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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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erwerben wünschte, so kann es scheinen, dass Euander nicht
nur Künstler, sondern auch Kunsthändler und Restaurateur
war, und die gekauften Werke vielleicht aus älterer Zeit
stammten; wofür auch der Umstand spricht, dass Damasippus
sich bereit erklärt hatte, wenn Cicero auf den Kauf nicht ein-
gehen wolle, die Statuen zu übernehmen. Des Damasippus
Liebhaberei war aber nach Horaz (Sat. II, 3, 54) vorzugsweise
auf ältere Kunstwerke gerichtet.

Diogenes.

"Das Pantheon des Agrippa schmückte Diogenes von Athen,
und seine Karyatiden unter den Säulen dieses Tempels werden
wie wenige andere Werke geschätzt, so wie auch die im
Giebel (in fastigio) aufgestellten Bildwerke, welche nur we-
gen der Höhe des Ortes minder berühmt sind": Plin. 36, 38.
Das Pantheon ward von Agrippa in seinem dritten Consu-
late geweihet: 727 d. St. Von den Karyatiden sind uns
möglicherweise noch zwei erhalten: die eine mit Recht hoch-
geschätzte im Braccio nuovo des Vaticans, welche in der
ganzen Anlage mit denen des Erechtheum so übereinstimmt,
dass man sie wirklich eine Zeitlang für eine derselben aus-
geben wollte. Die andere, welche sich bei aufmerksa-
mer Betrachtung in allen Einzelnheiten als das Seitenstück
der ersten erweist, steht, durchaus vernachlässigt und
durch falsche Restaurationen unkenntlich gemacht, im Hofe
des Palazzo Giustiniani (Gal. Giust. I, 124) in unmittelbarer
Nähe des Pantheons, wodurch wenigstens die Vermuthung
nahe gelegt wird, dass sie zu den einst in diesem Gebäude
befindlichen gehöre.

Der Name Diogenes ist wahrscheinlich herzustellen in der
fragmentirten Inschrift einer bacchischen Knabenfigur (Jac-
chus?) aus Gabii:

[Abbildung]
Visconti Mon. Gab. n. 12; C. I. Gr. n. 6144. Die Ergänzung
des zweiten Namens ist wegen des übergeschriebenen Zei-
chens ungewiss: weder Aeschines noch Alexandros, wie man
vorgeschlagen hat, bieten irgend eine Gewähr der Richtigkeit.
Eben so wenig lässt sich sagen, ob in der zweiten Zeile
Athenaioi oder etwas anderes zu ergänzen ist. Uebrigens ge-

erwerben wünschte, so kann es scheinen, dass Euander nicht
nur Künstler, sondern auch Kunsthändler und Restaurateur
war, und die gekauften Werke vielleicht aus älterer Zeit
stammten; wofür auch der Umstand spricht, dass Damasippus
sich bereit erklärt hatte, wenn Cicero auf den Kauf nicht ein-
gehen wolle, die Statuen zu übernehmen. Des Damasippus
Liebhaberei war aber nach Horaz (Sat. II, 3, 54) vorzugsweise
auf ältere Kunstwerke gerichtet.

Diogenes.

„Das Pantheon des Agrippa schmückte Diogenes von Athen,
und seine Karyatiden unter den Säulen dieses Tempels werden
wie wenige andere Werke geschätzt, so wie auch die im
Giebel (in fastigio) aufgestellten Bildwerke, welche nur we-
gen der Höhe des Ortes minder berühmt sind”: Plin. 36, 38.
Das Pantheon ward von Agrippa in seinem dritten Consu-
late geweihet: 727 d. St. Von den Karyatiden sind uns
möglicherweise noch zwei erhalten: die eine mit Recht hoch-
geschätzte im Braccio nuovo des Vaticans, welche in der
ganzen Anlage mit denen des Erechtheum so übereinstimmt,
dass man sie wirklich eine Zeitlang für eine derselben aus-
geben wollte. Die andere, welche sich bei aufmerksa-
mer Betrachtung in allen Einzelnheiten als das Seitenstück
der ersten erweist, steht, durchaus vernachlässigt und
durch falsche Restaurationen unkenntlich gemacht, im Hofe
des Palazzo Giustiniani (Gal. Giust. I, 124) in unmittelbarer
Nähe des Pantheons, wodurch wenigstens die Vermuthung
nahe gelegt wird, dass sie zu den einst in diesem Gebäude
befindlichen gehöre.

Der Name Diogenes ist wahrscheinlich herzustellen in der
fragmentirten Inschrift einer bacchischen Knabenfigur (Jac-
chus?) aus Gabii:

[Abbildung]
Visconti Mon. Gab. n. 12; C. I. Gr. n. 6144. Die Ergänzung
des zweiten Namens ist wegen des übergeschriebenen Zei-
chens ungewiss: weder Aeschines noch Alexandros, wie man
vorgeschlagen hat, bieten irgend eine Gewähr der Richtigkeit.
Eben so wenig lässt sich sagen, ob in der zweiten Zeile
Ἀϑηναῖοι oder etwas anderes zu ergänzen ist. Uebrigens ge-

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[548/0561] erwerben wünschte, so kann es scheinen, dass Euander nicht nur Künstler, sondern auch Kunsthändler und Restaurateur war, und die gekauften Werke vielleicht aus älterer Zeit stammten; wofür auch der Umstand spricht, dass Damasippus sich bereit erklärt hatte, wenn Cicero auf den Kauf nicht ein- gehen wolle, die Statuen zu übernehmen. Des Damasippus Liebhaberei war aber nach Horaz (Sat. II, 3, 54) vorzugsweise auf ältere Kunstwerke gerichtet. Diogenes. „Das Pantheon des Agrippa schmückte Diogenes von Athen, und seine Karyatiden unter den Säulen dieses Tempels werden wie wenige andere Werke geschätzt, so wie auch die im Giebel (in fastigio) aufgestellten Bildwerke, welche nur we- gen der Höhe des Ortes minder berühmt sind”: Plin. 36, 38. Das Pantheon ward von Agrippa in seinem dritten Consu- late geweihet: 727 d. St. Von den Karyatiden sind uns möglicherweise noch zwei erhalten: die eine mit Recht hoch- geschätzte im Braccio nuovo des Vaticans, welche in der ganzen Anlage mit denen des Erechtheum so übereinstimmt, dass man sie wirklich eine Zeitlang für eine derselben aus- geben wollte. Die andere, welche sich bei aufmerksa- mer Betrachtung in allen Einzelnheiten als das Seitenstück der ersten erweist, steht, durchaus vernachlässigt und durch falsche Restaurationen unkenntlich gemacht, im Hofe des Palazzo Giustiniani (Gal. Giust. I, 124) in unmittelbarer Nähe des Pantheons, wodurch wenigstens die Vermuthung nahe gelegt wird, dass sie zu den einst in diesem Gebäude befindlichen gehöre. Der Name Diogenes ist wahrscheinlich herzustellen in der fragmentirten Inschrift einer bacchischen Knabenfigur (Jac- chus?) aus Gabii: [Abbildung] Visconti Mon. Gab. n. 12; C. I. Gr. n. 6144. Die Ergänzung des zweiten Namens ist wegen des übergeschriebenen Zei- chens ungewiss: weder Aeschines noch Alexandros, wie man vorgeschlagen hat, bieten irgend eine Gewähr der Richtigkeit. Eben so wenig lässt sich sagen, ob in der zweiten Zeile Ἀϑηναῖοι oder etwas anderes zu ergänzen ist. Uebrigens ge-

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/561>, abgerufen am 21.05.2024.