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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 19. Kriegswesen und Gefolgschaft.
zu verschaffen, deren Erwartung den Eintritt in die Gefolgschaft ver-
anlasste. Die noch nicht völlig erwachsene Gefolgsjugend stand unter
der Familienmunt des Gefolgsherrn. Was die übrigen betrifft, so
muss der Herr mindestens in Angelegenheiten des Dienstes eine
Disziplinargewalt über sie besessen haben. Dritten gegenüber haftete
der Herr für die Handlungen seiner Gefolgsleute wohl nur insofern,
als er eventuell verpflichtet war, sie vor das Volksgericht zu stellen.
Der Herr fördert und belohnt die Thaten der Gefolgsleute, indem er
ihnen Waffen und Rosse, Gewänder, Ringe und Schätze spendet.
Ringspender, Kleinodspender wird er deshalb in der Sprache der
Dichtung genannt25. Innerhalb des Kreises der Gefolgsgenossen be-
stehen Grade und Rangverschiedenheiten, welche das Ermessen des
Herrn bestimmt26. Nach angelsächsischem und schwedischem Rechte
ist bei Tötung eines Gefolgsmannes ausser dem Wergeld, das an die
Verwandten fällt, noch eine besondere Busse als Mannbusse beziehungs-
weise Unehrenbusse an den Herrn zu entrichten27. Eine solche Busse
scheint auch das langobardische Recht ursprünglich gekannt zu haben28,
während es später das Wergeld des königlichen Gefolgsmannes inner-
halb gewisser Grenzen in das Ermessen des Königs stellt29. Bei den

mit Recht daraus erklärt, dass Pferd und Waffen, wie sie der Mann bei Eingehung
des Dienstverhältnisses vom Herrn zu erhalten pflegte, mit dem Tode des Mannes
dem Herrn heimfallen.
25 Alts. methomgibho, ags. madumgifa. Ringspender, beagabrytta bei den
Angelsachsen. Bogwinei, Ringfreunde heissen die Gefolgsleute in Heliand 2757.
Im Reigsmal ist es ein Kennzeichen des siegreichen Jarls, dass er Ringe giebt und
Bauge entzweihaut (um sie an die Gefolgsleute zu verteilen). Munch S 170. Die
Sitte, den Getreuen Goldspangen zu spenden, übte noch Karl der Grosse. Testament
des Dadila von 813 bei Devic u. Vaissete, Hist. de Languedoc II Nr 24 v. J. 813:
baucos vero meos aureos quos a domino ... Karolo imperatore accepi vel ipse
mihi donare iussit ... in sacerdotibus ac pauperibus erogare faciat.
26 Germ. c. 13: gradus quin etiam ipse comitatus habet iudicio eius quem
sectantur. Liutpr. 62: de gasindiis vero nostris uolumus ut quicumque minimissi-
mus
in tali ordine occisus fuerit, pro eo quod nobis deseruire uidetur ducentos
solidos fiat compositus. Nach Knut II 71 § 3 ist das Heergeräte (s. Anm 24) des
Königsthans ein höheres, gif he to tham cyninge furder cydde haebbe, wenn er mit
dem König noch eine nähere Verbindung hat.
27 Über die angelsächsische Mannbusse Schmid, Gesetze der Angels. S 628;
über die schwedische Thokkabusse Wilda, Strafrecht S 351 Anm 3, 426. Nach
Tassilos III. Dingolfinger Dekreten LL III 460 c. 9 soll, wer einen homo principis
sibi dilectus getötet hat, ob iniuriam principis ad calumniam nicht bloss das Wer-
geld zahlen, sondern auch sein Besitztum verlieren (privetur hereditate sua).
28 Arg. Roth. 374. Vgl. Wilda a. O. S 426.
29 Liutpr. 62. Die in Anm 26 ausgeschriebene Stelle fährt fort: maioris uero
secundum qualis persona fuerit, ut nostra consideratione uel successorum nostrorum

§ 19. Kriegswesen und Gefolgschaft.
zu verschaffen, deren Erwartung den Eintritt in die Gefolgschaft ver-
anlaſste. Die noch nicht völlig erwachsene Gefolgsjugend stand unter
der Familienmunt des Gefolgsherrn. Was die übrigen betrifft, so
muſs der Herr mindestens in Angelegenheiten des Dienstes eine
Disziplinargewalt über sie besessen haben. Dritten gegenüber haftete
der Herr für die Handlungen seiner Gefolgsleute wohl nur insofern,
als er eventuell verpflichtet war, sie vor das Volksgericht zu stellen.
Der Herr fördert und belohnt die Thaten der Gefolgsleute, indem er
ihnen Waffen und Rosse, Gewänder, Ringe und Schätze spendet.
Ringspender, Kleinodspender wird er deshalb in der Sprache der
Dichtung genannt25. Innerhalb des Kreises der Gefolgsgenossen be-
stehen Grade und Rangverschiedenheiten, welche das Ermessen des
Herrn bestimmt26. Nach angelsächsischem und schwedischem Rechte
ist bei Tötung eines Gefolgsmannes auſser dem Wergeld, das an die
Verwandten fällt, noch eine besondere Buſse als Mannbuſse beziehungs-
weise Unehrenbuſse an den Herrn zu entrichten27. Eine solche Buſse
scheint auch das langobardische Recht ursprünglich gekannt zu haben28,
während es später das Wergeld des königlichen Gefolgsmannes inner-
halb gewisser Grenzen in das Ermessen des Königs stellt29. Bei den

mit Recht daraus erklärt, daſs Pferd und Waffen, wie sie der Mann bei Eingehung
des Dienstverhältnisses vom Herrn zu erhalten pflegte, mit dem Tode des Mannes
dem Herrn heimfallen.
25 Alts. mêthomgibho, ags. mâđumgifa. Ringspender, beágabrytta bei den
Angelsachsen. Bôgwinî, Ringfreunde heiſsen die Gefolgsleute in Heliand 2757.
Im Rîgsmâl ist es ein Kennzeichen des siegreichen Jarls, daſs er Ringe giebt und
Bauge entzweihaut (um sie an die Gefolgsleute zu verteilen). Munch S 170. Die
Sitte, den Getreuen Goldspangen zu spenden, übte noch Karl der Groſse. Testament
des Dadila von 813 bei Devic u. Vaissete, Hist. de Languedoc II Nr 24 v. J. 813:
baucos vero meos aureos quos a domino … Karolo imperatore accepi vel ipse
mihi donare iussit … in sacerdotibus ac pauperibus erogare faciat.
26 Germ. c. 13: gradus quin etiam ipse comitatus habet iudicio eius quem
sectantur. Liutpr. 62: de gasindiis vero nostris uolumus ut quicumque minimissi-
mus
in tali ordine occisus fuerit, pro eo quod nobis deseruire uidetur ducentos
solidos fiat compositus. Nach Knut II 71 § 3 ist das Heergeräte (s. Anm 24) des
Königsthans ein höheres, gif he tô þâm cyninge furđer cyđđe hæbbe, wenn er mit
dem König noch eine nähere Verbindung hat.
27 Über die angelsächsische Mannbuſse Schmid, Gesetze der Angels. S 628;
über die schwedische Thokkabuſse Wilda, Strafrecht S 351 Anm 3, 426. Nach
Tassilos III. Dingolfinger Dekreten LL III 460 c. 9 soll, wer einen homo principis
sibi dilectus getötet hat, ob iniuriam principis ad calumniam nicht bloſs das Wer-
geld zahlen, sondern auch sein Besitztum verlieren (privetur hereditate sua).
28 Arg. Roth. 374. Vgl. Wilda a. O. S 426.
29 Liutpr. 62. Die in Anm 26 ausgeschriebene Stelle fährt fort: maioris uero
secundum qualis persona fuerit, ut nostra consideratione uel successorum nostrorum
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[140/0158] § 19. Kriegswesen und Gefolgschaft. zu verschaffen, deren Erwartung den Eintritt in die Gefolgschaft ver- anlaſste. Die noch nicht völlig erwachsene Gefolgsjugend stand unter der Familienmunt des Gefolgsherrn. Was die übrigen betrifft, so muſs der Herr mindestens in Angelegenheiten des Dienstes eine Disziplinargewalt über sie besessen haben. Dritten gegenüber haftete der Herr für die Handlungen seiner Gefolgsleute wohl nur insofern, als er eventuell verpflichtet war, sie vor das Volksgericht zu stellen. Der Herr fördert und belohnt die Thaten der Gefolgsleute, indem er ihnen Waffen und Rosse, Gewänder, Ringe und Schätze spendet. Ringspender, Kleinodspender wird er deshalb in der Sprache der Dichtung genannt 25. Innerhalb des Kreises der Gefolgsgenossen be- stehen Grade und Rangverschiedenheiten, welche das Ermessen des Herrn bestimmt 26. Nach angelsächsischem und schwedischem Rechte ist bei Tötung eines Gefolgsmannes auſser dem Wergeld, das an die Verwandten fällt, noch eine besondere Buſse als Mannbuſse beziehungs- weise Unehrenbuſse an den Herrn zu entrichten 27. Eine solche Buſse scheint auch das langobardische Recht ursprünglich gekannt zu haben 28, während es später das Wergeld des königlichen Gefolgsmannes inner- halb gewisser Grenzen in das Ermessen des Königs stellt 29. Bei den 24 25 Alts. mêthomgibho, ags. mâđumgifa. Ringspender, beágabrytta bei den Angelsachsen. Bôgwinî, Ringfreunde heiſsen die Gefolgsleute in Heliand 2757. Im Rîgsmâl ist es ein Kennzeichen des siegreichen Jarls, daſs er Ringe giebt und Bauge entzweihaut (um sie an die Gefolgsleute zu verteilen). Munch S 170. Die Sitte, den Getreuen Goldspangen zu spenden, übte noch Karl der Groſse. Testament des Dadila von 813 bei Devic u. Vaissete, Hist. de Languedoc II Nr 24 v. J. 813: baucos vero meos aureos quos a domino … Karolo imperatore accepi vel ipse mihi donare iussit … in sacerdotibus ac pauperibus erogare faciat. 26 Germ. c. 13: gradus quin etiam ipse comitatus habet iudicio eius quem sectantur. Liutpr. 62: de gasindiis vero nostris uolumus ut quicumque minimissi- mus in tali ordine occisus fuerit, pro eo quod nobis deseruire uidetur ducentos solidos fiat compositus. Nach Knut II 71 § 3 ist das Heergeräte (s. Anm 24) des Königsthans ein höheres, gif he tô þâm cyninge furđer cyđđe hæbbe, wenn er mit dem König noch eine nähere Verbindung hat. 27 Über die angelsächsische Mannbuſse Schmid, Gesetze der Angels. S 628; über die schwedische Thokkabuſse Wilda, Strafrecht S 351 Anm 3, 426. Nach Tassilos III. Dingolfinger Dekreten LL III 460 c. 9 soll, wer einen homo principis sibi dilectus getötet hat, ob iniuriam principis ad calumniam nicht bloſs das Wer- geld zahlen, sondern auch sein Besitztum verlieren (privetur hereditate sua). 28 Arg. Roth. 374. Vgl. Wilda a. O. S 426. 29 Liutpr. 62. Die in Anm 26 ausgeschriebene Stelle fährt fort: maioris uero secundum qualis persona fuerit, ut nostra consideratione uel successorum nostrorum 24 mit Recht daraus erklärt, daſs Pferd und Waffen, wie sie der Mann bei Eingehung des Dienstverhältnisses vom Herrn zu erhalten pflegte, mit dem Tode des Mannes dem Herrn heimfallen.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/158>, abgerufen am 22.11.2024.