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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

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dringenden Christenthume nur Aergerniss darbot, sollte nun
durch die Vernichtung der Bilder unterdrückt werden. Indem
dies Synesius erzählt, kommt es ihm keineswegs darauf an,
den Stoff, auf dem die Bilder gemalt waren, näher zu be-
stimmen: er will nur witzig sein und spottet über die bunte,
nicht mehr bunte Halle, wie über die Bretter, an denen, so
zu sagen, die Weisheit jener Philosophen klebte, die er aber
selbst, wie gesagt, nie mit eigenen Augen gesehen hatte. --
So dürfen wir denn nach dem ganzen Zusammenhange auf
einen einzelnen spöttischen Ausdruck bei Synesius für die
Entscheidung der vorliegenden Frage kein Gewicht legen.

Noch schwächer scheint mir ein zweites Zeugniss, durch
welches die Geltung der Tafelmalerei auch für die ältere Zeit
bewiesen werden soll, der Ausspruch des Plinius nemlich:
dass es keinen Ruhm für Künstler gebe, ausser für die,
welche "tabulas" gemalt hätten: sed nulla gloria artificum est,
nisi eorum, qui tabulas pinxere1). Wenn je, so ist es hier
nöthig, den ganzen Zusammenhang ins Auge zu fassen.
Plinius sagt etwa folgendes: "Unter andern berühmten Malern
darf ich auch Ludius nicht vergessen: er hat sich durch einen
von ihm erfundenen Decorationsstyl berühmt gemacht. Doch
bildet er freilich nur eine Ausnahme; denn sonst gebührt der
Ruhm doch nur den Künstlern, welche eigentliche Bilder
malten." Dies will ohngefähr eben so viel sagen, als wenn
ein Neuerer schriebe: "Raphael und Giulio Romano haben
zuweilen auch im Decorationsstyl gearbeitet, ja Giovanni da
Udine hat in diesem allein sich seinen Ruhm erworben; aber
dieser Fall bildet nur eine Ausnahme, während sonst diese
Gattung der Malerei nur eine untergeordnete Bedeutung hat."
Dass es sich aber bei Plinius einzig um den Gegensatz zwischen
Decorationsstyl und förmlichen Gemälden handelt, lehren
auch die folgenden Worte: eo venerabilior antiquitatis pru-
dentia adparet; non enim parietes excolebant dominis tantum.
Eben so war es in der neueren Kunst vor Raphael; und doch
malte man gerade damals vorzüglich in Fresco, freilich nicht
in Privathäusern: nondum libebat parietes totos pingere;
wohl aber an öffentlichen Orten, wo die solide Steincon-
struction auch gegen die von Plinius offenbar nur im Hinblick

1) 35, 118.

dringenden Christenthume nur Aergerniss darbot, sollte nun
durch die Vernichtung der Bilder unterdrückt werden. Indem
dies Synesius erzählt, kommt es ihm keineswegs darauf an,
den Stoff, auf dem die Bilder gemalt waren, näher zu be-
stimmen: er will nur witzig sein und spottet über die bunte,
nicht mehr bunte Halle, wie über die Bretter, an denen, so
zu sagen, die Weisheit jener Philosophen klebte, die er aber
selbst, wie gesagt, nie mit eigenen Augen gesehen hatte. —
So dürfen wir denn nach dem ganzen Zusammenhange auf
einen einzelnen spöttischen Ausdruck bei Synesius für die
Entscheidung der vorliegenden Frage kein Gewicht legen.

Noch schwächer scheint mir ein zweites Zeugniss, durch
welches die Geltung der Tafelmalerei auch für die ältere Zeit
bewiesen werden soll, der Ausspruch des Plinius nemlich:
dass es keinen Ruhm für Künstler gebe, ausser für die,
welche „tabulas‟ gemalt hätten: sed nulla gloria artificum est,
nisi eorum, qui tabulas pinxere1). Wenn je, so ist es hier
nöthig, den ganzen Zusammenhang ins Auge zu fassen.
Plinius sagt etwa folgendes: „Unter andern berühmten Malern
darf ich auch Ludius nicht vergessen: er hat sich durch einen
von ihm erfundenen Decorationsstyl berühmt gemacht. Doch
bildet er freilich nur eine Ausnahme; denn sonst gebührt der
Ruhm doch nur den Künstlern, welche eigentliche Bilder
malten.‟ Dies will ohngefähr eben so viel sagen, als wenn
ein Neuerer schriebe: „Raphael und Giulio Romano haben
zuweilen auch im Decorationsstyl gearbeitet, ja Giovanni da
Udine hat in diesem allein sich seinen Ruhm erworben; aber
dieser Fall bildet nur eine Ausnahme, während sonst diese
Gattung der Malerei nur eine untergeordnete Bedeutung hat.‟
Dass es sich aber bei Plinius einzig um den Gegensatz zwischen
Decorationsstyl und förmlichen Gemälden handelt, lehren
auch die folgenden Worte: eo venerabilior antiquitatis pru-
dentia adparet; non enim parietes excolebant dominis tantum.
Eben so war es in der neueren Kunst vor Raphael; und doch
malte man gerade damals vorzüglich in Fresco, freilich nicht
in Privathäusern: nondum libebat parietes totos pingere;
wohl aber an öffentlichen Orten, wo die solide Steincon-
struction auch gegen die von Plinius offenbar nur im Hinblick

1) 35, 118.
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[63/0080] dringenden Christenthume nur Aergerniss darbot, sollte nun durch die Vernichtung der Bilder unterdrückt werden. Indem dies Synesius erzählt, kommt es ihm keineswegs darauf an, den Stoff, auf dem die Bilder gemalt waren, näher zu be- stimmen: er will nur witzig sein und spottet über die bunte, nicht mehr bunte Halle, wie über die Bretter, an denen, so zu sagen, die Weisheit jener Philosophen klebte, die er aber selbst, wie gesagt, nie mit eigenen Augen gesehen hatte. — So dürfen wir denn nach dem ganzen Zusammenhange auf einen einzelnen spöttischen Ausdruck bei Synesius für die Entscheidung der vorliegenden Frage kein Gewicht legen. Noch schwächer scheint mir ein zweites Zeugniss, durch welches die Geltung der Tafelmalerei auch für die ältere Zeit bewiesen werden soll, der Ausspruch des Plinius nemlich: dass es keinen Ruhm für Künstler gebe, ausser für die, welche „tabulas‟ gemalt hätten: sed nulla gloria artificum est, nisi eorum, qui tabulas pinxere 1). Wenn je, so ist es hier nöthig, den ganzen Zusammenhang ins Auge zu fassen. Plinius sagt etwa folgendes: „Unter andern berühmten Malern darf ich auch Ludius nicht vergessen: er hat sich durch einen von ihm erfundenen Decorationsstyl berühmt gemacht. Doch bildet er freilich nur eine Ausnahme; denn sonst gebührt der Ruhm doch nur den Künstlern, welche eigentliche Bilder malten.‟ Dies will ohngefähr eben so viel sagen, als wenn ein Neuerer schriebe: „Raphael und Giulio Romano haben zuweilen auch im Decorationsstyl gearbeitet, ja Giovanni da Udine hat in diesem allein sich seinen Ruhm erworben; aber dieser Fall bildet nur eine Ausnahme, während sonst diese Gattung der Malerei nur eine untergeordnete Bedeutung hat.‟ Dass es sich aber bei Plinius einzig um den Gegensatz zwischen Decorationsstyl und förmlichen Gemälden handelt, lehren auch die folgenden Worte: eo venerabilior antiquitatis pru- dentia adparet; non enim parietes excolebant dominis tantum. Eben so war es in der neueren Kunst vor Raphael; und doch malte man gerade damals vorzüglich in Fresco, freilich nicht in Privathäusern: nondum libebat parietes totos pingere; wohl aber an öffentlichen Orten, wo die solide Steincon- struction auch gegen die von Plinius offenbar nur im Hinblick 1) 35, 118.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/80>, abgerufen am 22.11.2024.