Diese Worte aber geben nicht ein Bild von der Gewalt des Zeus in allgemeinen Zügen, sondern sie bieten etwas ganz Concretes. Der Dichter nennt ganz bestimmt die Augenbrau- nen und das Haupthaar. Das Erbeben des Olymp, in welchem uns allerdings die Idee von der Macht des Zeus in ihrer gan- zen Hoheit vor die Seele tritt, ist nur die Wirkung der Be- wegung jener Theile, durch welche er seinen Willen kund thut. Eiresthai gar mala dokei kalos[fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt] ek te ton allon kai ton ophruon prokalei ten dianoian o poietes anazographein megan tina tupon kai megalen dunamin axian tou Dios, katha- per kai epi Eras, ama phulatton to eph' ekatero prepon[fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt] ephe men gar
seisato d' eini throno, elelixe de makron Olumpon. To de ep' ekeine sumban ole kinetheise, tout' epi tou Dios apan- tesai tais ophrusi monon neusantos, sumpathouses de ti kai tes komes 1). Den Augenbraunen und dem Haar musste also die Kraft inne wohnen, eine solche Wirkung zu erzeugen. In diesen Theilen gewann die Idee des Zeus bei Phidias zuerst Körper. Dass dies in der That, und wie es geschehen, kann uns auch eine gute Copie, wie der Zeus von Otricoli, anschau- lich machen. Es genügt ein Blick auf die Theile, welche das Auge beschatten, auf das Haar, wie es auf der Stirn empor- steigt und dann herabwallt, man möchte sagen, nicht sumpa- thouses, sondern sunenergouses de ti tes komes, um zu fühlen, wie gerade in diesen Theilen sich die Gewalt des Zeus vor- zugsweise ausspricht. Mit diesen Grundformen aber waren nun alle übrigen Theile in Harmonie zu setzen; der Künstler bildete sie so, wie sie nach den anatomisch-physiologischen Gesetzen des menschlichen Organismus sich in ihrem Verhält- niss zu den gegebenen Formen gestalten mussten. Das ist es, was Macrobius 2) andeuten will, wenn er sagt: nam de super- ciliis et crinibus totum se Iovis vultum collegisse. Die Nach- weisung zu geben, dass dies wirklich der Fall ist, würde hier zu weit führen. Um jedoch die Möglichkeit einer solchen Be- weisführung darzuthun, mag es mir gestattet sein, auf einen Aufsatz 3) über einen Herakopf des Museums zu Neapel zu
Diese Worte aber geben nicht ein Bild von der Gewalt des Zeus in allgemeinen Zügen, sondern sie bieten etwas ganz Concretes. Der Dichter nennt ganz bestimmt die Augenbrau- nen und das Haupthaar. Das Erbeben des Olymp, in welchem uns allerdings die Idee von der Macht des Zeus in ihrer gan- zen Hoheit vor die Seele tritt, ist nur die Wirkung der Be- wegung jener Theile, durch welche er seinen Willen kund thut. Εἰρῆσϑαι γὰρ μάλα δοκεῖ καλῶς[fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt] ἔκ τε τῶν ἄλλων καὶ τῶν ὀφρύων προκαλεῖ τὴν διάνοιαν ὁ ποιητὴς ἀναζωγραφεῖν μέγαν τινὰ τύπον καὶ μεγάλην δύναμιν ἀξίαν τοῦ Διὸς, καϑά- περ καὶ ἐπὶ Ἥρας, ἅμα φυλάττων τὸ ἐφ᾽ ἑκατέρω πρέπον[fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt] ἔφη μὲν γὰρ
σείσατο δ᾽ εἰνὶ ϑρόνῳ, ἐλέλιξε δὲ μακρὸν Ὄλυμπον. Τὸ δὲ ἐπ᾽ ἐκείνῃ συμβὰν ὅλῃ κινηϑείσῃ, τοῦτ᾽ ἐπὶ τοῦ Διὸς ἀπαν- τῆσαι ταῖς ὀφρύσι μόνον νεύσαντος, συμπαϑούσης δή τι καὶ τῆς κόμης 1). Den Augenbraunen und dem Haar musste also die Kraft inne wohnen, eine solche Wirkung zu erzeugen. In diesen Theilen gewann die Idee des Zeus bei Phidias zuerst Körper. Dass dies in der That, und wie es geschehen, kann uns auch eine gute Copie, wie der Zeus von Otricoli, anschau- lich machen. Es genügt ein Blick auf die Theile, welche das Auge beschatten, auf das Haar, wie es auf der Stirn empor- steigt und dann herabwallt, man möchte sagen, nicht συμπα- ϑούσης, sondern συνενεργούσης δή τι τῆς κόμης, um zu fühlen, wie gerade in diesen Theilen sich die Gewalt des Zeus vor- zugsweise ausspricht. Mit diesen Grundformen aber waren nun alle übrigen Theile in Harmonie zu setzen; der Künstler bildete sie so, wie sie nach den anatomisch-physiologischen Gesetzen des menschlichen Organismus sich in ihrem Verhält- niss zu den gegebenen Formen gestalten mussten. Das ist es, was Macrobius 2) andeuten will, wenn er sagt: nam de super- ciliis et crinibus totum se Iovis vultum collegisse. Die Nach- weisung zu geben, dass dies wirklich der Fall ist, würde hier zu weit führen. Um jedoch die Möglichkeit einer solchen Be- weisführung darzuthun, mag es mir gestattet sein, auf einen Aufsatz 3) über einen Herakopf des Museums zu Neapel zu
1) Strabo l. l.
2) l. l.
3) Bull. dell’ Inst. 1846, p. 122—128.
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[201/0214]
ἀμβρόσιαι δ᾽ἄρα χαῖται ἐπερρώσαντο ἄνακτος
κρατὸς ἀπ᾽ ἀϑανάτοιο, μέγαν δ᾽ ἐλέλιξεν Ὄλυμπον.
Diese Worte aber geben nicht ein Bild von der Gewalt des
Zeus in allgemeinen Zügen, sondern sie bieten etwas ganz
Concretes. Der Dichter nennt ganz bestimmt die Augenbrau-
nen und das Haupthaar. Das Erbeben des Olymp, in welchem
uns allerdings die Idee von der Macht des Zeus in ihrer gan-
zen Hoheit vor die Seele tritt, ist nur die Wirkung der Be-
wegung jener Theile, durch welche er seinen Willen kund
thut. Εἰρῆσϑαι γὰρ μάλα δοκεῖ καλῶς_ ἔκ τε τῶν ἄλλων καὶ
τῶν ὀφρύων προκαλεῖ τὴν διάνοιαν ὁ ποιητὴς ἀναζωγραφεῖν
μέγαν τινὰ τύπον καὶ μεγάλην δύναμιν ἀξίαν τοῦ Διὸς, καϑά-
περ καὶ ἐπὶ Ἥρας, ἅμα φυλάττων τὸ ἐφ᾽ ἑκατέρω πρέπον_ ἔφη
μὲν γὰρ
σείσατο δ᾽ εἰνὶ ϑρόνῳ, ἐλέλιξε δὲ μακρὸν Ὄλυμπον.
Τὸ δὲ ἐπ᾽ ἐκείνῃ συμβὰν ὅλῃ κινηϑείσῃ, τοῦτ᾽ ἐπὶ τοῦ Διὸς ἀπαν-
τῆσαι ταῖς ὀφρύσι μόνον νεύσαντος, συμπαϑούσης δή τι καὶ
τῆς κόμης 1). Den Augenbraunen und dem Haar musste also
die Kraft inne wohnen, eine solche Wirkung zu erzeugen. In
diesen Theilen gewann die Idee des Zeus bei Phidias zuerst
Körper. Dass dies in der That, und wie es geschehen, kann
uns auch eine gute Copie, wie der Zeus von Otricoli, anschau-
lich machen. Es genügt ein Blick auf die Theile, welche das
Auge beschatten, auf das Haar, wie es auf der Stirn empor-
steigt und dann herabwallt, man möchte sagen, nicht συμπα-
ϑούσης, sondern συνενεργούσης δή τι τῆς κόμης, um zu fühlen,
wie gerade in diesen Theilen sich die Gewalt des Zeus vor-
zugsweise ausspricht. Mit diesen Grundformen aber waren
nun alle übrigen Theile in Harmonie zu setzen; der Künstler
bildete sie so, wie sie nach den anatomisch-physiologischen
Gesetzen des menschlichen Organismus sich in ihrem Verhält-
niss zu den gegebenen Formen gestalten mussten. Das ist es,
was Macrobius 2) andeuten will, wenn er sagt: nam de super-
ciliis et crinibus totum se Iovis vultum collegisse. Die Nach-
weisung zu geben, dass dies wirklich der Fall ist, würde hier
zu weit führen. Um jedoch die Möglichkeit einer solchen Be-
weisführung darzuthun, mag es mir gestattet sein, auf einen
Aufsatz 3) über einen Herakopf des Museums zu Neapel zu
1) Strabo l. l.
2) l. l.
3) Bull. dell’ Inst. 1846, p. 122—128.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/214>, abgerufen am 25.11.2024.
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