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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 30. Die Knechte.
später auftauchende Hiltischalk 33. Mehrfach beschäftigen sich die
karolingischen Kapitularien mit den Knechten, die im Heere gegen-
wärtig sind, plündern oder widerrechtlich fouragieren oder die ihnen
versagte Lanze tragen 34. Als im Kriegswesen der Reiterdienst durch-
drang, gewannen die dafür ausgerüsteten Ministerialen erhöhte Be-
deutung; gleich freien Leuten empfingen sie Benefizien, trugen sie
den Speer und wurden sie in die Stellung von Vasallen auf-
genommen 35.

Die höchste gesellschaftliche und rechtliche Stellung vermögen
unter den Knechten die Ministerialen des Königs zu erlangen 36. In
den Volksrechten und bei Gregor von Tours erscheinen sie als pueri regis,
pueri aulici 37. Sie haben das Wergeld des Liten 38, können das Amt
eines Grafen oder eines Sacebaro erlangen und in die Zahl der
königlichen Antrustionen aufgenommen werden. Eine ähnliche Stel-
lung dürften die Adelschalken des Herzogs von Baiern eingenommen
haben 39.

Die den servi casati entsprechenden Knechte des Königs, welche
auf den Domänen angesiedelt sind, werden in merowingischer Zeit

minibus XXX cum omnibus quod habebant" (Breves Notit. Salzb. IV 2). Ferner die
villa Titmonning (al. Tietramingen) "et in ea mansos 60 inter uestitos et apsos et
inter exercitales et barscalcos" (Ind. Arn. VII 7), "cum mansis 60 inter servos et
tributales nec non et exercitales homines". -- Vielleicht ist auch der oben Anm 23
erwähnte miles hierherzustellen. War seine Stellung eine erbliche geworden, so
würde sich die militunia allenfalls als Ehefrau des miles erklären lassen.
33 Kriegsknecht. Siehe Waitz, VG I 163 Anm 2, V 229; Zöpfl, Alter-
thümer II 280 f.
34 Cap. von 810--11 c. 4, I 160. Cap. Theod. v. J 805 c. 5, Note q I 123.
In der Urk. Waitz, VG III 490 klagen die Istrianer über den dux Johannes: cum
nostros servos facit nos in hoste ambulare. In jüngeren Handschriften der Lex
Baiuw. findet sich LL III 450 der Zusatz: ille servus fiscalinus, qui hostem facit,
pro freto 40 solidos ut alii liberi.
35 Cap. miss. v. J. 792 oder 786 c. 4, I 67: fiscilini quoque et coloni et ecclesi-
astici adque servi, qui honorati beneficia et ministeria tenent vel in bassallatico
honorati sunt cum domini sui (a dominis suis) et caballos arma et scuto et lancea,
spata et senespasio habere possunt ... Über Knechte mit Benefizien Waitz,
VG IV 218.
36 Roth, BW S 120 Anm 41; Waitz, VG II 1 S 228.
37 In karolingischer Zeit wird puer ebenso wie vassus von freien Leuten
gebraucht.
38 In der Lex Salica werden sie regelmässig mit dem litus oder libertus zu-
sammengestellt. Lex Sal. 13, 7. 79, 1. 42, 4; Extr. A VI 2, Hessels col. 420.
39 Tassilonis decret. Dingolf. c. 7, LL III 460: ut servi principis qui dicuntur
adalschalhae ut habeant suam werageldam iuxta morem quem habuerunt sub paren-
tibus et ceteri minores werageldi iuxta legem suam.

§ 30. Die Knechte.
später auftauchende Hiltischalk 33. Mehrfach beschäftigen sich die
karolingischen Kapitularien mit den Knechten, die im Heere gegen-
wärtig sind, plündern oder widerrechtlich fouragieren oder die ihnen
versagte Lanze tragen 34. Als im Kriegswesen der Reiterdienst durch-
drang, gewannen die dafür ausgerüsteten Ministerialen erhöhte Be-
deutung; gleich freien Leuten empfingen sie Benefizien, trugen sie
den Speer und wurden sie in die Stellung von Vasallen auf-
genommen 35.

Die höchste gesellschaftliche und rechtliche Stellung vermögen
unter den Knechten die Ministerialen des Königs zu erlangen 36. In
den Volksrechten und bei Gregor von Tours erscheinen sie als pueri regis,
pueri aulici 37. Sie haben das Wergeld des Liten 38, können das Amt
eines Grafen oder eines Sacebaro erlangen und in die Zahl der
königlichen Antrustionen aufgenommen werden. Eine ähnliche Stel-
lung dürften die Adelschalken des Herzogs von Baiern eingenommen
haben 39.

Die den servi casati entsprechenden Knechte des Königs, welche
auf den Domänen angesiedelt sind, werden in merowingischer Zeit

minibus XXX cum omnibus quod habebant“ (Breves Notit. Salzb. IV 2). Ferner die
villa Titmonning (al. Tietramingen) „et in ea mansos 60 inter uestitos et apsos et
inter exercitales et barscalcos“ (Ind. Arn. VII 7), „cum mansis 60 inter servos et
tributales nec non et exercitales homines“. — Vielleicht ist auch der oben Anm 23
erwähnte miles hierherzustellen. War seine Stellung eine erbliche geworden, so
würde sich die militunia allenfalls als Ehefrau des miles erklären lassen.
33 Kriegsknecht. Siehe Waitz, VG I 163 Anm 2, V 229; Zöpfl, Alter-
thümer II 280 f.
34 Cap. von 810—11 c. 4, I 160. Cap. Theod. v. J 805 c. 5, Note q I 123.
In der Urk. Waitz, VG III 490 klagen die Istrianer über den dux Johannes: cum
nostros servos facit nos in hoste ambulare. In jüngeren Handschriften der Lex
Baiuw. findet sich LL III 450 der Zusatz: ille servus fiscalinus, qui hostem facit,
pro freto 40 solidos ut alii liberi.
35 Cap. miss. v. J. 792 oder 786 c. 4, I 67: fiscilini quoque et coloni et ecclesi-
astici adque servi, qui honorati beneficia et ministeria tenent vel in bassallatico
honorati sunt cum domini sui (a dominis suis) et caballos arma et scuto et lancea,
spata et senespasio habere possunt … Über Knechte mit Benefizien Waitz,
VG IV 218.
36 Roth, BW S 120 Anm 41; Waitz, VG II 1 S 228.
37 In karolingischer Zeit wird puer ebenso wie vassus von freien Leuten
gebraucht.
38 In der Lex Salica werden sie regelmäſsig mit dem litus oder libertus zu-
sammengestellt. Lex Sal. 13, 7. 79, 1. 42, 4; Extr. A VI 2, Hessels col. 420.
39 Tassilonis decret. Dingolf. c. 7, LL III 460: ut servi principis qui dicuntur
adalschalhae ut habeant suam werageldam iuxta morem quem habuerunt sub paren-
tibus et ceteri minores werageldi iuxta legem suam.
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[236/0254] § 30. Die Knechte. später auftauchende Hiltischalk 33. Mehrfach beschäftigen sich die karolingischen Kapitularien mit den Knechten, die im Heere gegen- wärtig sind, plündern oder widerrechtlich fouragieren oder die ihnen versagte Lanze tragen 34. Als im Kriegswesen der Reiterdienst durch- drang, gewannen die dafür ausgerüsteten Ministerialen erhöhte Be- deutung; gleich freien Leuten empfingen sie Benefizien, trugen sie den Speer und wurden sie in die Stellung von Vasallen auf- genommen 35. Die höchste gesellschaftliche und rechtliche Stellung vermögen unter den Knechten die Ministerialen des Königs zu erlangen 36. In den Volksrechten und bei Gregor von Tours erscheinen sie als pueri regis, pueri aulici 37. Sie haben das Wergeld des Liten 38, können das Amt eines Grafen oder eines Sacebaro erlangen und in die Zahl der königlichen Antrustionen aufgenommen werden. Eine ähnliche Stel- lung dürften die Adelschalken des Herzogs von Baiern eingenommen haben 39. Die den servi casati entsprechenden Knechte des Königs, welche auf den Domänen angesiedelt sind, werden in merowingischer Zeit 32 33 Kriegsknecht. Siehe Waitz, VG I 163 Anm 2, V 229; Zöpfl, Alter- thümer II 280 f. 34 Cap. von 810—11 c. 4, I 160. Cap. Theod. v. J 805 c. 5, Note q I 123. In der Urk. Waitz, VG III 490 klagen die Istrianer über den dux Johannes: cum nostros servos facit nos in hoste ambulare. In jüngeren Handschriften der Lex Baiuw. findet sich LL III 450 der Zusatz: ille servus fiscalinus, qui hostem facit, pro freto 40 solidos ut alii liberi. 35 Cap. miss. v. J. 792 oder 786 c. 4, I 67: fiscilini quoque et coloni et ecclesi- astici adque servi, qui honorati beneficia et ministeria tenent vel in bassallatico honorati sunt cum domini sui (a dominis suis) et caballos arma et scuto et lancea, spata et senespasio habere possunt … Über Knechte mit Benefizien Waitz, VG IV 218. 36 Roth, BW S 120 Anm 41; Waitz, VG II 1 S 228. 37 In karolingischer Zeit wird puer ebenso wie vassus von freien Leuten gebraucht. 38 In der Lex Salica werden sie regelmäſsig mit dem litus oder libertus zu- sammengestellt. Lex Sal. 13, 7. 79, 1. 42, 4; Extr. A VI 2, Hessels col. 420. 39 Tassilonis decret. Dingolf. c. 7, LL III 460: ut servi principis qui dicuntur adalschalhae ut habeant suam werageldam iuxta morem quem habuerunt sub paren- tibus et ceteri minores werageldi iuxta legem suam. 32 minibus XXX cum omnibus quod habebant“ (Breves Notit. Salzb. IV 2). Ferner die villa Titmonning (al. Tietramingen) „et in ea mansos 60 inter uestitos et apsos et inter exercitales et barscalcos“ (Ind. Arn. VII 7), „cum mansis 60 inter servos et tributales nec non et exercitales homines“. — Vielleicht ist auch der oben Anm 23 erwähnte miles hierherzustellen. War seine Stellung eine erbliche geworden, so würde sich die militunia allenfalls als Ehefrau des miles erklären lassen.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/254>, abgerufen am 23.11.2024.