und poetischen Gehalte, als in der vollendeten künstlerischen Durchführung ihrer Werke zu suchen sei, welche die Illusion bis zur höchsten Spitze getrieben hatte. So sagt denn Petro- nius, 1) man könne "die Studien des Protogenes, die mit der Wahrheit der Natur selbst wetteifern, nicht ohne eine gewisse Scheu betrachten:" Protogenis rudimenta cum ipsius naturae veritate certantia non sine quodam horrore tractavi. So will der Künstler bei dem Schaume am Hunde neben Jalysos uns die Kunstmässigkeit (artem) so gänzlich vergessen machen, dass wir die Wirklichkeit vor Augen zu haben glauben sollen. Und so bewundert auch der grosse Haufe vor Allem die Natürlichkeit an dem Rebhuhn neben dem Satyr. Aus allen diesen Notizen lernen wir indessen immer noch nicht die Mittel kennen, durch welche er diese Erfolge erreichte. Fragen wir nach der Zeichnung, so erhalten wir keine Ant- wort ausser der Anekdote über seinen Wettstreit mit Apelles, aus welcher wir allerdings auf eine grosse Sicherheit und Fein- heit in der Führung des Pinsels schliessen müssen. Hinsichtlich der Farbe zeigt sich derselbe Mangel an Nachrichten: denn was will es bedeuten, wenn Cicero 2) den Protogenes neben Apelles, Aetion, Nicomachos den ältern Malern, welche nur die vier Farben angewendet, als vollendet in allen Beziehungen gegenüberstellt? Auch daraus, dass er den Jalysos viermal übermalte, können wir auf das Colorit keinen Schluss ma- chen. Wenn wir nun endlich hören, dass er auch Theore- tiker war und über die Kunst schrieb, so sehen wir darin allerdings einen neuen Beweis für den Fleiss und die Sorg- falt des Künstlers, welcher auch nach dieser Seite hin seine Aufgabe gründlich durcharbeiten will; worauf aber sich vor- zugsweise seine Aufmerksamkeit richtete, das lehrt uns auch der Titel seiner Schriften nicht, da der eine Ausdruck: peri- graphikes sich ganz allgemein auf Zeichnen und Malen bezieht, der andere: kai skhematon bei unserer mangelhaften Kenntniss der antiken Maler-Terminologie mancher Zweideutigkeit un- terworfen erscheint.
So kennen wir eigentlich nur die Thatsache der Be- rühmtheit des Protogenes, nicht aber die Gründe, auf denen sie beruht. Dazu kömmt, dass er gänzlich isolirt und aus-
1) c. 84.
2) Brut. 18.
und poetischen Gehalte, als in der vollendeten künstlerischen Durchführung ihrer Werke zu suchen sei, welche die Illusion bis zur höchsten Spitze getrieben hatte. So sagt denn Petro- nius, 1) man könne „die Studien des Protogenes, die mit der Wahrheit der Natur selbst wetteifern, nicht ohne eine gewisse Scheu betrachten:“ Protogenis rudimenta cum ipsius naturae veritate certantia non sine quodam horrore tractavi. So will der Künstler bei dem Schaume am Hunde neben Jalysos uns die Kunstmässigkeit (artem) so gänzlich vergessen machen, dass wir die Wirklichkeit vor Augen zu haben glauben sollen. Und so bewundert auch der grosse Haufe vor Allem die Natürlichkeit an dem Rebhuhn neben dem Satyr. Aus allen diesen Notizen lernen wir indessen immer noch nicht die Mittel kennen, durch welche er diese Erfolge erreichte. Fragen wir nach der Zeichnung, so erhalten wir keine Ant- wort ausser der Anekdote über seinen Wettstreit mit Apelles, aus welcher wir allerdings auf eine grosse Sicherheit und Fein- heit in der Führung des Pinsels schliessen müssen. Hinsichtlich der Farbe zeigt sich derselbe Mangel an Nachrichten: denn was will es bedeuten, wenn Cicero 2) den Protogenes neben Apelles, Aëtion, Nicomachos den ältern Malern, welche nur die vier Farben angewendet, als vollendet in allen Beziehungen gegenüberstellt? Auch daraus, dass er den Jalysos viermal übermalte, können wir auf das Colorit keinen Schluss ma- chen. Wenn wir nun endlich hören, dass er auch Theore- tiker war und über die Kunst schrieb, so sehen wir darin allerdings einen neuen Beweis für den Fleiss und die Sorg- falt des Künstlers, welcher auch nach dieser Seite hin seine Aufgabe gründlich durcharbeiten will; worauf aber sich vor- zugsweise seine Aufmerksamkeit richtete, das lehrt uns auch der Titel seiner Schriften nicht, da der eine Ausdruck: πεϱὶ- γϱαφικῆς sich ganz allgemein auf Zeichnen und Malen bezieht, der andere: καὶ σχημάτων bei unserer mangelhaften Kenntniss der antiken Maler-Terminologie mancher Zweideutigkeit un- terworfen erscheint.
So kennen wir eigentlich nur die Thatsache der Be- rühmtheit des Protogenes, nicht aber die Gründe, auf denen sie beruht. Dazu kömmt, dass er gänzlich isolirt und aus-
1) c. 84.
2) Brut. 18.
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und poetischen Gehalte, als in der vollendeten künstlerischen
Durchführung ihrer Werke zu suchen sei, welche die Illusion
bis zur höchsten Spitze getrieben hatte. So sagt denn Petro-
nius, 1) man könne „die Studien des Protogenes, die mit der
Wahrheit der Natur selbst wetteifern, nicht ohne eine gewisse
Scheu betrachten:“ Protogenis rudimenta cum ipsius naturae
veritate certantia non sine quodam horrore tractavi. So will
der Künstler bei dem Schaume am Hunde neben Jalysos uns
die Kunstmässigkeit (artem) so gänzlich vergessen machen,
dass wir die Wirklichkeit vor Augen zu haben glauben
sollen. Und so bewundert auch der grosse Haufe vor Allem
die Natürlichkeit an dem Rebhuhn neben dem Satyr. Aus
allen diesen Notizen lernen wir indessen immer noch nicht
die Mittel kennen, durch welche er diese Erfolge erreichte.
Fragen wir nach der Zeichnung, so erhalten wir keine Ant-
wort ausser der Anekdote über seinen Wettstreit mit Apelles,
aus welcher wir allerdings auf eine grosse Sicherheit und Fein-
heit in der Führung des Pinsels schliessen müssen. Hinsichtlich
der Farbe zeigt sich derselbe Mangel an Nachrichten: denn
was will es bedeuten, wenn Cicero 2) den Protogenes neben
Apelles, Aëtion, Nicomachos den ältern Malern, welche nur
die vier Farben angewendet, als vollendet in allen Beziehungen
gegenüberstellt? Auch daraus, dass er den Jalysos viermal
übermalte, können wir auf das Colorit keinen Schluss ma-
chen. Wenn wir nun endlich hören, dass er auch Theore-
tiker war und über die Kunst schrieb, so sehen wir darin
allerdings einen neuen Beweis für den Fleiss und die Sorg-
falt des Künstlers, welcher auch nach dieser Seite hin seine
Aufgabe gründlich durcharbeiten will; worauf aber sich vor-
zugsweise seine Aufmerksamkeit richtete, das lehrt uns auch
der Titel seiner Schriften nicht, da der eine Ausdruck: πεϱὶ-
γϱαφικῆς sich ganz allgemein auf Zeichnen und Malen bezieht,
der andere: καὶ σχημάτων bei unserer mangelhaften Kenntniss
der antiken Maler-Terminologie mancher Zweideutigkeit un-
terworfen erscheint.
So kennen wir eigentlich nur die Thatsache der Be-
rühmtheit des Protogenes, nicht aber die Gründe, auf denen
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1) c. 84.
2) Brut. 18.
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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/250>, abgerufen am 23.11.2024.
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