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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

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Einleitung.

Bei dem Mangel einer scharfen Scheidung zwischen Kunst
und Handwerk im Alterthume lässt es sich kaum bestimmen,
ob die Verfertiger und Maler gebrannter Thongefässe je als
eigentliche Künstler betrachtet worden sind. Wenigstens
schweigen darüber unsere schriftlichen Nachrichten: denn
während z. B. von den Steinschneidern doch einzelne we-
gen des Verdienstes ihrer Kunst uns namhaft gemacht wer-
den, hören wir von einigen Vasenfabrikanten nur ganz
zufällig durch Anspielungen der alten Komödie, wo ihres
Gewerbes mehr spöttisch als in ehrender Weise und ganz
ohne Hinweisung auf ein künstlerisches Element gedacht wird,
so von Chaerestratos in den Komasten des Phrynichos bei
Athen. XI, p. 474 B; von Kephalos bei Aristoph. Eccl. 252;
von Hyperbolos: Eq. 1312; cf. Nub. 1065; Pac. 681 mit den
Scholien. Sie sind also für die Kunstgeschichte in keiner
Weise von Bedeutung und ihre Namen sind daher auch erst
wieder in Erinnerung gebracht worden, nachdem die umfas-
senden Entdeckungen gemalten Thongeräthes uns den that-
sächlichen Beweis von der künstlerischen Durchdringung ge-
rade dieses Zweiges des Handwerks bei den Griechen gelie-
fert haben. Allerdings dürfen wir keineswegs alle Erzeug-
nisse desselben als wirkliche Kunstwerke gelten lassen; da-
gegen aber müssen wir anerkennen, dass sie in ihrer Ge-
sammtheit und gerade durch ihre grosse Masse uns ein sehr
klares Abbild von der fortlaufenden Entwickelung des künst-
lerischen Geschmackes zu gewähren im Stande sind, ein Bild
freilich, welches uns nicht durch äussere Zeugnisse fest be-
gründet hingestellt wird, sondern erst aus einer umfassenden

Einleitung.

Bei dem Mangel einer scharfen Scheidung zwischen Kunst
und Handwerk im Alterthume lässt es sich kaum bestimmen,
ob die Verfertiger und Maler gebrannter Thongefässe je als
eigentliche Künstler betrachtet worden sind. Wenigstens
schweigen darüber unsere schriftlichen Nachrichten: denn
während z. B. von den Steinschneidern doch einzelne we-
gen des Verdienstes ihrer Kunst uns namhaft gemacht wer-
den, hören wir von einigen Vasenfabrikanten nur ganz
zufällig durch Anspielungen der alten Komödie, wo ihres
Gewerbes mehr spöttisch als in ehrender Weise und ganz
ohne Hinweisung auf ein künstlerisches Element gedacht wird,
so von Chaerestratos in den Komasten des Phrynichos bei
Athen. XI, p. 474 B; von Kephalos bei Aristoph. Eccl. 252;
von Hyperbolos: Eq. 1312; cf. Nub. 1065; Pac. 681 mit den
Scholien. Sie sind also für die Kunstgeschichte in keiner
Weise von Bedeutung und ihre Namen sind daher auch erst
wieder in Erinnerung gebracht worden, nachdem die umfas-
senden Entdeckungen gemalten Thongeräthes uns den that-
sächlichen Beweis von der künstlerischen Durchdringung ge-
rade dieses Zweiges des Handwerks bei den Griechen gelie-
fert haben. Allerdings dürfen wir keineswegs alle Erzeug-
nisse desselben als wirkliche Kunstwerke gelten lassen; da-
gegen aber müssen wir anerkennen, dass sie in ihrer Ge-
sammtheit und gerade durch ihre grosse Masse uns ein sehr
klares Abbild von der fortlaufenden Entwickelung des künst-
lerischen Geschmackes zu gewähren im Stande sind, ein Bild
freilich, welches uns nicht durch äussere Zeugnisse fest be-
gründet hingestellt wird, sondern erst aus einer umfassenden

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[[641]/0658] Einleitung. Bei dem Mangel einer scharfen Scheidung zwischen Kunst und Handwerk im Alterthume lässt es sich kaum bestimmen, ob die Verfertiger und Maler gebrannter Thongefässe je als eigentliche Künstler betrachtet worden sind. Wenigstens schweigen darüber unsere schriftlichen Nachrichten: denn während z. B. von den Steinschneidern doch einzelne we- gen des Verdienstes ihrer Kunst uns namhaft gemacht wer- den, hören wir von einigen Vasenfabrikanten nur ganz zufällig durch Anspielungen der alten Komödie, wo ihres Gewerbes mehr spöttisch als in ehrender Weise und ganz ohne Hinweisung auf ein künstlerisches Element gedacht wird, so von Chaerestratos in den Komasten des Phrynichos bei Athen. XI, p. 474 B; von Kephalos bei Aristoph. Eccl. 252; von Hyperbolos: Eq. 1312; cf. Nub. 1065; Pac. 681 mit den Scholien. Sie sind also für die Kunstgeschichte in keiner Weise von Bedeutung und ihre Namen sind daher auch erst wieder in Erinnerung gebracht worden, nachdem die umfas- senden Entdeckungen gemalten Thongeräthes uns den that- sächlichen Beweis von der künstlerischen Durchdringung ge- rade dieses Zweiges des Handwerks bei den Griechen gelie- fert haben. Allerdings dürfen wir keineswegs alle Erzeug- nisse desselben als wirkliche Kunstwerke gelten lassen; da- gegen aber müssen wir anerkennen, dass sie in ihrer Ge- sammtheit und gerade durch ihre grosse Masse uns ein sehr klares Abbild von der fortlaufenden Entwickelung des künst- lerischen Geschmackes zu gewähren im Stande sind, ein Bild freilich, welches uns nicht durch äussere Zeugnisse fest be- gründet hingestellt wird, sondern erst aus einer umfassenden

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. [641]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/658>, abgerufen am 24.11.2024.