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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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Der marmorne Herakles im Palast Pitti zu Florenz, in
der Stellung des farnesischen und mit der Aufschrift:

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ist nur eine Copie nach Lysipp, und noch dazu eine ziemlich
späte und rohe: Müll. u. Oest. Denkm. I, 38, n. 151. C. I. Gr.
n. 6163.

Unter den Bildnissen verdienen die erste Stelle diejenigen
des Alexander, welchen er "in vielen Werken, vom Kna-
benalter beginnend, darstellte": Plin. 34, 36. Bekannt ist, dass
Alexander nur von Lysipp plastisch dargestellt sein wollte:
Arrian exp. Alex. I, 16, 7; Plut. Alex. 4; de Alex. virt. seu
fort. II, 2; Himer. orat. XIV, 14; und bei Phot. bibl. p. 611 H.;
Tzetz. Chil. XI, 368; Cicero ep. ad fam. V, 12, 13; Horat.
epp. II, 1, 239; Valer. Max. VIII, 2, ext. 2; Plin. 7, 125; Ap-
pul. Florid. I, p. 410 ed. Vulcan. (der irrthümlich Polyklet an-
statt Lysipp nennt). Dass sich dieser Wille in Form eines
Edicts ausgesprochen habe, sagen zwar mehrere, besonders
unter den römischen Gewährsmännern. Doch gab es dessen
ungeachtet Bilder des Alexander auch von anderen gleichzei-
tigen Künstlern; und wir müssen daher diese Nachricht wohl
darauf beschränken, dass Alexander entweder die Bildnisse,
welche er selbst machen liess, auschliesslich bei Lysipp be-
stellte, oder dass er nur diesem Künstler bei seinen Bildern in
eigener Person sass. So viel ist indessen sicher, dass die
Bilder von der Hand des Lysipp die der anderen Künstler an
Lebendigkeit der Auffassung weit übertrafen. Plutarch (a. d.
a. O.) beschreibt ihren Charakter folgendermassen: Der Kopf
war etwas nach der linken Seite geneigt und blickte aufwärts.
Das besondere Verdienst des Lysipp aber bestand darin, dass
er allein diese Wendung des Nackens, das Fliessende und
Feuchte des Auges richtig zu treffen und zugleich doch auch
das mannhafte, löwenähnliche Aussehen zu bewahren verstand.
Im Gegensatz zu dem blitztragenden Alexander des Apelles
aber bildete er ihn mit dem Speer, als dem Attribute, welches
ihn als Eroberer des Erdkreises am treffendsten bezeichne (de
Is. et Os. 24). Wie oft er das Bild wiederholt haben mag,
sind wir nicht im Stande anzugeben, so wie es auch unbe-
stimmt ist, auf welche bestimmte Statue sich die Epigramme des
Posidipp und Archelaos beziehen mögen (Anall. II, p. 49, n. 14;
p. 58, n. 1). Zu einem Bilde des Alexander soll nach Statius (silv.

Der marmorne Herakles im Palast Pitti zu Florenz, in
der Stellung des farnesischen und mit der Aufschrift:

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ist nur eine Copie nach Lysipp, und noch dazu eine ziemlich
späte und rohe: Müll. u. Oest. Denkm. I, 38, n. 151. C. I. Gr.
n. 6163.

Unter den Bildnissen verdienen die erste Stelle diejenigen
des Alexander, welchen er „in vielen Werken, vom Kna-
benalter beginnend, darstellte”: Plin. 34, 36. Bekannt ist, dass
Alexander nur von Lysipp plastisch dargestellt sein wollte:
Arrian exp. Alex. I, 16, 7; Plut. Alex. 4; de Alex. virt. seu
fort. II, 2; Himer. orat. XIV, 14; und bei Phot. bibl. p. 611 H.;
Tzetz. Chil. XI, 368; Cicero ep. ad fam. V, 12, 13; Horat.
epp. II, 1, 239; Valer. Max. VIII, 2, ext. 2; Plin. 7, 125; Ap-
pul. Florid. I, p. 410 ed. Vulcan. (der irrthümlich Polyklet an-
statt Lysipp nennt). Dass sich dieser Wille in Form eines
Edicts ausgesprochen habe, sagen zwar mehrere, besonders
unter den römischen Gewährsmännern. Doch gab es dessen
ungeachtet Bilder des Alexander auch von anderen gleichzei-
tigen Künstlern; und wir müssen daher diese Nachricht wohl
darauf beschränken, dass Alexander entweder die Bildnisse,
welche er selbst machen liess, auschliesslich bei Lysipp be-
stellte, oder dass er nur diesem Künstler bei seinen Bildern in
eigener Person sass. So viel ist indessen sicher, dass die
Bilder von der Hand des Lysipp die der anderen Künstler an
Lebendigkeit der Auffassung weit übertrafen. Plutarch (a. d.
a. O.) beschreibt ihren Charakter folgendermassen: Der Kopf
war etwas nach der linken Seite geneigt und blickte aufwärts.
Das besondere Verdienst des Lysipp aber bestand darin, dass
er allein diese Wendung des Nackens, das Fliessende und
Feuchte des Auges richtig zu treffen und zugleich doch auch
das mannhafte, löwenähnliche Aussehen zu bewahren verstand.
Im Gegensatz zu dem blitztragenden Alexander des Apelles
aber bildete er ihn mit dem Speer, als dem Attribute, welches
ihn als Eroberer des Erdkreises am treffendsten bezeichne (de
Is. et Os. 24). Wie oft er das Bild wiederholt haben mag,
sind wir nicht im Stande anzugeben, so wie es auch unbe-
stimmt ist, auf welche bestimmte Statue sich die Epigramme des
Posidipp und Archelaos beziehen mögen (Anall. II, p. 49, n. 14;
p. 58, n. 1). Zu einem Bilde des Alexander soll nach Statius (silv.

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[363/0376] Der marmorne Herakles im Palast Pitti zu Florenz, in der Stellung des farnesischen und mit der Aufschrift: [Abbildung] ist nur eine Copie nach Lysipp, und noch dazu eine ziemlich späte und rohe: Müll. u. Oest. Denkm. I, 38, n. 151. C. I. Gr. n. 6163. Unter den Bildnissen verdienen die erste Stelle diejenigen des Alexander, welchen er „in vielen Werken, vom Kna- benalter beginnend, darstellte”: Plin. 34, 36. Bekannt ist, dass Alexander nur von Lysipp plastisch dargestellt sein wollte: Arrian exp. Alex. I, 16, 7; Plut. Alex. 4; de Alex. virt. seu fort. II, 2; Himer. orat. XIV, 14; und bei Phot. bibl. p. 611 H.; Tzetz. Chil. XI, 368; Cicero ep. ad fam. V, 12, 13; Horat. epp. II, 1, 239; Valer. Max. VIII, 2, ext. 2; Plin. 7, 125; Ap- pul. Florid. I, p. 410 ed. Vulcan. (der irrthümlich Polyklet an- statt Lysipp nennt). Dass sich dieser Wille in Form eines Edicts ausgesprochen habe, sagen zwar mehrere, besonders unter den römischen Gewährsmännern. Doch gab es dessen ungeachtet Bilder des Alexander auch von anderen gleichzei- tigen Künstlern; und wir müssen daher diese Nachricht wohl darauf beschränken, dass Alexander entweder die Bildnisse, welche er selbst machen liess, auschliesslich bei Lysipp be- stellte, oder dass er nur diesem Künstler bei seinen Bildern in eigener Person sass. So viel ist indessen sicher, dass die Bilder von der Hand des Lysipp die der anderen Künstler an Lebendigkeit der Auffassung weit übertrafen. Plutarch (a. d. a. O.) beschreibt ihren Charakter folgendermassen: Der Kopf war etwas nach der linken Seite geneigt und blickte aufwärts. Das besondere Verdienst des Lysipp aber bestand darin, dass er allein diese Wendung des Nackens, das Fliessende und Feuchte des Auges richtig zu treffen und zugleich doch auch das mannhafte, löwenähnliche Aussehen zu bewahren verstand. Im Gegensatz zu dem blitztragenden Alexander des Apelles aber bildete er ihn mit dem Speer, als dem Attribute, welches ihn als Eroberer des Erdkreises am treffendsten bezeichne (de Is. et Os. 24). Wie oft er das Bild wiederholt haben mag, sind wir nicht im Stande anzugeben, so wie es auch unbe- stimmt ist, auf welche bestimmte Statue sich die Epigramme des Posidipp und Archelaos beziehen mögen (Anall. II, p. 49, n. 14; p. 58, n. 1). Zu einem Bilde des Alexander soll nach Statius (silv.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/376>, abgerufen am 12.05.2024.