Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

eben auf ihrer Originalität. Man prüfe das kleinste Detail;
und nirgends wird man etwas weder von der Aengstlichkeit,
noch von der glatten Praktik und Routine eines Copisten be-
merken, sondern in jedem Zuge finden, dass ihn der Künstler
mit vollem Bewusstsein und für den bestimmten Zweck gerade
so in dem Marmor bilden wollte, wie wir ihn sehen. -- Frei-
lich könnte man die Originalität dieser Marmorwerke auch
wieder zu dem Beweise benutzen wollen, dass sie mit den
von Plinius erwähnten Gallierschlachten pergamenischer Künst-
ler nicht in unmittelbarem Zusammenhange stehen könnten,
da dieselben in dem Buche über die Erzgiesser angeführt
werden. Allein, wie schon oben bemerkt ward, erlaubt gerade
die Allgemeinheit des Ausdrucks bei Plinius, an Werke ver-
schiedener Art zu denken. Dabei soll allerdings nicht geleug-
net werden, dass wir für die zwingende Identität der von
Plinius erwähnten und der erhaltenen Statuen äussere Beweise
nicht besitzen, sondern nur auf negativem Wege zu einer
Ueberzeugung gelangen können. Sie beruht zuerst darauf,
dass vor der Zeit der Diadochen die Wanderzüge der Gallier
nach Griechenland und Kleinasien noch nicht begonnen haben.
Dass ferner ihre Niederlage bei Delphi durch statuarische
Werke verherrlicht worden seien, wird wenigstens nirgends
berichtet. Nach Attalos war aber ihre Macht in Kleinasien
für lange Zeit gebrochen. So nähern wir uns der Zeit der
römischen Kämpfe in Gallien, und es fehlt auch jetzt nicht in
Rom an Vertheidigern der Ansicht, dass auf diese, etwa auf
die Siege Caesars, die beiden erhaltenen Kunstwerke zu be-
ziehen seien. Allein sie würden zunächst den Beweis zu füh-
ren haben, wenn auch nicht, dass gerade diese Siege in Sta-
tuengruppen dargestellt, doch dafür, dass überhaupt Siege über
barbarische Völker in historischer Auffassung als lebendig be-
wegte Handlung und in runden Figuren jemals von Römern
oder für sie von Griechen gebildet worden seien. Schlacht-
scenen in Relief sind allerdings in hinreichender Zahl bekannt;
die statuarischen Werke dagegen beschränken sich in allen
uns noch erhaltenen Resten auf die Personificationen von Pro-
vinzen, gefangene Könige, und einzelne unter einander nicht
durch eine bestimmte Handlung verbundene, sondern etwa zum
Schmuck einer Trophäe oder anderer Monumente gearbeitete
Figuren. -- Doch wir wollen diesen negativen Beweis nicht

eben auf ihrer Originalität. Man prüfe das kleinste Detail;
und nirgends wird man etwas weder von der Aengstlichkeit,
noch von der glatten Praktik und Routine eines Copisten be-
merken, sondern in jedem Zuge finden, dass ihn der Künstler
mit vollem Bewusstsein und für den bestimmten Zweck gerade
so in dem Marmor bilden wollte, wie wir ihn sehen. — Frei-
lich könnte man die Originalität dieser Marmorwerke auch
wieder zu dem Beweise benutzen wollen, dass sie mit den
von Plinius erwähnten Gallierschlachten pergamenischer Künst-
ler nicht in unmittelbarem Zusammenhange stehen könnten,
da dieselben in dem Buche über die Erzgiesser angeführt
werden. Allein, wie schon oben bemerkt ward, erlaubt gerade
die Allgemeinheit des Ausdrucks bei Plinius, an Werke ver-
schiedener Art zu denken. Dabei soll allerdings nicht geleug-
net werden, dass wir für die zwingende Identität der von
Plinius erwähnten und der erhaltenen Statuen äussere Beweise
nicht besitzen, sondern nur auf negativem Wege zu einer
Ueberzeugung gelangen können. Sie beruht zuerst darauf,
dass vor der Zeit der Diadochen die Wanderzüge der Gallier
nach Griechenland und Kleinasien noch nicht begonnen haben.
Dass ferner ihre Niederlage bei Delphi durch statuarische
Werke verherrlicht worden seien, wird wenigstens nirgends
berichtet. Nach Attalos war aber ihre Macht in Kleinasien
für lange Zeit gebrochen. So nähern wir uns der Zeit der
römischen Kämpfe in Gallien, und es fehlt auch jetzt nicht in
Rom an Vertheidigern der Ansicht, dass auf diese, etwa auf
die Siege Caesars, die beiden erhaltenen Kunstwerke zu be-
ziehen seien. Allein sie würden zunächst den Beweis zu füh-
ren haben, wenn auch nicht, dass gerade diese Siege in Sta-
tuengruppen dargestellt, doch dafür, dass überhaupt Siege über
barbarische Völker in historischer Auffassung als lebendig be-
wegte Handlung und in runden Figuren jemals von Römern
oder für sie von Griechen gebildet worden seien. Schlacht-
scenen in Relief sind allerdings in hinreichender Zahl bekannt;
die statuarischen Werke dagegen beschränken sich in allen
uns noch erhaltenen Resten auf die Personificationen von Pro-
vinzen, gefangene Könige, und einzelne unter einander nicht
durch eine bestimmte Handlung verbundene, sondern etwa zum
Schmuck einer Trophäe oder anderer Monumente gearbeitete
Figuren. — Doch wir wollen diesen negativen Beweis nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0460" n="447"/>
eben auf ihrer Originalität. Man prüfe das kleinste Detail;<lb/>
und nirgends wird man etwas weder von der Aengstlichkeit,<lb/>
noch von der glatten Praktik und Routine eines Copisten be-<lb/>
merken, sondern in jedem Zuge finden, dass ihn der Künstler<lb/>
mit vollem Bewusstsein und für den bestimmten Zweck gerade<lb/>
so in dem Marmor bilden wollte, wie wir ihn sehen. &#x2014; Frei-<lb/>
lich könnte man die Originalität dieser Marmorwerke auch<lb/>
wieder zu dem Beweise benutzen wollen, dass sie mit den<lb/>
von Plinius erwähnten Gallierschlachten pergamenischer Künst-<lb/>
ler nicht in unmittelbarem Zusammenhange stehen könnten,<lb/>
da dieselben in dem Buche über die Erzgiesser angeführt<lb/>
werden. Allein, wie schon oben bemerkt ward, erlaubt gerade<lb/>
die Allgemeinheit des Ausdrucks bei Plinius, an Werke ver-<lb/>
schiedener Art zu denken. Dabei soll allerdings nicht geleug-<lb/>
net werden, dass wir für die zwingende Identität der von<lb/>
Plinius erwähnten und der erhaltenen Statuen äussere Beweise<lb/>
nicht besitzen, sondern nur auf negativem Wege zu einer<lb/>
Ueberzeugung gelangen können. Sie beruht zuerst darauf,<lb/>
dass vor der Zeit der Diadochen die Wanderzüge der Gallier<lb/>
nach Griechenland und Kleinasien noch nicht begonnen haben.<lb/>
Dass ferner ihre Niederlage bei Delphi durch statuarische<lb/>
Werke verherrlicht worden seien, wird wenigstens nirgends<lb/>
berichtet. Nach Attalos war aber ihre Macht in Kleinasien<lb/>
für lange Zeit gebrochen. So nähern wir uns der Zeit der<lb/>
römischen Kämpfe in Gallien, und es fehlt auch jetzt nicht in<lb/>
Rom an Vertheidigern der Ansicht, dass auf diese, etwa auf<lb/>
die Siege Caesars, die beiden erhaltenen Kunstwerke zu be-<lb/>
ziehen seien. Allein sie würden zunächst den Beweis zu füh-<lb/>
ren haben, wenn auch nicht, dass gerade diese Siege in Sta-<lb/>
tuengruppen dargestellt, doch dafür, dass überhaupt Siege über<lb/>
barbarische Völker in historischer Auffassung als lebendig be-<lb/>
wegte Handlung und in runden Figuren jemals von Römern<lb/>
oder für sie von Griechen gebildet worden seien. Schlacht-<lb/>
scenen in Relief sind allerdings in hinreichender Zahl bekannt;<lb/>
die statuarischen Werke dagegen beschränken sich in allen<lb/>
uns noch erhaltenen Resten auf die Personificationen von Pro-<lb/>
vinzen, gefangene Könige, und einzelne unter einander nicht<lb/>
durch eine bestimmte Handlung verbundene, sondern etwa zum<lb/>
Schmuck einer Trophäe oder anderer Monumente gearbeitete<lb/>
Figuren. &#x2014; Doch wir wollen diesen negativen Beweis nicht<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[447/0460] eben auf ihrer Originalität. Man prüfe das kleinste Detail; und nirgends wird man etwas weder von der Aengstlichkeit, noch von der glatten Praktik und Routine eines Copisten be- merken, sondern in jedem Zuge finden, dass ihn der Künstler mit vollem Bewusstsein und für den bestimmten Zweck gerade so in dem Marmor bilden wollte, wie wir ihn sehen. — Frei- lich könnte man die Originalität dieser Marmorwerke auch wieder zu dem Beweise benutzen wollen, dass sie mit den von Plinius erwähnten Gallierschlachten pergamenischer Künst- ler nicht in unmittelbarem Zusammenhange stehen könnten, da dieselben in dem Buche über die Erzgiesser angeführt werden. Allein, wie schon oben bemerkt ward, erlaubt gerade die Allgemeinheit des Ausdrucks bei Plinius, an Werke ver- schiedener Art zu denken. Dabei soll allerdings nicht geleug- net werden, dass wir für die zwingende Identität der von Plinius erwähnten und der erhaltenen Statuen äussere Beweise nicht besitzen, sondern nur auf negativem Wege zu einer Ueberzeugung gelangen können. Sie beruht zuerst darauf, dass vor der Zeit der Diadochen die Wanderzüge der Gallier nach Griechenland und Kleinasien noch nicht begonnen haben. Dass ferner ihre Niederlage bei Delphi durch statuarische Werke verherrlicht worden seien, wird wenigstens nirgends berichtet. Nach Attalos war aber ihre Macht in Kleinasien für lange Zeit gebrochen. So nähern wir uns der Zeit der römischen Kämpfe in Gallien, und es fehlt auch jetzt nicht in Rom an Vertheidigern der Ansicht, dass auf diese, etwa auf die Siege Caesars, die beiden erhaltenen Kunstwerke zu be- ziehen seien. Allein sie würden zunächst den Beweis zu füh- ren haben, wenn auch nicht, dass gerade diese Siege in Sta- tuengruppen dargestellt, doch dafür, dass überhaupt Siege über barbarische Völker in historischer Auffassung als lebendig be- wegte Handlung und in runden Figuren jemals von Römern oder für sie von Griechen gebildet worden seien. Schlacht- scenen in Relief sind allerdings in hinreichender Zahl bekannt; die statuarischen Werke dagegen beschränken sich in allen uns noch erhaltenen Resten auf die Personificationen von Pro- vinzen, gefangene Könige, und einzelne unter einander nicht durch eine bestimmte Handlung verbundene, sondern etwa zum Schmuck einer Trophäe oder anderer Monumente gearbeitete Figuren. — Doch wir wollen diesen negativen Beweis nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/460
Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/460>, abgerufen am 22.05.2024.