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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 22. Friedlosigkeit und Opfertod.
Friedloslegung nicht bloss der Person, sondern auch des Gutes 15.
Die Friedlosigkeit tritt begrifflich schon durch die Unthat ein, auf
die sie gesetzt ist. Allein dieser Grundsatz konnte nur im Falle der
handhaften That zur unbeschränkten Durchführung gelangen, da an-
dernfalls durch ein gerichtliches Verfahren konstatiert werden musste,
dass die Voraussetzungen der Friedlosigkeit vorlagen. Das Tötungs-
recht ist aus dem Gesichtspunkte der Friedlosigkeit für den Fall der
handhaften That nachmals bei manchen Verbrechen gegeben, die sonst
nur durch Busszahlung gesühnt zu werden brauchten. Bei nicht hand-
hafter That bedurfte es, um die vollen Wirkungen der Friedlosigkeit
herbeizuführen, des Rechtsaktes der förmlichen Friedloslegung. Sie
ist Verhängung und feierliche Verkündigung der Friedlosigkeit und
erfolgte in der Landes- oder Gerichtsgemeinde, später durch den
König. Die Friedloslegungsformeln, die aus jüngerer Zeit überliefert
sind, enthalten regelmässig das Verbot, dem Friedlosen Obdach und
Nahrung zu gewähren.

Das sächsische, das friesische, das fränkische Recht und nordische
Zeugnisse kennen als Bestandteil der Friedloslegung ein in hohes
Altertum hinaufreichendes Verfahren, welches zusammenwirkend mit
dem Verbote des Hausens und Hofens den Friedlosen zwingt, die
Gemeinschaft der Menschen zu fliehen und "das Andenken desselben
aus der Gemeinde vertilgt" 16. Der Friedlosgelegte wird nämlich ver-
folgt mit Brand und Bruch, mit Feuer und Brand, mit Feuer und
Flamme, indem die Genossen der Gerichtsgemeinde sich zusammen-
scharen, um dem Missethäter Haus und Hof niederzubrennen oder
niederzureissen. Ein fränkisches Kapitular für Sachsen von 797 be-
zeugt das Brandrecht als eine althergebrachte Einrichtung 17. Jüngere
niederdeutsche Quellen erwähnen Bruch und Brand entweder als
rechtlichen Bestandteil der Friedloslegung oder als selbständige Strafe 18.

15 v. Richthofen, Fries. RQ S 396, 36: so soll der Asega ihn friedlos legen
und all sein Gut. Ähnlich S 417, 30. S. die Stellen bei Haltaus col. 522.
Frostuthingslög 4, 27; 5, 28: der ist friedlos (utlagr) und alles was er hat. Er
fahre friedlos und jeder Pfennig seines Gutes (Hakonarbok 38). v. Amira, Voll-
streckungsverfahren S 106 f.
16 Wilda, Strafrecht S 293.
17 Cap. I 72 c. 8: ... condicto commune placito simul ipsi pagenses veniant;
et si unanimiter consenserint, pro districtione illius causa incendatur; tunc de ipso
placito commune consilio facto secundum eorum ewa fiat peractum.
18 v. Richthofen, Fries. RQ S 413, 36: nu deelt di aesgha dat nu hi toe
brand ende toe breck deen is ende ferdloes leyd is. S. noch v. Richthofen,
Zur Lex Sax. S 306 Nr 2. Über das flandrische Brandrecht, droit d'arsin Warn-
könig
, Flandr. RG III 322. Cout. de Normandie, ed. Tardif 1881, I c. 37 (de

§ 22. Friedlosigkeit und Opfertod.
Friedloslegung nicht bloſs der Person, sondern auch des Gutes 15.
Die Friedlosigkeit tritt begrifflich schon durch die Unthat ein, auf
die sie gesetzt ist. Allein dieser Grundsatz konnte nur im Falle der
handhaften That zur unbeschränkten Durchführung gelangen, da an-
dernfalls durch ein gerichtliches Verfahren konstatiert werden muſste,
daſs die Voraussetzungen der Friedlosigkeit vorlagen. Das Tötungs-
recht ist aus dem Gesichtspunkte der Friedlosigkeit für den Fall der
handhaften That nachmals bei manchen Verbrechen gegeben, die sonst
nur durch Buſszahlung gesühnt zu werden brauchten. Bei nicht hand-
hafter That bedurfte es, um die vollen Wirkungen der Friedlosigkeit
herbeizuführen, des Rechtsaktes der förmlichen Friedloslegung. Sie
ist Verhängung und feierliche Verkündigung der Friedlosigkeit und
erfolgte in der Landes- oder Gerichtsgemeinde, später durch den
König. Die Friedloslegungsformeln, die aus jüngerer Zeit überliefert
sind, enthalten regelmäſsig das Verbot, dem Friedlosen Obdach und
Nahrung zu gewähren.

Das sächsische, das friesische, das fränkische Recht und nordische
Zeugnisse kennen als Bestandteil der Friedloslegung ein in hohes
Altertum hinaufreichendes Verfahren, welches zusammenwirkend mit
dem Verbote des Hausens und Hofens den Friedlosen zwingt, die
Gemeinschaft der Menschen zu fliehen und „das Andenken desselben
aus der Gemeinde vertilgt“ 16. Der Friedlosgelegte wird nämlich ver-
folgt mit Brand und Bruch, mit Feuer und Brand, mit Feuer und
Flamme, indem die Genossen der Gerichtsgemeinde sich zusammen-
scharen, um dem Missethäter Haus und Hof niederzubrennen oder
niederzureiſsen. Ein fränkisches Kapitular für Sachsen von 797 be-
zeugt das Brandrecht als eine althergebrachte Einrichtung 17. Jüngere
niederdeutsche Quellen erwähnen Bruch und Brand entweder als
rechtlichen Bestandteil der Friedloslegung oder als selbständige Strafe 18.

15 v. Richthofen, Fries. RQ S 396, 36: so soll der Asega ihn friedlos legen
und all sein Gut. Ähnlich S 417, 30. S. die Stellen bei Haltaus col. 522.
Frostuþíngslög 4, 27; 5, 28: der ist friedlos (útlagr) und alles was er hat. Er
fahre friedlos und jeder Pfennig seines Gutes (Hákonarbók 38). v. Amira, Voll-
streckungsverfahren S 106 f.
16 Wilda, Strafrecht S 293.
17 Cap. I 72 c. 8: … condicto commune placito simul ipsi pagenses veniant;
et si unanimiter consenserint, pro districtione illius causa incendatur; tunc de ipso
placito commune consilio facto secundum eorum ewa fiat peractum.
18 v. Richthofen, Fries. RQ S 413, 36: nu deelt di aesgha dat nu hi toe
brand ende toe breck deen is ende ferdloes leyd is. S. noch v. Richthofen,
Zur Lex Sax. S 306 Nr 2. Über das flandrische Brandrecht, droit d’arsin Warn-
könig
, Flandr. RG III 322. Cout. de Normandie, ed. Tardif 1881, I c. 37 (de
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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/187>, abgerufen am 24.11.2024.