und eine Widerlegung der ihr entgegengestellten Meinungen an dieser Stelle gewiss gerechtfertigt.
Die Summe meiner Erörterungen lässt sich etwa in folgenden Sätzen kurz zusammenfassen: In den Nachrichten der Alten, welche man bisher auf zwei samische Künstler, Namens Theodoros, bezog, handelt es sich nur um eine ein- zige Person. Dieser Theodoros, ein Sohn des Telekles, arbeitet vielfach in Gemeinschaft mit Rhoekos, dem Sohne des Phileas, wenn auch vielleicht als etwas jüngerer Zeit- genosse desselben; und die Thätigkeit dieser beiden Künst- ler fällt der Hauptsache nach in die fünfziger Olympiaden. Urlichs dagegen vertheidigt folgendes zuerst von Müller aufgestellte Schema:
Rhökos | Theodoros I, Telekles | Theodoros II.
Rhökos soll vor Ol. 40, seine Söhne gegen Ol. 50, der zweite Theodoros gegen Ol. 60 geblüht haben. Den Be- weis für diese Annahme sucht Urlichs zunächst durch ein- gehende Erörterungen über die Geschichte namentlich der Tempelbauten des Rhökos und Theodoros zu liefern, und mit ihrer Prüfung wollen auch wir darum beginnen.
Der Tempel der Hera zu Samos war ein Werk des Rhökos. Für das Alter desselben sollen namentlich die Weihgeschenke bemerkenswerth sein, welche Herodot an verschiedenen Stellen erwähnt. Das älteste darunter ist ein eherner Kessel, auf drei knieende Kolosse gestützt, welchen die Samier wegen der glücklichen Seefahrt des Koläos nach Tartessos um Ol. 37 in dem Heräon aufstellten: IV, 152. Damals müsse also der Tempel, wenn auch nicht vollendet, doch begonnen gewesen sein; ja jenes Geschenk sei mög- licher Weise ein Werk des Rhökos und Theodoros, der Er- finder des Erzgusses. Dieser Schlussfolgerung muss ich bestimmt widersprechen: denn was von dem Heräon im All- gemeinen gesagt wird, bezieht sich noch keineswegs mit Nothwendigkeit auf den Tempel des Rhökos; das Heiligthum bestand gewiss schon lange vor diesem Künstler; und das Vorhandensein älterer Weihgeschenke beweist daher nichts
und eine Widerlegung der ihr entgegengestellten Meinungen an dieser Stelle gewiss gerechtfertigt.
Die Summe meiner Erörterungen lässt sich etwa in folgenden Sätzen kurz zusammenfassen: In den Nachrichten der Alten, welche man bisher auf zwei samische Künstler, Namens Theodoros, bezog, handelt es sich nur um eine ein- zige Person. Dieser Theodoros, ein Sohn des Telekles, arbeitet vielfach in Gemeinschaft mit Rhoekos, dem Sohne des Phileas, wenn auch vielleicht als etwas jüngerer Zeit- genosse desselben; und die Thätigkeit dieser beiden Künst- ler fällt der Hauptsache nach in die fünfziger Olympiaden. Urlichs dagegen vertheidigt folgendes zuerst von Müller aufgestellte Schema:
Rhökos | Theodoros I, Telekles | Theodoros II.
Rhökos soll vor Ol. 40, seine Söhne gegen Ol. 50, der zweite Theodoros gegen Ol. 60 geblüht haben. Den Be- weis für diese Annahme sucht Urlichs zunächst durch ein- gehende Erörterungen über die Geschichte namentlich der Tempelbauten des Rhökos und Theodoros zu liefern, und mit ihrer Prüfung wollen auch wir darum beginnen.
Der Tempel der Hera zu Samos war ein Werk des Rhökos. Für das Alter desselben sollen namentlich die Weihgeschenke bemerkenswerth sein, welche Herodot an verschiedenen Stellen erwähnt. Das älteste darunter ist ein eherner Kessel, auf drei knieende Kolosse gestützt, welchen die Samier wegen der glücklichen Seefahrt des Koläos nach Tartessos um Ol. 37 in dem Heräon aufstellten: IV, 152. Damals müsse also der Tempel, wenn auch nicht vollendet, doch begonnen gewesen sein; ja jenes Geschenk sei mög- licher Weise ein Werk des Rhökos und Theodoros, der Er- finder des Erzgusses. Dieser Schlussfolgerung muss ich bestimmt widersprechen: denn was von dem Heräon im All- gemeinen gesagt wird, bezieht sich noch keineswegs mit Nothwendigkeit auf den Tempel des Rhökos; das Heiligthum bestand gewiss schon lange vor diesem Künstler; und das Vorhandensein älterer Weihgeschenke beweist daher nichts
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und eine Widerlegung der ihr entgegengestellten Meinungen
an dieser Stelle gewiss gerechtfertigt.
Die Summe meiner Erörterungen lässt sich etwa in
folgenden Sätzen kurz zusammenfassen: In den Nachrichten
der Alten, welche man bisher auf zwei samische Künstler,
Namens Theodoros, bezog, handelt es sich nur um eine ein-
zige Person. Dieser Theodoros, ein Sohn des Telekles,
arbeitet vielfach in Gemeinschaft mit Rhoekos, dem Sohne
des Phileas, wenn auch vielleicht als etwas jüngerer Zeit-
genosse desselben; und die Thätigkeit dieser beiden Künst-
ler fällt der Hauptsache nach in die fünfziger Olympiaden.
Urlichs dagegen vertheidigt folgendes zuerst von Müller
aufgestellte Schema:
Rhökos
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Theodoros I, Telekles
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Theodoros II.
Rhökos soll vor Ol. 40, seine Söhne gegen Ol. 50, der
zweite Theodoros gegen Ol. 60 geblüht haben. Den Be-
weis für diese Annahme sucht Urlichs zunächst durch ein-
gehende Erörterungen über die Geschichte namentlich der
Tempelbauten des Rhökos und Theodoros zu liefern, und
mit ihrer Prüfung wollen auch wir darum beginnen.
Der Tempel der Hera zu Samos war ein Werk des
Rhökos. Für das Alter desselben sollen namentlich die
Weihgeschenke bemerkenswerth sein, welche Herodot an
verschiedenen Stellen erwähnt. Das älteste darunter ist ein
eherner Kessel, auf drei knieende Kolosse gestützt, welchen
die Samier wegen der glücklichen Seefahrt des Koläos nach
Tartessos um Ol. 37 in dem Heräon aufstellten: IV, 152.
Damals müsse also der Tempel, wenn auch nicht vollendet,
doch begonnen gewesen sein; ja jenes Geschenk sei mög-
licher Weise ein Werk des Rhökos und Theodoros, der Er-
finder des Erzgusses. Dieser Schlussfolgerung muss ich
bestimmt widersprechen: denn was von dem Heräon im All-
gemeinen gesagt wird, bezieht sich noch keineswegs mit
Nothwendigkeit auf den Tempel des Rhökos; das Heiligthum
bestand gewiss schon lange vor diesem Künstler; und das
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen … [mehr]
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen Künstler" von Heinrich von Brunn enthält ebenfalls den "Zweiten Teil der ersten Abteilung", die im Deutschen Textarchiv als eigenständiges Werk verzeichnet ist.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/398>, abgerufen am 24.11.2024.
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