mögen, so vermochten sie doch, wo selbst materiell noch so grosse Schwierigkeiten zu überwinden waren, nicht sogleich alle Keime zu völliger Entfaltung zu bringen. Es sind zu- nächst einzelne Individualitäten, die sich aus sich selbst herausbilden, die aber eben, weil ihre Bestrebungen mehr subjectiver Art sind, ziemlich vereinzelt dastehen, ohne so- fort der nachfolgenden Entwickelung feste und bestimmte Bahnen anzuweisen. Wohl aber bereiten sie dieselbe vor, indem ihre Leistungen in umfassender Weise anregen und namentlich darauf hinwirken mussten, dass man sich von den Bedingungen und Forderungen rein malerischer Darstel- lung bestimmtere Rechenschaft zu geben suchte. So tritt denn die folgende Periode keineswegs in einen bestimmten Gegensatz zu ihnen; aber eben so wenig knüpft sie direct an sie an. Im Besitze der Mittel, welche sie, so zu sagen, von ihrer Vorgängerin ererbt hat, beginnt sie alsbald ihre eigenen Wege einzuschlagen. Sie verfolgt nicht, so natür- lich dies auch scheinen musste, den Gegensatz der Farbe und der Form, wie er in den Bestrebungen des Zeuxis und Parrhasios sich ausgebildet hatte, sondern gliedert sich zu- nächst nach den zwei hauptsächlichsten Seiten künstlerischer Geistesthätigkeit überhaupt; indem sich eine mehr auf unmit- telbarer Anschauung und Auffassung der Natur beruhende, und eine mehr reflectirende, aus der Beobachtung auf die Gesetze des Seins zurückschliessende Richtung von einander scheiden. In diesem Sinne treten sich die thebanisch-attische und die sikyonische Schule gegenüber, so dass sich also hier auf dem Gebiete der Malerei dieselbe Erscheinung wie- derholt, welche wir bereits in der Geschichte der Bildhauer zu beobachten Gelegenheit hatten.
Besonders deutlich offenbart sich die Wechselwirkung zwischen beiden Künsten in der sikyonischen Schule: wussten wir doch die Bestrebungen des Pamphilos nicht besser zu er- klären, als durch eine Vergleichung mit denen des Polyklet. Der Ruhm der sikyonischen Maler beruht nicht auf ein- zelnen Werken, welche durch eine in die Augen springende Genialität der Auffassung, durch überraschende Schilderung psychologischer Zustände oder pathetischer Affecte Bewun- derung erregt hätten: den Epigrammendichtern, welche der- artige Verdienste so bereitwillig zu preisen pflegten, boten
mögen, so vermochten sie doch, wo selbst materiell noch so grosse Schwierigkeiten zu überwinden waren, nicht sogleich alle Keime zu völliger Entfaltung zu bringen. Es sind zu- nächst einzelne Individualitäten, die sich aus sich selbst herausbilden, die aber eben, weil ihre Bestrebungen mehr subjectiver Art sind, ziemlich vereinzelt dastehen, ohne so- fort der nachfolgenden Entwickelung feste und bestimmte Bahnen anzuweisen. Wohl aber bereiten sie dieselbe vor, indem ihre Leistungen in umfassender Weise anregen und namentlich darauf hinwirken mussten, dass man sich von den Bedingungen und Forderungen rein malerischer Darstel- lung bestimmtere Rechenschaft zu geben suchte. So tritt denn die folgende Periode keineswegs in einen bestimmten Gegensatz zu ihnen; aber eben so wenig knüpft sie direct an sie an. Im Besitze der Mittel, welche sie, so zu sagen, von ihrer Vorgängerin ererbt hat, beginnt sie alsbald ihre eigenen Wege einzuschlagen. Sie verfolgt nicht, so natür- lich dies auch scheinen musste, den Gegensatz der Farbe und der Form, wie er in den Bestrebungen des Zeuxis und Parrhasios sich ausgebildet hatte, sondern gliedert sich zu- nächst nach den zwei hauptsächlichsten Seiten künstlerischer Geistesthätigkeit überhaupt; indem sich eine mehr auf unmit- telbarer Anschauung und Auffassung der Natur beruhende, und eine mehr reflectirende, aus der Beobachtung auf die Gesetze des Seins zurückschliessende Richtung von einander scheiden. In diesem Sinne treten sich die thebanisch-attische und die sikyonische Schule gegenüber, so dass sich also hier auf dem Gebiete der Malerei dieselbe Erscheinung wie- derholt, welche wir bereits in der Geschichte der Bildhauer zu beobachten Gelegenheit hatten.
Besonders deutlich offenbart sich die Wechselwirkung zwischen beiden Künsten in der sikyonischen Schule: wussten wir doch die Bestrebungen des Pamphilos nicht besser zu er- klären, als durch eine Vergleichung mit denen des Polyklet. Der Ruhm der sikyonischen Maler beruht nicht auf ein- zelnen Werken, welche durch eine in die Augen springende Genialität der Auffassung, durch überraschende Schilderung psychologischer Zustände oder pathetischer Affecte Bewun- derung erregt hätten: den Epigrammendichtern, welche der- artige Verdienste so bereitwillig zu preisen pflegten, boten
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mögen, so vermochten sie doch, wo selbst materiell noch so
grosse Schwierigkeiten zu überwinden waren, nicht sogleich
alle Keime zu völliger Entfaltung zu bringen. Es sind zu-
nächst einzelne Individualitäten, die sich aus sich selbst
herausbilden, die aber eben, weil ihre Bestrebungen mehr
subjectiver Art sind, ziemlich vereinzelt dastehen, ohne so-
fort der nachfolgenden Entwickelung feste und bestimmte
Bahnen anzuweisen. Wohl aber bereiten sie dieselbe vor,
indem ihre Leistungen in umfassender Weise anregen und
namentlich darauf hinwirken mussten, dass man sich von
den Bedingungen und Forderungen rein malerischer Darstel-
lung bestimmtere Rechenschaft zu geben suchte. So tritt
denn die folgende Periode keineswegs in einen bestimmten
Gegensatz zu ihnen; aber eben so wenig knüpft sie direct
an sie an. Im Besitze der Mittel, welche sie, so zu sagen,
von ihrer Vorgängerin ererbt hat, beginnt sie alsbald ihre
eigenen Wege einzuschlagen. Sie verfolgt nicht, so natür-
lich dies auch scheinen musste, den Gegensatz der Farbe
und der Form, wie er in den Bestrebungen des Zeuxis und
Parrhasios sich ausgebildet hatte, sondern gliedert sich zu-
nächst nach den zwei hauptsächlichsten Seiten künstlerischer
Geistesthätigkeit überhaupt; indem sich eine mehr auf unmit-
telbarer Anschauung und Auffassung der Natur beruhende,
und eine mehr reflectirende, aus der Beobachtung auf die
Gesetze des Seins zurückschliessende Richtung von einander
scheiden. In diesem Sinne treten sich die thebanisch-attische
und die sikyonische Schule gegenüber, so dass sich also
hier auf dem Gebiete der Malerei dieselbe Erscheinung wie-
derholt, welche wir bereits in der Geschichte der Bildhauer
zu beobachten Gelegenheit hatten.
Besonders deutlich offenbart sich die Wechselwirkung
zwischen beiden Künsten in der sikyonischen Schule: wussten
wir doch die Bestrebungen des Pamphilos nicht besser zu er-
klären, als durch eine Vergleichung mit denen des Polyklet.
Der Ruhm der sikyonischen Maler beruht nicht auf ein-
zelnen Werken, welche durch eine in die Augen springende
Genialität der Auffassung, durch überraschende Schilderung
psychologischer Zustände oder pathetischer Affecte Bewun-
derung erregt hätten: den Epigrammendichtern, welche der-
artige Verdienste so bereitwillig zu preisen pflegten, boten
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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/271>, abgerufen am 28.11.2024.
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