* am 5. Jan. 1854 in Brüsterort im ostpreußischen Samlande, verlebte einen großen Teil seiner Kindheit im Hause seines Groß- vaters Friedrich Karbasch, königlichen Försters in Wilhelmshorst in Ost- preußen, u. kam mit acht Jahren auf das Gymnasium. Als Primaner mel- dete er sich bei Ausbruch des Krieges 1870 gleich allen seinen Genossen als Freiwilliger, wurde aber wegen un- zureichenden Alters zurückgewiesen u. erst im Frühjahr 1871 angenommen. Nach Absolvierung seiner Militär- pflicht war er eine Zeitlang bei der Direktion der ostpreußischen Süd- bahn in Königsberg i. Pr. angestellt, trat dann zur königl. Ostbahn über und ging später zur Betriebsdirektion B. der damaligen Magdeburg-Hal- berstädter Eisenbahn nach Berlin. Eines Tages stand er vor der Alter- nalive, entweder seinen Chef, einen alten Mann, zu denunzieren, oder sich durch sein Schweigen selbst mitschul- dig zu machen. Kurz entschlossen, nahm er seinen Abschied (1877) und ging ins Lager der Journalisten, seine Kraft vorwiegend der "Königsberger Allgemeinen Zeitung" widmend. Neun Jahre hielt er in diesem Berufe aus; dann hatten seine Widersacher es er- reicht, daß seine sämtlichen literari- schen Verbindungen gelöst waren. Jn- zwischen war seine Frau gestorben, die ihm zwei Söhne geboren hatte. Letztere ließ er bei seinen Eltern zu- rück, während er sich nach Berlin wandte, um eine neue Erwerbsquelle zu suchen. Aber umsonst. Und da auch bei seinem weiteren Zuge nach Westen ihm keine Aussichten sich eröffneten, so ließ er sich in Ootmarsum in Hol- land, nahe der deutschen Grenze, von [Spaltenumbruch] einem Werber für die holländische Fremdenlegion anwerben. Allein die- ser "Landhai hatte eine Seele"; er sandte den Angeworbenen nicht "in die Oost", sondern verschaffte ihm Arbeit bei einem Kanalbau. Nach Jahresfrist trat M. in eine Maschinen- bauanstalt als Gehilfe ein u. bildete sich zum Jngenieur aus. Kurze Zeit war er dann auf einem großen Ozean- dampfer in untergeordneter Stellung, der er sich dann 1888 durch Desertion nach Amerika entzog, wo er mit gro- ßer Energie seine schon in Europa be- günstigten technischen Studien weiter pflegte. Jm Jahre 1889 verheiratete er sich in Philadelphia, wo er bis 1897 blieb. Jm Frühjahr d. J. ging er mit seiner Familie nach Asien, um dort eine Stellung bei einer Eisen- bahn zu übernehmen; aber schon nach Jahresfrist trieb ihn das dortige un- gesunde Klima nach Europa zurück. Jn Berlin fand er im Experimental- Departement der Firma Siemens & Halske eine Anstellung, doch kehrte er schon 1899 nach Amerika zurück. Hier kaufte er sich 1906 eine Farm in den Wäldern Michigans, aber schon im Herbst desselben Jahres übernahm er, angeregt durch einen ihm befreun- deten Berliner Arzt, die Generalver- tretung der Griserin-Werke Berlin, einer Fabrik pharmazeutischer Prä- parate, für das ganze Nord- u. Zen- tralamerika. Er wohnt seitdem in Grand Haven (Michigan). Neben sei- ner Berufstätigkeit hat M. durch all die Jahre her immer noch Zeit und Muße gefunden, als Schriftsteller zu wirken, vorwiegend auf sozialpoliti- schem Gebiete, u. war er fleißiger Mit- arbeiter an der "Allgemein. deutschen Universitätszeitung", am "Deutsch-
* 1*
[Spaltenumbruch]
*Minuth, Fred R.,
* am 5. Jan. 1854 in Brüſterort im oſtpreußiſchen Samlande, verlebte einen großen Teil ſeiner Kindheit im Hauſe ſeines Groß- vaters Friedrich Karbaſch, königlichen Förſters in Wilhelmshorſt in Oſt- preußen, u. kam mit acht Jahren auf das Gymnaſium. Als Primaner mel- dete er ſich bei Ausbruch des Krieges 1870 gleich allen ſeinen Genoſſen als Freiwilliger, wurde aber wegen un- zureichenden Alters zurückgewieſen u. erſt im Frühjahr 1871 angenommen. Nach Abſolvierung ſeiner Militär- pflicht war er eine Zeitlang bei der Direktion der oſtpreußiſchen Süd- bahn in Königsberg i. Pr. angeſtellt, trat dann zur königl. Oſtbahn über und ging ſpäter zur Betriebsdirektion B. der damaligen Magdeburg-Hal- berſtädter Eiſenbahn nach Berlin. Eines Tages ſtand er vor der Alter- nalive, entweder ſeinen Chef, einen alten Mann, zu denunzieren, oder ſich durch ſein Schweigen ſelbſt mitſchul- dig zu machen. Kurz entſchloſſen, nahm er ſeinen Abſchied (1877) und ging ins Lager der Journaliſten, ſeine Kraft vorwiegend der „Königsberger Allgemeinen Zeitung“ widmend. Neun Jahre hielt er in dieſem Berufe aus; dann hatten ſeine Widerſacher es er- reicht, daß ſeine ſämtlichen literari- ſchen Verbindungen gelöſt waren. Jn- zwiſchen war ſeine Frau geſtorben, die ihm zwei Söhne geboren hatte. Letztere ließ er bei ſeinen Eltern zu- rück, während er ſich nach Berlin wandte, um eine neue Erwerbsquelle zu ſuchen. Aber umſonſt. Und da auch bei ſeinem weiteren Zuge nach Weſten ihm keine Ausſichten ſich eröffneten, ſo ließ er ſich in Ootmarſum in Hol- land, nahe der deutſchen Grenze, von [Spaltenumbruch] einem Werber für die holländiſche Fremdenlegion anwerben. Allein die- ſer „Landhai hatte eine Seele“; er ſandte den Angeworbenen nicht „in die Ooſt“, ſondern verſchaffte ihm Arbeit bei einem Kanalbau. Nach Jahresfriſt trat M. in eine Maſchinen- bauanſtalt als Gehilfe ein u. bildete ſich zum Jngenieur aus. Kurze Zeit war er dann auf einem großen Ozean- dampfer in untergeordneter Stellung, der er ſich dann 1888 durch Deſertion nach Amerika entzog, wo er mit gro- ßer Energie ſeine ſchon in Europa be- günſtigten techniſchen Studien weiter pflegte. Jm Jahre 1889 verheiratete er ſich in Philadelphia, wo er bis 1897 blieb. Jm Frühjahr d. J. ging er mit ſeiner Familie nach Aſien, um dort eine Stellung bei einer Eiſen- bahn zu übernehmen; aber ſchon nach Jahresfriſt trieb ihn das dortige un- geſunde Klima nach Europa zurück. Jn Berlin fand er im Experimental- Departement der Firma Siemens & Halske eine Anſtellung, doch kehrte er ſchon 1899 nach Amerika zurück. Hier kaufte er ſich 1906 eine Farm in den Wäldern Michigans, aber ſchon im Herbſt desſelben Jahres übernahm er, angeregt durch einen ihm befreun- deten Berliner Arzt, die Generalver- tretung der Griſerin-Werke Berlin, einer Fabrik pharmazeutiſcher Prä- parate, für das ganze Nord- u. Zen- tralamerika. Er wohnt ſeitdem in Grand Haven (Michigan). Neben ſei- ner Berufstätigkeit hat M. durch all die Jahre her immer noch Zeit und Muße gefunden, als Schriftſteller zu wirken, vorwiegend auf ſozialpoliti- ſchem Gebiete, u. war er fleißiger Mit- arbeiter an der „Allgemein. deutſchen Univerſitätszeitung“, am „Deutſch-
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*Minuth, Fred R., * am 5. Jan.
1854 in Brüſterort im oſtpreußiſchen
Samlande, verlebte einen großen Teil
ſeiner Kindheit im Hauſe ſeines Groß-
vaters Friedrich Karbaſch, königlichen
Förſters in Wilhelmshorſt in Oſt-
preußen, u. kam mit acht Jahren auf
das Gymnaſium. Als Primaner mel-
dete er ſich bei Ausbruch des Krieges
1870 gleich allen ſeinen Genoſſen als
Freiwilliger, wurde aber wegen un-
zureichenden Alters zurückgewieſen u.
erſt im Frühjahr 1871 angenommen.
Nach Abſolvierung ſeiner Militär-
pflicht war er eine Zeitlang bei der
Direktion der oſtpreußiſchen Süd-
bahn in Königsberg i. Pr. angeſtellt,
trat dann zur königl. Oſtbahn über
und ging ſpäter zur Betriebsdirektion
B. der damaligen Magdeburg-Hal-
berſtädter Eiſenbahn nach Berlin.
Eines Tages ſtand er vor der Alter-
nalive, entweder ſeinen Chef, einen
alten Mann, zu denunzieren, oder ſich
durch ſein Schweigen ſelbſt mitſchul-
dig zu machen. Kurz entſchloſſen, nahm
er ſeinen Abſchied (1877) und ging
ins Lager der Journaliſten, ſeine
Kraft vorwiegend der „Königsberger
Allgemeinen Zeitung“ widmend. Neun
Jahre hielt er in dieſem Berufe aus;
dann hatten ſeine Widerſacher es er-
reicht, daß ſeine ſämtlichen literari-
ſchen Verbindungen gelöſt waren. Jn-
zwiſchen war ſeine Frau geſtorben,
die ihm zwei Söhne geboren hatte.
Letztere ließ er bei ſeinen Eltern zu-
rück, während er ſich nach Berlin
wandte, um eine neue Erwerbsquelle
zu ſuchen. Aber umſonſt. Und da auch
bei ſeinem weiteren Zuge nach Weſten
ihm keine Ausſichten ſich eröffneten,
ſo ließ er ſich in Ootmarſum in Hol-
land, nahe der deutſchen Grenze, von
einem Werber für die holländiſche
Fremdenlegion anwerben. Allein die-
ſer „Landhai hatte eine Seele“; er
ſandte den Angeworbenen nicht „in
die Ooſt“, ſondern verſchaffte ihm
Arbeit bei einem Kanalbau. Nach
Jahresfriſt trat M. in eine Maſchinen-
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ſich zum Jngenieur aus. Kurze Zeit
war er dann auf einem großen Ozean-
dampfer in untergeordneter Stellung,
der er ſich dann 1888 durch Deſertion
nach Amerika entzog, wo er mit gro-
ßer Energie ſeine ſchon in Europa be-
günſtigten techniſchen Studien weiter
pflegte. Jm Jahre 1889 verheiratete
er ſich in Philadelphia, wo er bis
1897 blieb. Jm Frühjahr d. J. ging
er mit ſeiner Familie nach Aſien, um
dort eine Stellung bei einer Eiſen-
bahn zu übernehmen; aber ſchon nach
Jahresfriſt trieb ihn das dortige un-
geſunde Klima nach Europa zurück.
Jn Berlin fand er im Experimental-
Departement der Firma Siemens &
Halske eine Anſtellung, doch kehrte er
ſchon 1899 nach Amerika zurück. Hier
kaufte er ſich 1906 eine Farm in den
Wäldern Michigans, aber ſchon im
Herbſt desſelben Jahres übernahm
er, angeregt durch einen ihm befreun-
deten Berliner Arzt, die Generalver-
tretung der Griſerin-Werke Berlin,
einer Fabrik pharmazeutiſcher Prä-
parate, für das ganze Nord- u. Zen-
tralamerika. Er wohnt ſeitdem in
Grand Haven (Michigan). Neben ſei-
ner Berufstätigkeit hat M. durch all
die Jahre her immer noch Zeit und
Muße gefunden, als Schriftſteller zu
wirken, vorwiegend auf ſozialpoliti-
ſchem Gebiete, u. war er fleißiger Mit-
arbeiter an der „Allgemein. deutſchen
Univerſitätszeitung“, am „Deutſch-
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Brümmer, Franz: Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Bd. 5. 6. Aufl. Leipzig, 1913, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruemmer_lexikon05_1913/7>, abgerufen am 28.11.2024.
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