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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 15. Das Recht und seine Erkenntnisquellen.

v. Amira, Über Zweck und Mittel der germ. Rechtsgeschichte, 1876. Gierke,
Jugend und Altern des Rechts, Deutsche Rundschau 1879. J. Grimm, Poesie im
Recht, Z f. gesch. RW II 25 ff. Gierke, Der Humor im deutschen Rechte, 1871.
Gengler, Germanische Rechtsdenkmäler, Einl. § 6. K. Lehmann, Der Königs-
friede der Nordgermanen, 1886. Bernhöft, Über Zweck und Mittel der ver-
gleichenden Rechtswissenschaft, in dessen Z f. vgl. RW I.

Das Recht gilt als eine ewige Ordnung des Friedens. Aus der
allgemeinen Rechtsüberzeugung als unbewusster Gesamtwille des Volkes
hervorgehend, wird es auf göttlichen Ursprung zurückgeführt, als Über-
lieferung der Götter betrachtet1. Eng mit Religion und Sitte ver-
wachsen, muss es in der Urzeit einen ausgeprägt sakralen Charakter
besessen haben, den aber bei den Westgermanen das Christentum so
früh und so gründlich beseitigte, dass wir nur bei vereinzelten Ein-
richtungen, wie bei der Gerichtshegung, bei gewissen Förmlichkeiten
des Rechtsganges, bei Eiden und Gottesurteilen und im Strafrecht
auf einstigen Zusammenhang zwischen Recht und Glauben zurück-
schliessen können.

Als Bezeichnungen der Friedens- und Rechtsordnung, des Rechtes
im objektiven Sinne überliefern uns die germanischen Sprachen die
uralten Ausdrücke lag, ewa und vitoth. Die Wurzel lag ist uns in der
Bedeutung von lex bei den niederdeutschen2 und skandinavischen
Stämmen bezeugt, während das Hochdeutsche den Ausdruck nur in
der Zusammensetzung urlac, fatum, decretum überliefert. Den Nord-
germanen fremd, aber allen Westgermanen gemeinsam ist die Wurzel
unseres Wortes Ehe, gotisch aivs, dem lateinischen aevum entsprechend,
welche im Sinne von lex althochdeutsch als ewa (fem.), friesisch als
a, e, angelsächsisch als ae und a, altsächsisch als eo (masc.) erscheint3.

1 Nach einer friesischen Sage war es ein Gott, welcher den Rechtsprechern
des Volkes das friesische Recht verkündete. v. Richthofen, Untersuchungen zur
fries. Rechtsgeschichte II 457 ff.
2 Im Altsächsischen, im Friesischen, im Niederländischen (Z2 f. RG IV 237),
im Angelsächsischen, im Nordischen. Englisch law. Graff, Sprachschatz II 96;
v. Richthofen, Fries. WB S 883; Schmid, Gesetze der Ags. S 621. Schiller
und Lübben II 608. Jordanis berichtet c. 11 von den Goten, dass sie ihre Ge-
setze bellagines nennen (Dicineus eos ... propriis legibus vivere fecit, quas usque
nunc conscriptas belagines nuncupant). Es besteht der Zweifel, ob die Nachricht
nicht auf die Geten zu beziehen sei. J. Grimm, Gesch. der deutschen Spr. I 453
führt das Wort auf got. bilagjan (vgl. 2. Timoth. 1, 6) zurück und konjekturiert
ein gotisches bilageineis, Satzungen.
3 Grimm, WB III 39. Grein, Angels. Sprachschatz I 11. 63.
§ 15. Das Recht und seine Erkenntnisquellen.

v. Amira, Über Zweck und Mittel der germ. Rechtsgeschichte, 1876. Gierke,
Jugend und Altern des Rechts, Deutsche Rundschau 1879. J. Grimm, Poesie im
Recht, Z f. gesch. RW II 25 ff. Gierke, Der Humor im deutschen Rechte, 1871.
Gengler, Germanische Rechtsdenkmäler, Einl. § 6. K. Lehmann, Der Königs-
friede der Nordgermanen, 1886. Bernhöft, Über Zweck und Mittel der ver-
gleichenden Rechtswissenschaft, in dessen Z f. vgl. RW I.

Das Recht gilt als eine ewige Ordnung des Friedens. Aus der
allgemeinen Rechtsüberzeugung als unbewuſster Gesamtwille des Volkes
hervorgehend, wird es auf göttlichen Ursprung zurückgeführt, als Über-
lieferung der Götter betrachtet1. Eng mit Religion und Sitte ver-
wachsen, muſs es in der Urzeit einen ausgeprägt sakralen Charakter
besessen haben, den aber bei den Westgermanen das Christentum so
früh und so gründlich beseitigte, daſs wir nur bei vereinzelten Ein-
richtungen, wie bei der Gerichtshegung, bei gewissen Förmlichkeiten
des Rechtsganges, bei Eiden und Gottesurteilen und im Strafrecht
auf einstigen Zusammenhang zwischen Recht und Glauben zurück-
schlieſsen können.

Als Bezeichnungen der Friedens- und Rechtsordnung, des Rechtes
im objektiven Sinne überliefern uns die germanischen Sprachen die
uralten Ausdrücke lag, êwa und vitoth. Die Wurzel lag ist uns in der
Bedeutung von lex bei den niederdeutschen2 und skandinavischen
Stämmen bezeugt, während das Hochdeutsche den Ausdruck nur in
der Zusammensetzung urlac, fatum, decretum überliefert. Den Nord-
germanen fremd, aber allen Westgermanen gemeinsam ist die Wurzel
unseres Wortes Ehe, gotisch aivs, dem lateinischen aevum entsprechend,
welche im Sinne von lex althochdeutsch als êwa (fem.), friesisch als
â, ê, angelsächsisch als æ und â, altsächsisch als êo (masc.) erscheint3.

1 Nach einer friesischen Sage war es ein Gott, welcher den Rechtsprechern
des Volkes das friesische Recht verkündete. v. Richthofen, Untersuchungen zur
fries. Rechtsgeschichte II 457 ff.
2 Im Altsächsischen, im Friesischen, im Niederländischen (Z2 f. RG IV 237),
im Angelsächsischen, im Nordischen. Englisch law. Graff, Sprachschatz II 96;
v. Richthofen, Fries. WB S 883; Schmid, Gesetze der Ags. S 621. Schiller
und Lübben II 608. Jordanis berichtet c. 11 von den Goten, daſs sie ihre Ge-
setze bellagines nennen (Dicineus eos … propriis legibus vivere fecit, quas usque
nunc conscriptas belagines nuncupant). Es besteht der Zweifel, ob die Nachricht
nicht auf die Geten zu beziehen sei. J. Grimm, Gesch. der deutschen Spr. I 453
führt das Wort auf got. bilagjan (vgl. 2. Timoth. 1, 6) zurück und konjekturiert
ein gotisches bilageineis, Satzungen.
3 Grimm, WB III 39. Grein, Angels. Sprachschatz I 11. 63.
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[109/0127] § 15. Das Recht und seine Erkenntnisquellen. v. Amira, Über Zweck und Mittel der germ. Rechtsgeschichte, 1876. Gierke, Jugend und Altern des Rechts, Deutsche Rundschau 1879. J. Grimm, Poesie im Recht, Z f. gesch. RW II 25 ff. Gierke, Der Humor im deutschen Rechte, 1871. Gengler, Germanische Rechtsdenkmäler, Einl. § 6. K. Lehmann, Der Königs- friede der Nordgermanen, 1886. Bernhöft, Über Zweck und Mittel der ver- gleichenden Rechtswissenschaft, in dessen Z f. vgl. RW I. Das Recht gilt als eine ewige Ordnung des Friedens. Aus der allgemeinen Rechtsüberzeugung als unbewuſster Gesamtwille des Volkes hervorgehend, wird es auf göttlichen Ursprung zurückgeführt, als Über- lieferung der Götter betrachtet 1. Eng mit Religion und Sitte ver- wachsen, muſs es in der Urzeit einen ausgeprägt sakralen Charakter besessen haben, den aber bei den Westgermanen das Christentum so früh und so gründlich beseitigte, daſs wir nur bei vereinzelten Ein- richtungen, wie bei der Gerichtshegung, bei gewissen Förmlichkeiten des Rechtsganges, bei Eiden und Gottesurteilen und im Strafrecht auf einstigen Zusammenhang zwischen Recht und Glauben zurück- schlieſsen können. Als Bezeichnungen der Friedens- und Rechtsordnung, des Rechtes im objektiven Sinne überliefern uns die germanischen Sprachen die uralten Ausdrücke lag, êwa und vitoth. Die Wurzel lag ist uns in der Bedeutung von lex bei den niederdeutschen 2 und skandinavischen Stämmen bezeugt, während das Hochdeutsche den Ausdruck nur in der Zusammensetzung urlac, fatum, decretum überliefert. Den Nord- germanen fremd, aber allen Westgermanen gemeinsam ist die Wurzel unseres Wortes Ehe, gotisch aivs, dem lateinischen aevum entsprechend, welche im Sinne von lex althochdeutsch als êwa (fem.), friesisch als â, ê, angelsächsisch als æ und â, altsächsisch als êo (masc.) erscheint 3. 1 Nach einer friesischen Sage war es ein Gott, welcher den Rechtsprechern des Volkes das friesische Recht verkündete. v. Richthofen, Untersuchungen zur fries. Rechtsgeschichte II 457 ff. 2 Im Altsächsischen, im Friesischen, im Niederländischen (Z2 f. RG IV 237), im Angelsächsischen, im Nordischen. Englisch law. Graff, Sprachschatz II 96; v. Richthofen, Fries. WB S 883; Schmid, Gesetze der Ags. S 621. Schiller und Lübben II 608. Jordanis berichtet c. 11 von den Goten, daſs sie ihre Ge- setze bellagines nennen (Dicineus eos … propriis legibus vivere fecit, quas usque nunc conscriptas belagines nuncupant). Es besteht der Zweifel, ob die Nachricht nicht auf die Geten zu beziehen sei. J. Grimm, Gesch. der deutschen Spr. I 453 führt das Wort auf got. bilagjan (vgl. 2. Timoth. 1, 6) zurück und konjekturiert ein gotisches bilageineis, Satzungen. 3 Grimm, WB III 39. Grein, Angels. Sprachschatz I 11. 63.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/127>, abgerufen am 24.11.2024.