die wir in der eben abgeschlossenen Periode betrachtet haben. Denn dort begegneten wir fast ausschliesslich den Stammes- heroen in ihrer Geltung als Halbgöttern. Des Pythagoras Eteo- kles und Polyneikes bilden eine Gruppe in lebendigster Hand- lung; sein Philoktet ist eine an das Pathetische streifende Figur. Selbst sein Apollo, welcher den Drachen erlegt, scheint nicht mehr Tempelbild im früheren strengen Sinne zu sein, nicht mehr der Gott, der einzig die Huldigungen der Sterb- lichen entgegennimmt, sondern selbst handelnd. Um so viel mehr werden wir in den athletischen Siegerstatuen des Künst- lers das Streben nach Leben und Bewegung voraussetzen dürfen. Allein wir würden dennoch ausser Stande sein, das eigenthümliche Verdienst des Künstlers näher zu bestimmen, wenn uns nicht die Winke des Plinius und Diogenes Laertius zu Hülfe kämen, die nach zwei verschiedenen Richtungen hin Licht geben, aber doch schliesslich in einer und der- selben Grundanschauung des Künstlers ihre Erklärung fin- den. Die Angabe des Plinius bezieht sich auf die Bildung einzelner Theile; das Urtheil des Diogenes betrifft die Behand- lung der Figuren im Ganzen. Die Ausdrücke, deren er sich dabei bedient, werden uns aber im Laufe dieser Untersuchungen noch oftmals begegnen, theils in Verbindung, theils im Gegen- satz mit andern Begriffen, welche nach gewöhnlichem Sprach- gebrauche kaum einen merklichen Unterschied zu bedingen scheinen. Aus diesem Grunde wird es von wesentlichem Nutzen sein, wenn wir schon hier bei ihrem ersten Erschei- nen das eigentliche Wesen dieser Begriffe in möglichster Schärfe festzustellen versuchen.
In der Kunst der Rede ist Rhythmus eine Aufeinander- folge von Zeitabtheilungen, von Längen und Kürzen, welche durch das Mittel der Sprache zur Erscheinung kommen. Diese Aufeinanderfolge ist zwar keine nothwendige; aber die passen- de Verknüpfung der Glieder bewirkt einen bestimmten Wohl- laut. Dagegen kommt im Metrum das streng mathematische Gesetz zur Geltung. Einzelne rhythmische Glieder tre- ten in eine feste gesetzmässige Verknüpfung. In dieser Beziehung steht also der Rhythmus als das minder Gesetz- mässige unter dem Metrum. Andererseits ist er jedoch wieder das Höhere, insofern er durch freiere Bewegung der Strenge des Gesetzes im Metrum seine Härte nimmt und ihm den
die wir in der eben abgeschlossenen Periode betrachtet haben. Denn dort begegneten wir fast ausschliesslich den Stammes- heroen in ihrer Geltung als Halbgöttern. Des Pythagoras Eteo- kles und Polyneikes bilden eine Gruppe in lebendigster Hand- lung; sein Philoktet ist eine an das Pathetische streifende Figur. Selbst sein Apollo, welcher den Drachen erlegt, scheint nicht mehr Tempelbild im früheren strengen Sinne zu sein, nicht mehr der Gott, der einzig die Huldigungen der Sterb- lichen entgegennimmt, sondern selbst handelnd. Um so viel mehr werden wir in den athletischen Siegerstatuen des Künst- lers das Streben nach Leben und Bewegung voraussetzen dürfen. Allein wir würden dennoch ausser Stande sein, das eigenthümliche Verdienst des Künstlers näher zu bestimmen, wenn uns nicht die Winke des Plinius und Diogenes Laërtius zu Hülfe kämen, die nach zwei verschiedenen Richtungen hin Licht geben, aber doch schliesslich in einer und der- selben Grundanschauung des Künstlers ihre Erklärung fin- den. Die Angabe des Plinius bezieht sich auf die Bildung einzelner Theile; das Urtheil des Diogenes betrifft die Behand- lung der Figuren im Ganzen. Die Ausdrücke, deren er sich dabei bedient, werden uns aber im Laufe dieser Untersuchungen noch oftmals begegnen, theils in Verbindung, theils im Gegen- satz mit andern Begriffen, welche nach gewöhnlichem Sprach- gebrauche kaum einen merklichen Unterschied zu bedingen scheinen. Aus diesem Grunde wird es von wesentlichem Nutzen sein, wenn wir schon hier bei ihrem ersten Erschei- nen das eigentliche Wesen dieser Begriffe in möglichster Schärfe festzustellen versuchen.
In der Kunst der Rede ist Rhythmus eine Aufeinander- folge von Zeitabtheilungen, von Längen und Kürzen, welche durch das Mittel der Sprache zur Erscheinung kommen. Diese Aufeinanderfolge ist zwar keine nothwendige; aber die passen- de Verknüpfung der Glieder bewirkt einen bestimmten Wohl- laut. Dagegen kommt im Metrum das streng mathematische Gesetz zur Geltung. Einzelne rhythmische Glieder tre- ten in eine feste gesetzmässige Verknüpfung. In dieser Beziehung steht also der Rhythmus als das minder Gesetz- mässige unter dem Metrum. Andererseits ist er jedoch wieder das Höhere, insofern er durch freiere Bewegung der Strenge des Gesetzes im Metrum seine Härte nimmt und ihm den
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die wir in der eben abgeschlossenen Periode betrachtet haben.
Denn dort begegneten wir fast ausschliesslich den Stammes-
heroen in ihrer Geltung als Halbgöttern. Des Pythagoras Eteo-
kles und Polyneikes bilden eine Gruppe in lebendigster Hand-
lung; sein Philoktet ist eine an das Pathetische streifende
Figur. Selbst sein Apollo, welcher den Drachen erlegt, scheint
nicht mehr Tempelbild im früheren strengen Sinne zu sein,
nicht mehr der Gott, der einzig die Huldigungen der Sterb-
lichen entgegennimmt, sondern selbst handelnd. Um so viel
mehr werden wir in den athletischen Siegerstatuen des Künst-
lers das Streben nach Leben und Bewegung voraussetzen
dürfen. Allein wir würden dennoch ausser Stande sein, das
eigenthümliche Verdienst des Künstlers näher zu bestimmen,
wenn uns nicht die Winke des Plinius und Diogenes Laërtius
zu Hülfe kämen, die nach zwei verschiedenen Richtungen
hin Licht geben, aber doch schliesslich in einer und der-
selben Grundanschauung des Künstlers ihre Erklärung fin-
den. Die Angabe des Plinius bezieht sich auf die Bildung
einzelner Theile; das Urtheil des Diogenes betrifft die Behand-
lung der Figuren im Ganzen. Die Ausdrücke, deren er sich
dabei bedient, werden uns aber im Laufe dieser Untersuchungen
noch oftmals begegnen, theils in Verbindung, theils im Gegen-
satz mit andern Begriffen, welche nach gewöhnlichem Sprach-
gebrauche kaum einen merklichen Unterschied zu bedingen
scheinen. Aus diesem Grunde wird es von wesentlichem
Nutzen sein, wenn wir schon hier bei ihrem ersten Erschei-
nen das eigentliche Wesen dieser Begriffe in möglichster
Schärfe festzustellen versuchen.
In der Kunst der Rede ist Rhythmus eine Aufeinander-
folge von Zeitabtheilungen, von Längen und Kürzen, welche
durch das Mittel der Sprache zur Erscheinung kommen. Diese
Aufeinanderfolge ist zwar keine nothwendige; aber die passen-
de Verknüpfung der Glieder bewirkt einen bestimmten Wohl-
laut. Dagegen kommt im Metrum das streng mathematische
Gesetz zur Geltung. Einzelne rhythmische Glieder tre-
ten in eine feste gesetzmässige Verknüpfung. In dieser
Beziehung steht also der Rhythmus als das minder Gesetz-
mässige unter dem Metrum. Andererseits ist er jedoch wieder
das Höhere, insofern er durch freiere Bewegung der Strenge
des Gesetzes im Metrum seine Härte nimmt und ihm den
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/149>, abgerufen am 25.11.2024.
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