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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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rigkeiten bleiben. Das Abweichende im Verfahren des Pausias
bestand zunächst darin, dass er den Stier nicht mit einer
hellen Farbe anlegte, sondern mit einer dunkeln, und zwar
geradezu mit dem Schwarz des Schattens. Denn darauf
glaube ich die Worte: umbraeque corpus ex ipsa dedit, deuten
zu müssen: während andere in den lichten Grundton das
Dunkle oder Schwarz des Schattens hineintrugen (condunt
nigro), bildete dieses bei dem Stiere den Grundton, so dass
der Schatten keine weitere Bezeichnung verlangte, sondern
sich, so zu sagen, aus sich selbst darstellte. Das Weitere
dieses Verfahrens wird uns nun am besten deutlich werden,
wenn wir uns fragen, wodurch es überhaupt veranlasst
wurde. Ich glaube, durch nichts anderes, als durch die ei-
genthümliche Substanz des darzustellenden Gegenstandes.
Das schwarze glänzende Haar am Felle des Stieres ist nicht
ein Körper, an welchem sich die grössere oder geringere
Stärke des einwirkenden Lichtes in regelmässigen Abstufun-
gen zu zeigen vermag; vielmehr brechen sich die Strahlen
daran; und wir erkennen daher weniger Licht und Schatten,
als die tiefe dunkele Grundfarbe des Stoffes und Reflexe.
Hieraus erklärt es sich also zuerst, weshalb dem Künstler
das tiefe Schwarz als Localfarbe dienen musste, sodann aber
auch, wie "in confracto solida omnia," d. h. in der Ver-
kürzung die einzelnen Theile des Körpers doch als ein zu-
sammenhängendes Ganze erscheinen konnten. Der gemein-
same Grundton ward nemlich nicht durch scharfe Gegen-
sätze von Licht und Schatten zerrissen, indem die Reflexe
nicht eigentlich als eine Veränderung des Farbentones er-
schienen, sondern als ein über den Grundton hingehauchter
Glanz (recht eigentlich splendor, alius hic quam lumen:
Plin. 35, 29), der auch technisch als solcher besser durch
Lasuren, als durch consistente Farben darzustellen ist. Dabei
aber lässt sich durch eine richtige Behandlung dieses Glan-
zes eine vollständige Darstellung der Oberfläche eines Kör-
pers nach ihren hervorragenden und zurücktretenden Theilen
erreichen, so dass also nicht minder als "in confracto solida
omnia" auch die einzelnen Theile "in aequo exstantia" er-
schienen. Dem Laien möchte diese ganze Behandlungsweise
am besten durch die Bemerkung anschaulich zu machen sein,
dass sie dieselbe ist, welche auch jetzt noch zur Darstellung

rigkeiten bleiben. Das Abweichende im Verfahren des Pausias
bestand zunächst darin, dass er den Stier nicht mit einer
hellen Farbe anlegte, sondern mit einer dunkeln, und zwar
geradezu mit dem Schwarz des Schattens. Denn darauf
glaube ich die Worte: umbraeque corpus ex ipsa dedit, deuten
zu müssen: während andere in den lichten Grundton das
Dunkle oder Schwarz des Schattens hineintrugen (condunt
nigro), bildete dieses bei dem Stiere den Grundton, so dass
der Schatten keine weitere Bezeichnung verlangte, sondern
sich, so zu sagen, aus sich selbst darstellte. Das Weitere
dieses Verfahrens wird uns nun am besten deutlich werden,
wenn wir uns fragen, wodurch es überhaupt veranlasst
wurde. Ich glaube, durch nichts anderes, als durch die ei-
genthümliche Substanz des darzustellenden Gegenstandes.
Das schwarze glänzende Haar am Felle des Stieres ist nicht
ein Körper, an welchem sich die grössere oder geringere
Stärke des einwirkenden Lichtes in regelmässigen Abstufun-
gen zu zeigen vermag; vielmehr brechen sich die Strahlen
daran; und wir erkennen daher weniger Licht und Schatten,
als die tiefe dunkele Grundfarbe des Stoffes und Reflexe.
Hieraus erklärt es sich also zuerst, weshalb dem Künstler
das tiefe Schwarz als Localfarbe dienen musste, sodann aber
auch, wie „in confracto solida omnia,“ d. h. in der Ver-
kürzung die einzelnen Theile des Körpers doch als ein zu-
sammenhängendes Ganze erscheinen konnten. Der gemein-
same Grundton ward nemlich nicht durch scharfe Gegen-
sätze von Licht und Schatten zerrissen, indem die Reflexe
nicht eigentlich als eine Veränderung des Farbentones er-
schienen, sondern als ein über den Grundton hingehauchter
Glanz (recht eigentlich splendor, alius hic quam lumen:
Plin. 35, 29), der auch technisch als solcher besser durch
Lasuren, als durch consistente Farben darzustellen ist. Dabei
aber lässt sich durch eine richtige Behandlung dieses Glan-
zes eine vollständige Darstellung der Oberfläche eines Kör-
pers nach ihren hervorragenden und zurücktretenden Theilen
erreichen, so dass also nicht minder als „in confracto solida
omnia“ auch die einzelnen Theile „in aequo exstantia“ er-
schienen. Dem Laien möchte diese ganze Behandlungsweise
am besten durch die Bemerkung anschaulich zu machen sein,
dass sie dieselbe ist, welche auch jetzt noch zur Darstellung

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[149/0157] rigkeiten bleiben. Das Abweichende im Verfahren des Pausias bestand zunächst darin, dass er den Stier nicht mit einer hellen Farbe anlegte, sondern mit einer dunkeln, und zwar geradezu mit dem Schwarz des Schattens. Denn darauf glaube ich die Worte: umbraeque corpus ex ipsa dedit, deuten zu müssen: während andere in den lichten Grundton das Dunkle oder Schwarz des Schattens hineintrugen (condunt nigro), bildete dieses bei dem Stiere den Grundton, so dass der Schatten keine weitere Bezeichnung verlangte, sondern sich, so zu sagen, aus sich selbst darstellte. Das Weitere dieses Verfahrens wird uns nun am besten deutlich werden, wenn wir uns fragen, wodurch es überhaupt veranlasst wurde. Ich glaube, durch nichts anderes, als durch die ei- genthümliche Substanz des darzustellenden Gegenstandes. Das schwarze glänzende Haar am Felle des Stieres ist nicht ein Körper, an welchem sich die grössere oder geringere Stärke des einwirkenden Lichtes in regelmässigen Abstufun- gen zu zeigen vermag; vielmehr brechen sich die Strahlen daran; und wir erkennen daher weniger Licht und Schatten, als die tiefe dunkele Grundfarbe des Stoffes und Reflexe. Hieraus erklärt es sich also zuerst, weshalb dem Künstler das tiefe Schwarz als Localfarbe dienen musste, sodann aber auch, wie „in confracto solida omnia,“ d. h. in der Ver- kürzung die einzelnen Theile des Körpers doch als ein zu- sammenhängendes Ganze erscheinen konnten. Der gemein- same Grundton ward nemlich nicht durch scharfe Gegen- sätze von Licht und Schatten zerrissen, indem die Reflexe nicht eigentlich als eine Veränderung des Farbentones er- schienen, sondern als ein über den Grundton hingehauchter Glanz (recht eigentlich splendor, alius hic quam lumen: Plin. 35, 29), der auch technisch als solcher besser durch Lasuren, als durch consistente Farben darzustellen ist. Dabei aber lässt sich durch eine richtige Behandlung dieses Glan- zes eine vollständige Darstellung der Oberfläche eines Kör- pers nach ihren hervorragenden und zurücktretenden Theilen erreichen, so dass also nicht minder als „in confracto solida omnia“ auch die einzelnen Theile „in aequo exstantia“ er- schienen. Dem Laien möchte diese ganze Behandlungsweise am besten durch die Bemerkung anschaulich zu machen sein, dass sie dieselbe ist, welche auch jetzt noch zur Darstellung

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/157>, abgerufen am 28.04.2024.