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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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In dem oben berührten Citat des Strabo (VIII, 381) aus
Polybius ist ausser dem Dionysos noch von einem anderen
Gemälde die Rede:

Herakles von Schmerz durch das Kleid der Deia-
neira gepeinigt. Zwar wird es nicht ausdrücklich, wie
der Dionysos, ein Werk des Aristides genannt. Doch liegt
es nahe, dies anzunehmen, sowohl wegen der gemeinsamen
Erwähnung, als besonders, weil wir sehen werden, dass
dieser Gegenstand der Geistesrichtung des Künstlers durchaus
angemessen war.

Endlich erwähnt Polemo bei Athenaeus p. 567 B den
Aristides unter den pornographoi, und Plinius (35, 122) unter
den Erfindern der Enkaustik.

Während nun unter den hier aufgezählten Werken einige
von so scharf ausgeprägter Eigenthümlichkeit sich befinden,
dass sich schon aus ihnen die Kunstrichtung ihres Urhebers
bestimmen lassen würde, bietet uns Plinius 1) in wenigen
Worten den Schlüssel zu weiterem Verständnisse: is omnium
primus animum pinxit et sensus hominis expressit, quae vo-
cant Graeci ethe, item perturbationes, durior paulo in colo-
ribus. Was zuerst den letzten Vorwurf anlangt, dass dem
Aristides eine gewisse Härte in den Farben anhänge, so ist
es eine häufige Erscheinung, dass gerade die Künstler, welche
auf den geistigen oder psychologischen Ausdruck ihre haupt-
sächlichste Aufmerksamkeit richten, auf die Farbe als das
sinnlichste Mittel der Darstellung geringere Sorgfalt ver-
wenden; so dass also der von Plinius ausgesprochene Tadel,
wenn freilich immer ein Tadel, doch in gewissem Sinne
durch die übrigen Vorzüge bedingt erscheint. Die Worte
nun, in welchen Plinius die letzteren zusammenfasst, lassen
sich nicht wohl streng wörtlich wiedergeben, wie ja auch
Plinius, um in der Uebertragung aus seiner Quelle nicht
misverstanden zu werden, einmal das ursprüngliche grie-
chische Wort derselben beifügt. Es wird sogar gut sein,
ihm darin noch weiter zu folgen, und seinen Ausdruck per-
turbationes nach der Anleitung Cicero's in das griechische
pathe zurückzuübersetzen. 2) Wir lernen demnach hier Ari-

1) 35, 98.
2) Tusc. III, 4, 7; IV, 5, 10; 6, 11; vgl. Jahn Ber. d.
leipz. Gesellsch. 1850, S. 114 fg.

In dem oben berührten Citat des Strabo (VIII, 381) aus
Polybius ist ausser dem Dionysos noch von einem anderen
Gemälde die Rede:

Herakles von Schmerz durch das Kleid der Deia-
neira gepeinigt. Zwar wird es nicht ausdrücklich, wie
der Dionysos, ein Werk des Aristides genannt. Doch liegt
es nahe, dies anzunehmen, sowohl wegen der gemeinsamen
Erwähnung, als besonders, weil wir sehen werden, dass
dieser Gegenstand der Geistesrichtung des Künstlers durchaus
angemessen war.

Endlich erwähnt Polemo bei Athenaeus p. 567 B den
Aristides unter den ποϱνογϱάφοι, und Plinius (35, 122) unter
den Erfindern der Enkaustik.

Während nun unter den hier aufgezählten Werken einige
von so scharf ausgeprägter Eigenthümlichkeit sich befinden,
dass sich schon aus ihnen die Kunstrichtung ihres Urhebers
bestimmen lassen würde, bietet uns Plinius 1) in wenigen
Worten den Schlüssel zu weiterem Verständnisse: is omnium
primus animum pinxit et sensus hominis expressit, quae vo-
cant Graeci ethe, item perturbationes, durior paulo in colo-
ribus. Was zuerst den letzten Vorwurf anlangt, dass dem
Aristides eine gewisse Härte in den Farben anhänge, so ist
es eine häufige Erscheinung, dass gerade die Künstler, welche
auf den geistigen oder psychologischen Ausdruck ihre haupt-
sächlichste Aufmerksamkeit richten, auf die Farbe als das
sinnlichste Mittel der Darstellung geringere Sorgfalt ver-
wenden; so dass also der von Plinius ausgesprochene Tadel,
wenn freilich immer ein Tadel, doch in gewissem Sinne
durch die übrigen Vorzüge bedingt erscheint. Die Worte
nun, in welchen Plinius die letzteren zusammenfasst, lassen
sich nicht wohl streng wörtlich wiedergeben, wie ja auch
Plinius, um in der Uebertragung aus seiner Quelle nicht
misverstanden zu werden, einmal das ursprüngliche grie-
chische Wort derselben beifügt. Es wird sogar gut sein,
ihm darin noch weiter zu folgen, und seinen Ausdruck per-
turbationes nach der Anleitung Cicero’s in das griechische
πάϑη zurückzuübersetzen. 2) Wir lernen demnach hier Ari-

1) 35, 98.
2) Tusc. III, 4, 7; IV, 5, 10; 6, 11; vgl. Jahn Ber. d.
leipz. Gesellsch. 1850, S. 114 fg.
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[174/0182] In dem oben berührten Citat des Strabo (VIII, 381) aus Polybius ist ausser dem Dionysos noch von einem anderen Gemälde die Rede: Herakles von Schmerz durch das Kleid der Deia- neira gepeinigt. Zwar wird es nicht ausdrücklich, wie der Dionysos, ein Werk des Aristides genannt. Doch liegt es nahe, dies anzunehmen, sowohl wegen der gemeinsamen Erwähnung, als besonders, weil wir sehen werden, dass dieser Gegenstand der Geistesrichtung des Künstlers durchaus angemessen war. Endlich erwähnt Polemo bei Athenaeus p. 567 B den Aristides unter den ποϱνογϱάφοι, und Plinius (35, 122) unter den Erfindern der Enkaustik. Während nun unter den hier aufgezählten Werken einige von so scharf ausgeprägter Eigenthümlichkeit sich befinden, dass sich schon aus ihnen die Kunstrichtung ihres Urhebers bestimmen lassen würde, bietet uns Plinius 1) in wenigen Worten den Schlüssel zu weiterem Verständnisse: is omnium primus animum pinxit et sensus hominis expressit, quae vo- cant Graeci ethe, item perturbationes, durior paulo in colo- ribus. Was zuerst den letzten Vorwurf anlangt, dass dem Aristides eine gewisse Härte in den Farben anhänge, so ist es eine häufige Erscheinung, dass gerade die Künstler, welche auf den geistigen oder psychologischen Ausdruck ihre haupt- sächlichste Aufmerksamkeit richten, auf die Farbe als das sinnlichste Mittel der Darstellung geringere Sorgfalt ver- wenden; so dass also der von Plinius ausgesprochene Tadel, wenn freilich immer ein Tadel, doch in gewissem Sinne durch die übrigen Vorzüge bedingt erscheint. Die Worte nun, in welchen Plinius die letzteren zusammenfasst, lassen sich nicht wohl streng wörtlich wiedergeben, wie ja auch Plinius, um in der Uebertragung aus seiner Quelle nicht misverstanden zu werden, einmal das ursprüngliche grie- chische Wort derselben beifügt. Es wird sogar gut sein, ihm darin noch weiter zu folgen, und seinen Ausdruck per- turbationes nach der Anleitung Cicero’s in das griechische πάϑη zurückzuübersetzen. 2) Wir lernen demnach hier Ari- 1) 35, 98. 2) Tusc. III, 4, 7; IV, 5, 10; 6, 11; vgl. Jahn Ber. d. leipz. Gesellsch. 1850, S. 114 fg.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/182>, abgerufen am 28.04.2024.