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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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auf Privatwohnungen befürchtete Feuersgefahr Sicherheit ge-
währte. -- "Aber," erwiedern vielleicht die Gegner der
Wandmalerei, "Plinius sagt doch ausdrücklich, dass nur die
berühmt geworden, welche tabulas, Tafelbilder gemalt." Wenn
denn so grosser Werth auf diesen Ausdruck gelegt wird, so
mag er immerhin in seiner engsten Bedeutung gefasst werden.
Wenn man aber darauf bauend etwa weiter schliessen will:
Polygnot sei doch gewiss ein berühmter Künstler gewesen,
den auch Plinius anerkenne, und müsse daher seinen Ruhm
durch Tafelgemälde erworben haben; so muss ich dieser Fol-
gerung bestimmt widersprechen. Der hohe Ruhm des Po-
lygnot beruhet keineswegs auf dem Zeugnisse des Plinius.
Dieser nennt ihn zwar schon berühmt, rechnet ihn aber doch
nicht zu den Sternen erster Grösse: lumina artis; und nach
seinem Urtheil erscheint Apollodor als ein Künstler von hö-
herem Werthe, als Polygnot; was gerade darin seinen Grund
hat, dass dieser nicht, wie jener, tabulas, Tafelgemälde
malte. Es ist in dieser Beziehung dem Polygnot ähnlich er-
gangen, wie den Künstlern der Mosaiken in den Kirchen des
Mittelalters, von denen einige wenigstens in Bezug auf wür-
devollen Ernst eine gewisse Vergleichung mit Polygnot zu-
lassen. Nur bei gelehrten Forschern finden sie einigermassen
Anerkennung. Ja sogar Meister wie Giotto, deren Ruhm in
Italien nach den Studien der letzten Jahrzehnte so fest be-
gründet erscheint, wurden noch von Raphael Mengs nicht
einmal einiger Aufmerksamkeit werth geachtet, und auch
jetzt noch stehen sie bei der Masse der Liebhaber in andern
Ländern an Ruhm denen des 16ten und 17ten Jahrhunderts
weit nach. Der Grund davon liegt sicherlich nicht allein in
der Alterthümlichkeit der ersteren, sondern darin, dass die
Anschauung gerade ihrer bedeutendsten Schöpfungen nicht
weit verbreitet ist, während mit den Staffeleibildern der Spä-
teren alle Galerien Europa's angefüllt sind. Ganz ähnlich
verhielt es sich mit Polygnot. Plinius führt von ihm ein ein-
ziges Bild als in Rom befindlich an; und wer weiss, ob
dieses nicht etwa nur ein Bruchstück aus einer grösseren
Composition war? Von allen seinen Genossen aber scheint
durchaus nichts nach Rom gelangt zu sein, obgleich die
Kunstwerke massenweise aus Griechenland nach Rom ver-
pflanzt wurden, und in Rom der Geschmack an Alterthüm-

auf Privatwohnungen befürchtete Feuersgefahr Sicherheit ge-
währte. — „Aber,“ erwiedern vielleicht die Gegner der
Wandmalerei, „Plinius sagt doch ausdrücklich, dass nur die
berühmt geworden, welche tabulas, Tafelbilder gemalt.“ Wenn
denn so grosser Werth auf diesen Ausdruck gelegt wird, so
mag er immerhin in seiner engsten Bedeutung gefasst werden.
Wenn man aber darauf bauend etwa weiter schliessen will:
Polygnot sei doch gewiss ein berühmter Künstler gewesen,
den auch Plinius anerkenne, und müsse daher seinen Ruhm
durch Tafelgemälde erworben haben; so muss ich dieser Fol-
gerung bestimmt widersprechen. Der hohe Ruhm des Po-
lygnot beruhet keineswegs auf dem Zeugnisse des Plinius.
Dieser nennt ihn zwar schon berühmt, rechnet ihn aber doch
nicht zu den Sternen erster Grösse: lumina artis; und nach
seinem Urtheil erscheint Apollodor als ein Künstler von hö-
herem Werthe, als Polygnot; was gerade darin seinen Grund
hat, dass dieser nicht, wie jener, tabulas, Tafelgemälde
malte. Es ist in dieser Beziehung dem Polygnot ähnlich er-
gangen, wie den Künstlern der Mosaiken in den Kirchen des
Mittelalters, von denen einige wenigstens in Bezug auf wür-
devollen Ernst eine gewisse Vergleichung mit Polygnot zu-
lassen. Nur bei gelehrten Forschern finden sie einigermassen
Anerkennung. Ja sogar Meister wie Giotto, deren Ruhm in
Italien nach den Studien der letzten Jahrzehnte so fest be-
gründet erscheint, wurden noch von Raphael Mengs nicht
einmal einiger Aufmerksamkeit werth geachtet, und auch
jetzt noch stehen sie bei der Masse der Liebhaber in andern
Ländern an Ruhm denen des 16ten und 17ten Jahrhunderts
weit nach. Der Grund davon liegt sicherlich nicht allein in
der Alterthümlichkeit der ersteren, sondern darin, dass die
Anschauung gerade ihrer bedeutendsten Schöpfungen nicht
weit verbreitet ist, während mit den Staffeleibildern der Spä-
teren alle Galerien Europa’s angefüllt sind. Ganz ähnlich
verhielt es sich mit Polygnot. Plinius führt von ihm ein ein-
ziges Bild als in Rom befindlich an; und wer weiss, ob
dieses nicht etwa nur ein Bruchstück aus einer grösseren
Composition war? Von allen seinen Genossen aber scheint
durchaus nichts nach Rom gelangt zu sein, obgleich die
Kunstwerke massenweise aus Griechenland nach Rom ver-
pflanzt wurden, und in Rom der Geschmack an Alterthüm-

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[64/0072] auf Privatwohnungen befürchtete Feuersgefahr Sicherheit ge- währte. — „Aber,“ erwiedern vielleicht die Gegner der Wandmalerei, „Plinius sagt doch ausdrücklich, dass nur die berühmt geworden, welche tabulas, Tafelbilder gemalt.“ Wenn denn so grosser Werth auf diesen Ausdruck gelegt wird, so mag er immerhin in seiner engsten Bedeutung gefasst werden. Wenn man aber darauf bauend etwa weiter schliessen will: Polygnot sei doch gewiss ein berühmter Künstler gewesen, den auch Plinius anerkenne, und müsse daher seinen Ruhm durch Tafelgemälde erworben haben; so muss ich dieser Fol- gerung bestimmt widersprechen. Der hohe Ruhm des Po- lygnot beruhet keineswegs auf dem Zeugnisse des Plinius. Dieser nennt ihn zwar schon berühmt, rechnet ihn aber doch nicht zu den Sternen erster Grösse: lumina artis; und nach seinem Urtheil erscheint Apollodor als ein Künstler von hö- herem Werthe, als Polygnot; was gerade darin seinen Grund hat, dass dieser nicht, wie jener, tabulas, Tafelgemälde malte. Es ist in dieser Beziehung dem Polygnot ähnlich er- gangen, wie den Künstlern der Mosaiken in den Kirchen des Mittelalters, von denen einige wenigstens in Bezug auf wür- devollen Ernst eine gewisse Vergleichung mit Polygnot zu- lassen. Nur bei gelehrten Forschern finden sie einigermassen Anerkennung. Ja sogar Meister wie Giotto, deren Ruhm in Italien nach den Studien der letzten Jahrzehnte so fest be- gründet erscheint, wurden noch von Raphael Mengs nicht einmal einiger Aufmerksamkeit werth geachtet, und auch jetzt noch stehen sie bei der Masse der Liebhaber in andern Ländern an Ruhm denen des 16ten und 17ten Jahrhunderts weit nach. Der Grund davon liegt sicherlich nicht allein in der Alterthümlichkeit der ersteren, sondern darin, dass die Anschauung gerade ihrer bedeutendsten Schöpfungen nicht weit verbreitet ist, während mit den Staffeleibildern der Spä- teren alle Galerien Europa’s angefüllt sind. Ganz ähnlich verhielt es sich mit Polygnot. Plinius führt von ihm ein ein- ziges Bild als in Rom befindlich an; und wer weiss, ob dieses nicht etwa nur ein Bruchstück aus einer grösseren Composition war? Von allen seinen Genossen aber scheint durchaus nichts nach Rom gelangt zu sein, obgleich die Kunstwerke massenweise aus Griechenland nach Rom ver- pflanzt wurden, und in Rom der Geschmack an Alterthüm-

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/72>, abgerufen am 27.11.2024.