht ein Hintersasse, sondern ein selbständiger Hofbesitzer, wie denn über- haupt die Unterscheidung von minoflidi und meliores in dem salischen Kapitular keinen eigentlich ständischen Gegensatz zum Ausdruck bringen will 14. Das Wort minoflidus ist niederdeutsch und bedeutet den Besitzer eines geringeren Hofes 15. Im Gegensatz zu ihm bedarf der melior, weil er eine gröſsere Zahl angehöriger und abhängiger Personen freizuschwören hat, einer gröſseren Zahl von Helfern. Die salfränkische Bezeichnung minoflidi ist dann bei Abfassung des ala- 12 Walter § 438, Schröder in Z2 f. RG II 54 Anm 1 sehen in den mino- fledi freie Hintersassen. Nach Waitz VG II 1 S 265 waren die mediani die freien Grundbesitzer, die minofledi Freie, die nicht ihren Grundbesitz, aber die persön- liche Freiheit bewahrt haben. Das Wergeld der ersteren sei erhöht worden. 13 Das Wergeld von 160 solidi stellt den minofledus dem Vollfreien der übrigen Stämme ebenbürtig zur Seite. In der Lex Alam. heiſsen die minofledi schlechtweg liberi. Das alamannische Buſssystem hat den Stand der minofledi oder liberi zur Grundlage. Denn die Buſse für den vollständigen Verlust der Hand und des Fuſses, welche regelmäſsig als eine Quote des Wergeldes berechnet wird, be- trägt nach dem Pactus 40, nach der Lex 80 solidi, also das Viertel bezw. die Hälfte des Wergeldes, das dem minofledus oder liber zugeschrieben wird. Wenn Hlo. 8 B bestimmt, daſs die freien Kolonen der Kirche sicut alii Alamanni componantur, so können unter den alii Alamanni schlechtweg nur die liberi, nicht die mediani ver- standen werden. Auffallend wäre es, wenn man die Lex in erster Linie nicht für die Gemeinfreien, sondern für Leute aufgezeichnet hätte, die ihre Freiheit gemindert haben. Und nicht weniger müſste es befremden, wenn schon zur Zeit der Entstehung des Pactus der gröſsere Teil der freien Bevölkerung aus grundbesitzlosen Personen bestanden hätte. In den Urkunden Wartmann Nr 135 v. J. 793, Nr 143 v. J. 797 erscheint der Betrag von 160 solidi, um welchen die vergabten Grundstücke zurück- gekauft werden können (vgl. oben S 198 Anm 21) als das Wergeld freier Grund- besitzer. Schon Wilda, Strafrecht S 422 hat in den minofledi die Gemeinfreien erkannt. 14 Soweit das Ständewesen die Zahl der Eideshelfer beeinfluſst, schwört der höhere Stand nicht mit mehr, sondern mit weniger Eideshelfern, weil sein und seiner Genossen Eid höheren Wert hat. Der selbsechzehn geschworene Eid, wie er in Lex Sal. 74 von den minofledi verlangt wird, ist in einigen Gegenden salischen Rechts als Abart des normalen Zwölfereides nachzuweisen, nämlich dort, wo auſser den zwölf Eidhelfern noch drei aloarii (alwâri, allwahre) schwören. Carta Senon. 17. 21, Zeumer S 192. 194. Auch Schröder sieht in den salischen minoflidi freie Bauern, indem er die Stelle aus dem Gegensatz des herrschaftlichen Groſs- grundbesitzes oder der terra salica und des nachbarlichen, d. h. bäuerlichen Klein- besitzes in der Gemeindeflur erklärt. Z2 f. RG II 54. Dagegen hält W. Sickel, Westd. Z f. Gesch. u. Kunst IV 267 die minoflidi für Zinsgutbesitzer. 15 Flid, alts., ags. und altn. flet, ahd. flezi, flazi area, aula. Grimm, WB III 1771; Schröder, Z2 f. RG VII 18.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/267>, abgerufen am 25.11.2024.