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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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nigen Götter durchzubilden, deren Wesen mehr auf sinnlichem
Reize und milder Anmuth beruht. In diesem Sinne erfahren
sogar manche in der früheren Zeit strenge und ernst gehaltene
Gestalten, wie z. B. die der Aphrodite, eine gänzliche Umbil-
dung, und die Darstellung in jugendlichem, ja zuweilen knaben-
haftem Alter, gewinnt immer mehr an Ausdehnung. Noch
schärfer aber prägt sich die eben bezeichnete Richtung in ei-
nem ganz neuen Kreise von Darstellungen aus. Wir wiesen
bereits am Ende der vorigen Periode darauf hin, wie die Kunst-
bestrebungen nach Phidias und Myron, indem sie von diesen
beiden in vielen Beziehungen entgegengesetzten Brennpunkten
ausgehend, das Göttliche dem rein Menschlichen annäherten und
das Menschliche zu höherer Wahrheit verklärten, sich endlich
begegnen mussten in Gestalten, welche recht eigentlich als
eine Verkörperung des Geistigen und des Poetischen im Leben
sowohl des Menschen, als der ganzen Schöpfung zu betrachten
sind. Skopas und Praxiteles stellen die unerreichten Muster
für Bildungen solcher Wesen auf, jener Halbgötter und Daemo-
nen aus der Begleitung der Aphrodite, des Dionysos, des Po-
seidon u. a.; und noch jetzt sind mit deren Nachbildungen aus
römischer Zeit alle Museen angefüllt. Denn sie waren es,
welche, von geringerer Bedeutung für den religiösen Cultus,
vorzüglich geeignet erscheinen mussten, dem Luxus, der Aus-
schmückung prächtiger Anlagen der Reichen und Vornehmen
zu dienen. Wenn wir aber die von Skopas und Praxiteles
eröffnete Bahn nicht sogleich von einer Schaar von Nachah-
mern betreten sehen, so hat dies wahrscheinlich seinen Grund
nur darin, dass in Griechenland, selbst noch in den Zeiten
Alexanders, der Sinn weniger auf solchen Glanz des Privat-
lebens gerichtet war, als später in Rom. -- Verhältnissmässig
gering kann bei flüchtiger Betrachtung die Thätigkeit der Atti-
ker auf dem Gebiete der Heroenbildung erscheinen. Doch
zeigt sich, wenn wir auf die frühere Zeit blicken, namentlich
in einigen Werken des Euphranor und Silanion, eine wesent-
liche Veränderung und, wir dürfen wohl sagen, ein Fortschritt,
in sofern diese Künstler einzelne Heroen nicht sowohl nach
ihrer nationalen und politischen Bedeutung, als nach ihrem
Werthe für künstlerische Darstellung zum Gegenstande ihrer
Thätigkeit machten. Ausserdem aber dürfen wir nicht über-
sehen, dass die Heroenbildung in der Sculptur ihre vorzüglichste

nigen Götter durchzubilden, deren Wesen mehr auf sinnlichem
Reize und milder Anmuth beruht. In diesem Sinne erfahren
sogar manche in der früheren Zeit strenge und ernst gehaltene
Gestalten, wie z. B. die der Aphrodite, eine gänzliche Umbil-
dung, und die Darstellung in jugendlichem, ja zuweilen knaben-
haftem Alter, gewinnt immer mehr an Ausdehnung. Noch
schärfer aber prägt sich die eben bezeichnete Richtung in ei-
nem ganz neuen Kreise von Darstellungen aus. Wir wiesen
bereits am Ende der vorigen Periode darauf hin, wie die Kunst-
bestrebungen nach Phidias und Myron, indem sie von diesen
beiden in vielen Beziehungen entgegengesetzten Brennpunkten
ausgehend, das Göttliche dem rein Menschlichen annäherten und
das Menschliche zu höherer Wahrheit verklärten, sich endlich
begegnen mussten in Gestalten, welche recht eigentlich als
eine Verkörperung des Geistigen und des Poetischen im Leben
sowohl des Menschen, als der ganzen Schöpfung zu betrachten
sind. Skopas und Praxiteles stellen die unerreichten Muster
für Bildungen solcher Wesen auf, jener Halbgötter und Daemo-
nen aus der Begleitung der Aphrodite, des Dionysos, des Po-
seidon u. a.; und noch jetzt sind mit deren Nachbildungen aus
römischer Zeit alle Museen angefüllt. Denn sie waren es,
welche, von geringerer Bedeutung für den religiösen Cultus,
vorzüglich geeignet erscheinen mussten, dem Luxus, der Aus-
schmückung prächtiger Anlagen der Reichen und Vornehmen
zu dienen. Wenn wir aber die von Skopas und Praxiteles
eröffnete Bahn nicht sogleich von einer Schaar von Nachah-
mern betreten sehen, so hat dies wahrscheinlich seinen Grund
nur darin, dass in Griechenland, selbst noch in den Zeiten
Alexanders, der Sinn weniger auf solchen Glanz des Privat-
lebens gerichtet war, als später in Rom. — Verhältnissmässig
gering kann bei flüchtiger Betrachtung die Thätigkeit der Atti-
ker auf dem Gebiete der Heroenbildung erscheinen. Doch
zeigt sich, wenn wir auf die frühere Zeit blicken, namentlich
in einigen Werken des Euphranor und Silanion, eine wesent-
liche Veränderung und, wir dürfen wohl sagen, ein Fortschritt,
in sofern diese Künstler einzelne Heroen nicht sowohl nach
ihrer nationalen und politischen Bedeutung, als nach ihrem
Werthe für künstlerische Darstellung zum Gegenstande ihrer
Thätigkeit machten. Ausserdem aber dürfen wir nicht über-
sehen, dass die Heroenbildung in der Sculptur ihre vorzüglichste

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[429/0442] nigen Götter durchzubilden, deren Wesen mehr auf sinnlichem Reize und milder Anmuth beruht. In diesem Sinne erfahren sogar manche in der früheren Zeit strenge und ernst gehaltene Gestalten, wie z. B. die der Aphrodite, eine gänzliche Umbil- dung, und die Darstellung in jugendlichem, ja zuweilen knaben- haftem Alter, gewinnt immer mehr an Ausdehnung. Noch schärfer aber prägt sich die eben bezeichnete Richtung in ei- nem ganz neuen Kreise von Darstellungen aus. Wir wiesen bereits am Ende der vorigen Periode darauf hin, wie die Kunst- bestrebungen nach Phidias und Myron, indem sie von diesen beiden in vielen Beziehungen entgegengesetzten Brennpunkten ausgehend, das Göttliche dem rein Menschlichen annäherten und das Menschliche zu höherer Wahrheit verklärten, sich endlich begegnen mussten in Gestalten, welche recht eigentlich als eine Verkörperung des Geistigen und des Poetischen im Leben sowohl des Menschen, als der ganzen Schöpfung zu betrachten sind. Skopas und Praxiteles stellen die unerreichten Muster für Bildungen solcher Wesen auf, jener Halbgötter und Daemo- nen aus der Begleitung der Aphrodite, des Dionysos, des Po- seidon u. a.; und noch jetzt sind mit deren Nachbildungen aus römischer Zeit alle Museen angefüllt. Denn sie waren es, welche, von geringerer Bedeutung für den religiösen Cultus, vorzüglich geeignet erscheinen mussten, dem Luxus, der Aus- schmückung prächtiger Anlagen der Reichen und Vornehmen zu dienen. Wenn wir aber die von Skopas und Praxiteles eröffnete Bahn nicht sogleich von einer Schaar von Nachah- mern betreten sehen, so hat dies wahrscheinlich seinen Grund nur darin, dass in Griechenland, selbst noch in den Zeiten Alexanders, der Sinn weniger auf solchen Glanz des Privat- lebens gerichtet war, als später in Rom. — Verhältnissmässig gering kann bei flüchtiger Betrachtung die Thätigkeit der Atti- ker auf dem Gebiete der Heroenbildung erscheinen. Doch zeigt sich, wenn wir auf die frühere Zeit blicken, namentlich in einigen Werken des Euphranor und Silanion, eine wesent- liche Veränderung und, wir dürfen wohl sagen, ein Fortschritt, in sofern diese Künstler einzelne Heroen nicht sowohl nach ihrer nationalen und politischen Bedeutung, als nach ihrem Werthe für künstlerische Darstellung zum Gegenstande ihrer Thätigkeit machten. Ausserdem aber dürfen wir nicht über- sehen, dass die Heroenbildung in der Sculptur ihre vorzüglichste

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/442>, abgerufen am 22.11.2024.