Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

Nebenbuhler dahin, dass er es thue, weil diese Art der Ma-
lerei (nemlich die Enkaustik) langsam von Statten gehe. Um
sich daher auch den Ruf der Schnelligkeit zu erwerben, voll-
endete er in einem Tage ein Bildchen, einen Knaben dar-
stellend, das deshalb den Namen Hemeresios, das Eintags-
bild, erhielt. In seiner Jugend liebte er seine Landsmännin
Glykera, eine Kränzebinderin; und indem er im Wetteifer
sie nachahmte, brachte er diesen Kunstzweig zur reichsten
Mannigfaltigkeit in Zusammenstellung der Blumen. Schliess-
lich malte er sie selbst mit einem Kranze sitzend, und dieses,
eines seiner berühmtesten Gemälde, ward Stephanoplokos,
die Kränzewinderin, genannt, von andern Stephanopolis, die
Kränzeverkäuferin, weil Glykera durch den Verkauf von
Kränzen sich in ihrer Armuth unterhalten hatte. Ein Exem-
plar dieses Gemäldes, welches man apographon nennt (viel-
leicht wegen des hohen Preises nicht eine blosse Copie,
sondern eine Wiederholung von der Hand des Künstlers),
kaufte L. Lucullus für zwei Talente an den Dionysien zu
Athen. Pausias malte aber auch grosse Gemälde, wie das
im Porticus des Pompeius aufgestellte Stieropfer. Dieses
Gemälde (oder: diese Art zu componiren) erfand er zuerst;
nachher haben viele sie nachgeahmt, keiner erreicht. Vor
allem, indem er wollte, dass sich die Länge des Stieres
zeige, malte er ihn von vorn, nicht von der Seite; und doch
erkennt man hinlänglich seine Ausdehnung. Während man
sonst ferner, was hervortretend erscheinen soll, mit leichter
Farbe anzulegen und mit dunkler zu decken pflegt, machte er
den ganzen Stier von schwarzer Farbe und gab dem Körper
Schatten aus sich selbst; und doch liess die Vortrefflichkeit
der Kunst auf der Fläche alles hervortretend und in der ge-
brochenen Verkürzung zusammenhängend erscheinen. Auch
er lebte zu Sikyon, und lange war dies das Vaterland der
Malerei; alle öffentlichen wegen der Staatsschuld zum Ver-
kauf gebrachten Gemälde versetzte die Aedilität des Scaurus
von dort nach Rom."

Ausser dieser höchst bedeutenden, aber der Erklärung
vielfach bedürftigen Stelle verdient hier zunächst nur eine
Nachricht des Pausanias1) Berücksichtigung:

1) II, 273.
Brunn, Geschichte der griech. Künstler. II. 10

Nebenbuhler dahin, dass er es thue, weil diese Art der Ma-
lerei (nemlich die Enkaustik) langsam von Statten gehe. Um
sich daher auch den Ruf der Schnelligkeit zu erwerben, voll-
endete er in einem Tage ein Bildchen, einen Knaben dar-
stellend, das deshalb den Namen Hemeresios, das Eintags-
bild, erhielt. In seiner Jugend liebte er seine Landsmännin
Glykera, eine Kränzebinderin; und indem er im Wetteifer
sie nachahmte, brachte er diesen Kunstzweig zur reichsten
Mannigfaltigkeit in Zusammenstellung der Blumen. Schliess-
lich malte er sie selbst mit einem Kranze sitzend, und dieses,
eines seiner berühmtesten Gemälde, ward Stephanoplokos,
die Kränzewinderin, genannt, von andern Stephanopolis, die
Kränzeverkäuferin, weil Glykera durch den Verkauf von
Kränzen sich in ihrer Armuth unterhalten hatte. Ein Exem-
plar dieses Gemäldes, welches man apographon nennt (viel-
leicht wegen des hohen Preises nicht eine blosse Copie,
sondern eine Wiederholung von der Hand des Künstlers),
kaufte L. Lucullus für zwei Talente an den Dionysien zu
Athen. Pausias malte aber auch grosse Gemälde, wie das
im Porticus des Pompeius aufgestellte Stieropfer. Dieses
Gemälde (oder: diese Art zu componiren) erfand er zuerst;
nachher haben viele sie nachgeahmt, keiner erreicht. Vor
allem, indem er wollte, dass sich die Länge des Stieres
zeige, malte er ihn von vorn, nicht von der Seite; und doch
erkennt man hinlänglich seine Ausdehnung. Während man
sonst ferner, was hervortretend erscheinen soll, mit leichter
Farbe anzulegen und mit dunkler zu decken pflegt, machte er
den ganzen Stier von schwarzer Farbe und gab dem Körper
Schatten aus sich selbst; und doch liess die Vortrefflichkeit
der Kunst auf der Fläche alles hervortretend und in der ge-
brochenen Verkürzung zusammenhängend erscheinen. Auch
er lebte zu Sikyon, und lange war dies das Vaterland der
Malerei; alle öffentlichen wegen der Staatsschuld zum Ver-
kauf gebrachten Gemälde versetzte die Aedilität des Scaurus
von dort nach Rom.‟

Ausser dieser höchst bedeutenden, aber der Erklärung
vielfach bedürftigen Stelle verdient hier zunächst nur eine
Nachricht des Pausanias1) Berücksichtigung:

1) II, 273.
Brunn, Geschichte der griech. Künstler. II. 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0162" n="145"/>
Nebenbuhler dahin, dass er es thue, weil diese Art der Ma-<lb/>
lerei (nemlich die Enkaustik) langsam von Statten gehe. Um<lb/>
sich daher auch den Ruf der Schnelligkeit zu erwerben, voll-<lb/>
endete er in einem Tage ein Bildchen, einen Knaben dar-<lb/>
stellend, das deshalb den Namen Hemeresios, das Eintags-<lb/>
bild, erhielt. In seiner Jugend liebte er seine Landsmännin<lb/>
Glykera, eine Kränzebinderin; und indem er im Wetteifer<lb/>
sie nachahmte, brachte er diesen Kunstzweig zur reichsten<lb/>
Mannigfaltigkeit in Zusammenstellung der Blumen. Schliess-<lb/>
lich malte er sie selbst mit einem Kranze sitzend, und dieses,<lb/>
eines seiner berühmtesten Gemälde, ward Stephanoplokos,<lb/>
die Kränzewinderin, genannt, von andern Stephanopolis, die<lb/>
Kränzeverkäuferin, weil Glykera durch den Verkauf von<lb/>
Kränzen sich in ihrer Armuth unterhalten hatte. Ein Exem-<lb/>
plar dieses Gemäldes, welches man apographon nennt (viel-<lb/>
leicht wegen des hohen Preises nicht eine blosse Copie,<lb/>
sondern eine Wiederholung von der Hand des Künstlers),<lb/>
kaufte L. Lucullus für zwei Talente an den Dionysien zu<lb/>
Athen. Pausias malte aber auch grosse Gemälde, wie das<lb/>
im Porticus des Pompeius aufgestellte Stieropfer. Dieses<lb/>
Gemälde (oder: diese Art zu componiren) erfand er zuerst;<lb/>
nachher haben viele sie nachgeahmt, keiner erreicht. Vor<lb/>
allem, indem er wollte, dass sich die Länge des Stieres<lb/>
zeige, malte er ihn von vorn, nicht von der Seite; und doch<lb/>
erkennt man hinlänglich seine Ausdehnung. Während man<lb/>
sonst ferner, was hervortretend erscheinen soll, mit leichter<lb/>
Farbe anzulegen und mit dunkler zu decken pflegt, machte er<lb/>
den ganzen Stier von schwarzer Farbe und gab dem Körper<lb/>
Schatten aus sich selbst; und doch liess die Vortrefflichkeit<lb/>
der Kunst auf der Fläche alles hervortretend und in der ge-<lb/>
brochenen Verkürzung zusammenhängend erscheinen. Auch<lb/>
er lebte zu Sikyon, und lange war dies das Vaterland der<lb/>
Malerei; alle öffentlichen wegen der Staatsschuld zum Ver-<lb/>
kauf gebrachten Gemälde versetzte die Aedilität des Scaurus<lb/>
von dort nach Rom.&#x201F;</p><lb/>
              <p>Ausser dieser höchst bedeutenden, aber der Erklärung<lb/>
vielfach bedürftigen Stelle verdient hier zunächst nur eine<lb/>
Nachricht des Pausanias<note place="foot" n="1)">II, 273.</note> Berücksichtigung:</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Brunn,</hi> Geschichte der griech. Künstler. II.</hi> 10</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0162] Nebenbuhler dahin, dass er es thue, weil diese Art der Ma- lerei (nemlich die Enkaustik) langsam von Statten gehe. Um sich daher auch den Ruf der Schnelligkeit zu erwerben, voll- endete er in einem Tage ein Bildchen, einen Knaben dar- stellend, das deshalb den Namen Hemeresios, das Eintags- bild, erhielt. In seiner Jugend liebte er seine Landsmännin Glykera, eine Kränzebinderin; und indem er im Wetteifer sie nachahmte, brachte er diesen Kunstzweig zur reichsten Mannigfaltigkeit in Zusammenstellung der Blumen. Schliess- lich malte er sie selbst mit einem Kranze sitzend, und dieses, eines seiner berühmtesten Gemälde, ward Stephanoplokos, die Kränzewinderin, genannt, von andern Stephanopolis, die Kränzeverkäuferin, weil Glykera durch den Verkauf von Kränzen sich in ihrer Armuth unterhalten hatte. Ein Exem- plar dieses Gemäldes, welches man apographon nennt (viel- leicht wegen des hohen Preises nicht eine blosse Copie, sondern eine Wiederholung von der Hand des Künstlers), kaufte L. Lucullus für zwei Talente an den Dionysien zu Athen. Pausias malte aber auch grosse Gemälde, wie das im Porticus des Pompeius aufgestellte Stieropfer. Dieses Gemälde (oder: diese Art zu componiren) erfand er zuerst; nachher haben viele sie nachgeahmt, keiner erreicht. Vor allem, indem er wollte, dass sich die Länge des Stieres zeige, malte er ihn von vorn, nicht von der Seite; und doch erkennt man hinlänglich seine Ausdehnung. Während man sonst ferner, was hervortretend erscheinen soll, mit leichter Farbe anzulegen und mit dunkler zu decken pflegt, machte er den ganzen Stier von schwarzer Farbe und gab dem Körper Schatten aus sich selbst; und doch liess die Vortrefflichkeit der Kunst auf der Fläche alles hervortretend und in der ge- brochenen Verkürzung zusammenhängend erscheinen. Auch er lebte zu Sikyon, und lange war dies das Vaterland der Malerei; alle öffentlichen wegen der Staatsschuld zum Ver- kauf gebrachten Gemälde versetzte die Aedilität des Scaurus von dort nach Rom.‟ Ausser dieser höchst bedeutenden, aber der Erklärung vielfach bedürftigen Stelle verdient hier zunächst nur eine Nachricht des Pausanias 1) Berücksichtigung: 1) II, 273. Brunn, Geschichte der griech. Künstler. II. 10

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der zweite Band der "Geschichte der griechischen … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/162
Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/162>, abgerufen am 04.12.2024.