Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.§ 20. Die Gerichtsverfassung. Bann im Sinne von Friedewirken bei der Übereignung von Grund-stücken eine rechtsgeschichtlich bedeutsame Rolle24. Als der Gott, unter dessen Schutz die vornehmsten Gerichtsver- Nach jüngeren Quellen werden in manchen Rechten drei ver- 24 Z2 f. RG IV 238. Fruin in den Versl. en Meded. der kgl. Akad. der Wissensch. zu Amsterdam, Letterk. 2. Serie XII 1883 S 99. 25 Wilhelm Scherer, Mars Thingsus, in den Sitzungsber. der Berl. Akad. 1884 S 571 ff.; Z2 f. RG V 226. 26 Es ist dadurch nicht ausgeschlossen, dass das echte Ding öffentlich an- gekündigt, etwa durch Landschrei zusammenberufen wird. Vgl. Schenk zu Schweinsberg, Z d. Ver. f. hess. Geschichte u. Landeskunde NF V 215 ff. 27 Für das Afterding hat eine jüngere Quelle den Ausdruck Fimmelding.
Eine Inschrift des Altars von Housesteads nennt neben dem Thingsus die göttlichen Wesen Beda und Fimmilena. Man glaubt die Beda als Vertreterin des Botdings, die Fimmilena als Vertreterin des Afterdings deuten zu können. Z2 f. RG V 216 sprach ich die Vermutung aus, dass dem Ziu das echte Ding geweiht war. § 20. Die Gerichtsverfassung. Bann im Sinne von Friedewirken bei der Übereignung von Grund-stücken eine rechtsgeschichtlich bedeutsame Rolle24. Als der Gott, unter dessen Schutz die vornehmsten Gerichtsver- Nach jüngeren Quellen werden in manchen Rechten drei ver- 24 Z2 f. RG IV 238. Fruin in den Versl. en Meded. der kgl. Akad. der Wissensch. zu Amsterdam, Letterk. 2. Serie XII 1883 S 99. 25 Wilhelm Scherer, Mars Thingsus, in den Sitzungsber. der Berl. Akad. 1884 S 571 ff.; Z2 f. RG V 226. 26 Es ist dadurch nicht ausgeschlossen, daſs das echte Ding öffentlich an- gekündigt, etwa durch Landschrei zusammenberufen wird. Vgl. Schenk zu Schweinsberg, Z d. Ver. f. hess. Geschichte u. Landeskunde NF V 215 ff. 27 Für das Afterding hat eine jüngere Quelle den Ausdruck Fimmelding.
Eine Inschrift des Altars von Housesteads nennt neben dem Thingsus die göttlichen Wesen Beda und Fimmilena. Man glaubt die Beda als Vertreterin des Botdings, die Fimmilena als Vertreterin des Afterdings deuten zu können. Z2 f. RG V 216 sprach ich die Vermutung aus, daſs dem Ziu das echte Ding geweiht war. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0166" n="148"/><fw place="top" type="header">§ 20. Die Gerichtsverfassung.</fw><lb/> Bann im Sinne von Friedewirken bei der Übereignung von Grund-<lb/> stücken eine rechtsgeschichtlich bedeutsame Rolle<note place="foot" n="24">Z<hi rendition="#sup">2</hi> f. RG IV 238. <hi rendition="#g">Fruin</hi> in den Versl. en Meded. der kgl. Akad. der<lb/> Wissensch. zu Amsterdam, Letterk. 2. Serie XII 1883 S 99.</note>.</p><lb/> <p>Als der Gott, unter dessen Schutz die vornehmsten Gerichtsver-<lb/> handlungen standen, ist vermutlich der Tius, Ziu anzusehen, der in<lb/> dieser Rolle den Beinamen Things geführt haben mag. Auf ihn wird<lb/> eine dem Mars Thingsus geweihte Altarschrift gedeutet, welche aus<lb/> dem dritten oder vierten Jahrzehnt des dritten Jahrhunderts stammt<lb/> und kürzlich im nördlichen England am Hadrianswall aufgefunden<lb/> worden ist. Es ist der Gott, nach welchem wir den Dienstag (Tag<lb/> des Tius) bezeichnen, der im Niederländischen als Dingstag (Tag des<lb/> Dings) erscheint<note place="foot" n="25"><hi rendition="#g">Wilhelm Scherer</hi>, Mars Thingsus, in den Sitzungsber. der Berl. Akad.<lb/> 1884 S 571 ff.; Z<hi rendition="#sup">2</hi> f. RG V 226.</note>.</p><lb/> <p>Nach jüngeren Quellen werden in manchen Rechten drei ver-<lb/> schiedene Arten von Gerichtsversammlungen unterschieden, das echte<lb/> Ding, das gebotene Ding, auch Botding, und das Nachding oder After-<lb/> ding. Echte Dinge sind die nach Volksrecht hergebrachten Gerichts-<lb/> versammlungen, die an herkömmlicher Dingstätte und zu herkömm-<lb/> licher Zeit abgehalten werden, ohne daſs der einzelne Dingpflichtige<lb/> besonders aufgeboten zu werden braucht<note place="foot" n="26">Es ist dadurch nicht ausgeschlossen, daſs das echte Ding öffentlich an-<lb/> gekündigt, etwa durch Landschrei zusammenberufen wird. Vgl. <hi rendition="#g">Schenk zu<lb/> Schweinsberg</hi>, Z d. Ver. f. hess. Geschichte u. Landeskunde NF V 215 ff.</note>. Die für die echten Dinge<lb/> üblichen Gerichtszeiten lassen teilweise (so z. B. die am Walpurgis-<lb/> tage vorkommenden) geschichtlichen Anschluſs an heidnische Fest-<lb/> und Opfertage vermuten. Im Gegensatz dazu erscheinen als gebotene<lb/> Dinge diejenigen, für welche die Dingpflicht erst durch den Bann des<lb/> Richters begründet wird, der das Ding auslegt. Es ist bei diesen ge-<lb/> botenen Dingen nur zu erscheinen verpflichtet, wer dazu aufgeboten<lb/> wird. Nachdinge oder Afterdinge sind Gerichtstage, die zur Erledi-<lb/> gung der am echten Ding nicht erledigten Angelegenheiten in un-<lb/> mittelbarem Anschluſs an dasselbe oder kurze Zeit danach abgehalten<lb/> werden<note place="foot" n="27">Für das Afterding hat eine jüngere Quelle den Ausdruck Fimmelding.<lb/> Eine Inschrift des Altars von Housesteads nennt neben dem Thingsus die göttlichen<lb/> Wesen Beda und Fimmilena. Man glaubt die Beda als Vertreterin des Botdings,<lb/> die Fimmilena als Vertreterin des Afterdings deuten zu können. Z<hi rendition="#sup">2</hi> f. RG V 216<lb/> sprach ich die Vermutung aus, daſs dem Ziu das echte Ding geweiht war.</note>. Ob diese Unterscheidungen gemeingermanisch waren, muſs<lb/> umsomehr dahingestellt bleiben, als sie sich später nicht in allen<lb/> Stammesrechten finden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [148/0166]
§ 20. Die Gerichtsverfassung.
Bann im Sinne von Friedewirken bei der Übereignung von Grund-
stücken eine rechtsgeschichtlich bedeutsame Rolle 24.
Als der Gott, unter dessen Schutz die vornehmsten Gerichtsver-
handlungen standen, ist vermutlich der Tius, Ziu anzusehen, der in
dieser Rolle den Beinamen Things geführt haben mag. Auf ihn wird
eine dem Mars Thingsus geweihte Altarschrift gedeutet, welche aus
dem dritten oder vierten Jahrzehnt des dritten Jahrhunderts stammt
und kürzlich im nördlichen England am Hadrianswall aufgefunden
worden ist. Es ist der Gott, nach welchem wir den Dienstag (Tag
des Tius) bezeichnen, der im Niederländischen als Dingstag (Tag des
Dings) erscheint 25.
Nach jüngeren Quellen werden in manchen Rechten drei ver-
schiedene Arten von Gerichtsversammlungen unterschieden, das echte
Ding, das gebotene Ding, auch Botding, und das Nachding oder After-
ding. Echte Dinge sind die nach Volksrecht hergebrachten Gerichts-
versammlungen, die an herkömmlicher Dingstätte und zu herkömm-
licher Zeit abgehalten werden, ohne daſs der einzelne Dingpflichtige
besonders aufgeboten zu werden braucht 26. Die für die echten Dinge
üblichen Gerichtszeiten lassen teilweise (so z. B. die am Walpurgis-
tage vorkommenden) geschichtlichen Anschluſs an heidnische Fest-
und Opfertage vermuten. Im Gegensatz dazu erscheinen als gebotene
Dinge diejenigen, für welche die Dingpflicht erst durch den Bann des
Richters begründet wird, der das Ding auslegt. Es ist bei diesen ge-
botenen Dingen nur zu erscheinen verpflichtet, wer dazu aufgeboten
wird. Nachdinge oder Afterdinge sind Gerichtstage, die zur Erledi-
gung der am echten Ding nicht erledigten Angelegenheiten in un-
mittelbarem Anschluſs an dasselbe oder kurze Zeit danach abgehalten
werden 27. Ob diese Unterscheidungen gemeingermanisch waren, muſs
umsomehr dahingestellt bleiben, als sie sich später nicht in allen
Stammesrechten finden.
24 Z2 f. RG IV 238. Fruin in den Versl. en Meded. der kgl. Akad. der
Wissensch. zu Amsterdam, Letterk. 2. Serie XII 1883 S 99.
25 Wilhelm Scherer, Mars Thingsus, in den Sitzungsber. der Berl. Akad.
1884 S 571 ff.; Z2 f. RG V 226.
26 Es ist dadurch nicht ausgeschlossen, daſs das echte Ding öffentlich an-
gekündigt, etwa durch Landschrei zusammenberufen wird. Vgl. Schenk zu
Schweinsberg, Z d. Ver. f. hess. Geschichte u. Landeskunde NF V 215 ff.
27 Für das Afterding hat eine jüngere Quelle den Ausdruck Fimmelding.
Eine Inschrift des Altars von Housesteads nennt neben dem Thingsus die göttlichen
Wesen Beda und Fimmilena. Man glaubt die Beda als Vertreterin des Botdings,
die Fimmilena als Vertreterin des Afterdings deuten zu können. Z2 f. RG V 216
sprach ich die Vermutung aus, daſs dem Ziu das echte Ding geweiht war.
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