Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

zu unterhalten, wodurch sie denn nicht selten dem
Großherrn selbst furchtbar werden, der alsdann zu ih-
ren Verbrechen durch die Finger sehen muß, weil er
es nicht wagen darf, sie zu strafen. Denn so lange
der Bassa seine Truppen bezahlen kann, so lange kann
er sich auf sie verlassen. Der Woiwode ist eine
Stadtobrigkeit; der Einnehmer nimmt die Zölle ein,
und hat große Gewalt über alle Betrügereyen und
Unterschleife bey den Einkünften zu erkennen, und ist
in allen solchen Fällen so wohl der Richter als der Ur-
theilsverfasser; seine Urtheile werden immer nach dem
Gewinne, welchen sie ihm bringen, bestimmt. Der
Kadi ist Richter in allem, was das Gesetz betrifft.

Religion.

Die Türkische Religion erkennet vier Propheten,
Enoch, Moses, Christus und Mahomed. Sie
glauben, daß Judas, welcher seinen Herrn den Ju-
den verrathen wollte, von ihnen an dessen Statt ge-
kreuziget, Christus aber in den Himmel versetzet wor-
den. Sie werfen den Christen Gottlosigkeit und
Wahnsinn vor, wenn sie glauben, daß derjenige, wel-
chen sie als Gott verehren, eines so schimpflichen To-
des gestorben sey; der bloße Anblick eines Crucifixes
erfüllet sie daher schon mit Zorn und Wuth. Sie glau-
ben; daß Christus kommen wird, die Welt zu rich-
ten, daß er aber erst tausend Jahr auf Erden regie-
ren, heirathen und Kinder zeugen wird. Allein von
der Dreyeinigkeit wollen sie nichts wissen, sondern be-
haupten, daß ein solcher Gedanke ungereimt sey, und
die Einheit des höchsten Wesens, ohne welche es
nicht Gott seyn könne, aufhebe. Sie behaupten,
auf Christum sey Mahomed gefolget, nach welchem
weiter kein Prophet kommen werde. Sie glauben,

daß

zu unterhalten, wodurch ſie denn nicht ſelten dem
Großherrn ſelbſt furchtbar werden, der alsdann zu ih-
ren Verbrechen durch die Finger ſehen muß, weil er
es nicht wagen darf, ſie zu ſtrafen. Denn ſo lange
der Baſſa ſeine Truppen bezahlen kann, ſo lange kann
er ſich auf ſie verlaſſen. Der Woiwode iſt eine
Stadtobrigkeit; der Einnehmer nimmt die Zoͤlle ein,
und hat große Gewalt uͤber alle Betruͤgereyen und
Unterſchleife bey den Einkuͤnften zu erkennen, und iſt
in allen ſolchen Faͤllen ſo wohl der Richter als der Ur-
theilsverfaſſer; ſeine Urtheile werden immer nach dem
Gewinne, welchen ſie ihm bringen, beſtimmt. Der
Kadi iſt Richter in allem, was das Geſetz betrifft.

Religion.

Die Tuͤrkiſche Religion erkennet vier Propheten,
Enoch, Moſes, Chriſtus und Mahomed. Sie
glauben, daß Judas, welcher ſeinen Herrn den Ju-
den verrathen wollte, von ihnen an deſſen Statt ge-
kreuziget, Chriſtus aber in den Himmel verſetzet wor-
den. Sie werfen den Chriſten Gottloſigkeit und
Wahnſinn vor, wenn ſie glauben, daß derjenige, wel-
chen ſie als Gott verehren, eines ſo ſchimpflichen To-
des geſtorben ſey; der bloße Anblick eines Crucifixes
erfuͤllet ſie daher ſchon mit Zorn und Wuth. Sie glau-
ben; daß Chriſtus kommen wird, die Welt zu rich-
ten, daß er aber erſt tauſend Jahr auf Erden regie-
ren, heirathen und Kinder zeugen wird. Allein von
der Dreyeinigkeit wollen ſie nichts wiſſen, ſondern be-
haupten, daß ein ſolcher Gedanke ungereimt ſey, und
die Einheit des hoͤchſten Weſens, ohne welche es
nicht Gott ſeyn koͤnne, aufhebe. Sie behaupten,
auf Chriſtum ſey Mahomed gefolget, nach welchem
weiter kein Prophet kommen werde. Sie glauben,

daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0074" n="64"/>
zu unterhalten, wodurch &#x017F;ie denn nicht &#x017F;elten dem<lb/>
Großherrn &#x017F;elb&#x017F;t furchtbar werden, der alsdann zu ih-<lb/>
ren Verbrechen durch die Finger &#x017F;ehen muß, weil er<lb/>
es nicht wagen darf, &#x017F;ie zu &#x017F;trafen. Denn &#x017F;o lange<lb/>
der Ba&#x017F;&#x017F;a &#x017F;eine Truppen bezahlen kann, &#x017F;o lange kann<lb/>
er &#x017F;ich auf &#x017F;ie verla&#x017F;&#x017F;en. Der Woiwode i&#x017F;t eine<lb/>
Stadtobrigkeit; der Einnehmer nimmt die Zo&#x0364;lle ein,<lb/>
und hat große Gewalt u&#x0364;ber alle Betru&#x0364;gereyen und<lb/>
Unter&#x017F;chleife bey den Einku&#x0364;nften zu erkennen, und i&#x017F;t<lb/>
in allen &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen &#x017F;o wohl der Richter als der Ur-<lb/>
theilsverfa&#x017F;&#x017F;er; &#x017F;eine Urtheile werden immer nach dem<lb/>
Gewinne, welchen &#x017F;ie ihm bringen, be&#x017F;timmt. Der<lb/>
Kadi i&#x017F;t Richter in allem, was das Ge&#x017F;etz betrifft.</p><lb/>
        <note place="left">Religion.</note>
        <p>Die Tu&#x0364;rki&#x017F;che Religion erkennet vier Propheten,<lb/>
Enoch, Mo&#x017F;es, Chri&#x017F;tus und Mahomed. Sie<lb/>
glauben, daß Judas, welcher &#x017F;einen Herrn den Ju-<lb/>
den verrathen wollte, von ihnen an de&#x017F;&#x017F;en Statt ge-<lb/>
kreuziget, Chri&#x017F;tus aber in den Himmel ver&#x017F;etzet wor-<lb/>
den. Sie werfen den Chri&#x017F;ten Gottlo&#x017F;igkeit und<lb/>
Wahn&#x017F;inn vor, wenn &#x017F;ie glauben, daß derjenige, wel-<lb/>
chen &#x017F;ie als Gott verehren, eines &#x017F;o &#x017F;chimpflichen To-<lb/>
des ge&#x017F;torben &#x017F;ey; der bloße Anblick eines Crucifixes<lb/>
erfu&#x0364;llet &#x017F;ie daher &#x017F;chon mit Zorn und Wuth. Sie glau-<lb/>
ben; daß Chri&#x017F;tus kommen wird, die Welt zu rich-<lb/>
ten, daß er aber er&#x017F;t tau&#x017F;end Jahr auf Erden regie-<lb/>
ren, heirathen und Kinder zeugen wird. Allein von<lb/>
der Dreyeinigkeit wollen &#x017F;ie nichts wi&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern be-<lb/>
haupten, daß ein &#x017F;olcher Gedanke ungereimt &#x017F;ey, und<lb/>
die Einheit des ho&#x0364;ch&#x017F;ten We&#x017F;ens, ohne welche es<lb/>
nicht Gott &#x017F;eyn ko&#x0364;nne, aufhebe. Sie behaupten,<lb/>
auf Chri&#x017F;tum &#x017F;ey Mahomed gefolget, nach welchem<lb/>
weiter kein Prophet kommen werde. Sie glauben,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0074] zu unterhalten, wodurch ſie denn nicht ſelten dem Großherrn ſelbſt furchtbar werden, der alsdann zu ih- ren Verbrechen durch die Finger ſehen muß, weil er es nicht wagen darf, ſie zu ſtrafen. Denn ſo lange der Baſſa ſeine Truppen bezahlen kann, ſo lange kann er ſich auf ſie verlaſſen. Der Woiwode iſt eine Stadtobrigkeit; der Einnehmer nimmt die Zoͤlle ein, und hat große Gewalt uͤber alle Betruͤgereyen und Unterſchleife bey den Einkuͤnften zu erkennen, und iſt in allen ſolchen Faͤllen ſo wohl der Richter als der Ur- theilsverfaſſer; ſeine Urtheile werden immer nach dem Gewinne, welchen ſie ihm bringen, beſtimmt. Der Kadi iſt Richter in allem, was das Geſetz betrifft. Die Tuͤrkiſche Religion erkennet vier Propheten, Enoch, Moſes, Chriſtus und Mahomed. Sie glauben, daß Judas, welcher ſeinen Herrn den Ju- den verrathen wollte, von ihnen an deſſen Statt ge- kreuziget, Chriſtus aber in den Himmel verſetzet wor- den. Sie werfen den Chriſten Gottloſigkeit und Wahnſinn vor, wenn ſie glauben, daß derjenige, wel- chen ſie als Gott verehren, eines ſo ſchimpflichen To- des geſtorben ſey; der bloße Anblick eines Crucifixes erfuͤllet ſie daher ſchon mit Zorn und Wuth. Sie glau- ben; daß Chriſtus kommen wird, die Welt zu rich- ten, daß er aber erſt tauſend Jahr auf Erden regie- ren, heirathen und Kinder zeugen wird. Allein von der Dreyeinigkeit wollen ſie nichts wiſſen, ſondern be- haupten, daß ein ſolcher Gedanke ungereimt ſey, und die Einheit des hoͤchſten Weſens, ohne welche es nicht Gott ſeyn koͤnne, aufhebe. Sie behaupten, auf Chriſtum ſey Mahomed gefolget, nach welchem weiter kein Prophet kommen werde. Sie glauben, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/74
Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/74>, abgerufen am 04.05.2024.