Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Den 9ten wurde uns der Wind günstig, und blieb
bis um zehn Uhr des andern Tages, als wir nahe bey
der Jnsel Bornholm waren; weil sich aber der Wind
plötzlich änderte, so wurden wir zurückgetrieben, und
sahen uns genöthiget, in den Hafen Erdholm einzu-
laufen. Nach einem gegebenen Zeichen kam ein Pi-
lot auf das Schiff, der mit unserm Schiffe mehr aus
Vorsatz als Unwissenheit beym Eingange des Hafens
auf einen Felsen stieß, und zwar so nahe am Ufer, daß
die daselbst stehenden Schildwachen unsere Bewegun-
gen auf dem Verdecke deutlich sehen konnten. Ob sie
nun unsere Noth gleich wußten, und Kähne in Men-
ge bey ihnen am Ufer waren, so that doch keiner ei-
nen Schritt uns beyzustehen. Als unser Anker ge-
worfen wurde, und der Gouverneur gewahr wurde,
daß ich besser Anstalten machen als selbst arbeiten
konnte, so schloß er daraus, daß ich ein Passagier
seyn müsse, ob ich gleich als ein Schiffer gekleidet
war. Er schickte daher seinen Adjutanten mit einem
Bothe ab, mich und meine Sachen ans Land zu brin-
gen, welches ich bereitwillig annahm. Als ich hier-
auf zu dem Gouverneur kam, so kannten wir einan-
der, und hatten einander sowohl in Flandern als Co-
penhagen, als sich die russische Armee an dem letztern
Orte befand, kennen lernen. Ehe ich mich aber noch
in ein Gespräch mit ihm einließ, bat ich ihn so nach-
drücklich um Beystand, das Schiff von dem Felsen
herunter zu bringen, daß er Bothe genug schickte, die
die Ladung einnahmen und das Schiff so leicht mach-
ten, daß es ohne den geringsten Schaden los kam.
Es war kaum in den Hafen eingelaufen, als ein hef-
tiger Sturm entstand, der es würde in Stücken zer-

brochen
E e

Den 9ten wurde uns der Wind guͤnſtig, und blieb
bis um zehn Uhr des andern Tages, als wir nahe bey
der Jnſel Bornholm waren; weil ſich aber der Wind
ploͤtzlich aͤnderte, ſo wurden wir zuruͤckgetrieben, und
ſahen uns genoͤthiget, in den Hafen Erdholm einzu-
laufen. Nach einem gegebenen Zeichen kam ein Pi-
lot auf das Schiff, der mit unſerm Schiffe mehr aus
Vorſatz als Unwiſſenheit beym Eingange des Hafens
auf einen Felſen ſtieß, und zwar ſo nahe am Ufer, daß
die daſelbſt ſtehenden Schildwachen unſere Bewegun-
gen auf dem Verdecke deutlich ſehen konnten. Ob ſie
nun unſere Noth gleich wußten, und Kaͤhne in Men-
ge bey ihnen am Ufer waren, ſo that doch keiner ei-
nen Schritt uns beyzuſtehen. Als unſer Anker ge-
worfen wurde, und der Gouverneur gewahr wurde,
daß ich beſſer Anſtalten machen als ſelbſt arbeiten
konnte, ſo ſchloß er daraus, daß ich ein Paſſagier
ſeyn muͤſſe, ob ich gleich als ein Schiffer gekleidet
war. Er ſchickte daher ſeinen Adjutanten mit einem
Bothe ab, mich und meine Sachen ans Land zu brin-
gen, welches ich bereitwillig annahm. Als ich hier-
auf zu dem Gouverneur kam, ſo kannten wir einan-
der, und hatten einander ſowohl in Flandern als Co-
penhagen, als ſich die ruſſiſche Armee an dem letztern
Orte befand, kennen lernen. Ehe ich mich aber noch
in ein Geſpraͤch mit ihm einließ, bat ich ihn ſo nach-
druͤcklich um Beyſtand, das Schiff von dem Felſen
herunter zu bringen, daß er Bothe genug ſchickte, die
die Ladung einnahmen und das Schiff ſo leicht mach-
ten, daß es ohne den geringſten Schaden los kam.
Es war kaum in den Hafen eingelaufen, als ein hef-
tiger Sturm entſtand, der es wuͤrde in Stuͤcken zer-

brochen
E e
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0443" n="433"/>
Den 9ten wurde uns der Wind gu&#x0364;n&#x017F;tig, und blieb<lb/>
bis um zehn Uhr des andern Tages, als wir nahe bey<lb/>
der Jn&#x017F;el Bornholm waren; weil &#x017F;ich aber der Wind<lb/>
plo&#x0364;tzlich a&#x0364;nderte, &#x017F;o wurden wir zuru&#x0364;ckgetrieben, und<lb/>
&#x017F;ahen uns geno&#x0364;thiget, in den Hafen Erdholm einzu-<lb/>
laufen. Nach einem gegebenen Zeichen kam ein Pi-<lb/>
lot auf das Schiff, der mit un&#x017F;erm Schiffe mehr aus<lb/>
Vor&#x017F;atz als Unwi&#x017F;&#x017F;enheit beym Eingange des Hafens<lb/>
auf einen Fel&#x017F;en &#x017F;tieß, und zwar &#x017F;o nahe am Ufer, daß<lb/>
die da&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;tehenden Schildwachen un&#x017F;ere Bewegun-<lb/>
gen auf dem Verdecke deutlich &#x017F;ehen konnten. Ob &#x017F;ie<lb/>
nun un&#x017F;ere Noth gleich wußten, und Ka&#x0364;hne in Men-<lb/>
ge bey ihnen am Ufer waren, &#x017F;o that doch keiner ei-<lb/>
nen Schritt uns beyzu&#x017F;tehen. Als un&#x017F;er Anker ge-<lb/>
worfen wurde, und der Gouverneur gewahr wurde,<lb/>
daß ich be&#x017F;&#x017F;er An&#x017F;talten machen als &#x017F;elb&#x017F;t arbeiten<lb/>
konnte, &#x017F;o &#x017F;chloß er daraus, daß ich ein Pa&#x017F;&#x017F;agier<lb/>
&#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, ob ich gleich als ein Schiffer gekleidet<lb/>
war. Er &#x017F;chickte daher &#x017F;einen Adjutanten mit einem<lb/>
Bothe ab, mich und meine Sachen ans Land zu brin-<lb/>
gen, welches ich bereitwillig annahm. Als ich hier-<lb/>
auf zu dem Gouverneur kam, &#x017F;o kannten wir einan-<lb/>
der, und hatten einander &#x017F;owohl in Flandern als Co-<lb/>
penhagen, als &#x017F;ich die ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Armee an dem letztern<lb/>
Orte befand, kennen lernen. Ehe ich mich aber noch<lb/>
in ein Ge&#x017F;pra&#x0364;ch mit ihm einließ, bat ich ihn &#x017F;o nach-<lb/>
dru&#x0364;cklich um Bey&#x017F;tand, das Schiff von dem Fel&#x017F;en<lb/>
herunter zu bringen, daß er Bothe genug &#x017F;chickte, die<lb/>
die Ladung einnahmen und das Schiff &#x017F;o leicht mach-<lb/>
ten, daß es ohne den gering&#x017F;ten Schaden los kam.<lb/>
Es war kaum in den Hafen eingelaufen, als ein hef-<lb/>
tiger Sturm ent&#x017F;tand, der es wu&#x0364;rde in Stu&#x0364;cken zer-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E e</fw><fw place="bottom" type="catch">brochen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[433/0443] Den 9ten wurde uns der Wind guͤnſtig, und blieb bis um zehn Uhr des andern Tages, als wir nahe bey der Jnſel Bornholm waren; weil ſich aber der Wind ploͤtzlich aͤnderte, ſo wurden wir zuruͤckgetrieben, und ſahen uns genoͤthiget, in den Hafen Erdholm einzu- laufen. Nach einem gegebenen Zeichen kam ein Pi- lot auf das Schiff, der mit unſerm Schiffe mehr aus Vorſatz als Unwiſſenheit beym Eingange des Hafens auf einen Felſen ſtieß, und zwar ſo nahe am Ufer, daß die daſelbſt ſtehenden Schildwachen unſere Bewegun- gen auf dem Verdecke deutlich ſehen konnten. Ob ſie nun unſere Noth gleich wußten, und Kaͤhne in Men- ge bey ihnen am Ufer waren, ſo that doch keiner ei- nen Schritt uns beyzuſtehen. Als unſer Anker ge- worfen wurde, und der Gouverneur gewahr wurde, daß ich beſſer Anſtalten machen als ſelbſt arbeiten konnte, ſo ſchloß er daraus, daß ich ein Paſſagier ſeyn muͤſſe, ob ich gleich als ein Schiffer gekleidet war. Er ſchickte daher ſeinen Adjutanten mit einem Bothe ab, mich und meine Sachen ans Land zu brin- gen, welches ich bereitwillig annahm. Als ich hier- auf zu dem Gouverneur kam, ſo kannten wir einan- der, und hatten einander ſowohl in Flandern als Co- penhagen, als ſich die ruſſiſche Armee an dem letztern Orte befand, kennen lernen. Ehe ich mich aber noch in ein Geſpraͤch mit ihm einließ, bat ich ihn ſo nach- druͤcklich um Beyſtand, das Schiff von dem Felſen herunter zu bringen, daß er Bothe genug ſchickte, die die Ladung einnahmen und das Schiff ſo leicht mach- ten, daß es ohne den geringſten Schaden los kam. Es war kaum in den Hafen eingelaufen, als ein hef- tiger Sturm entſtand, der es wuͤrde in Stuͤcken zer- brochen E e

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/443
Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/443>, abgerufen am 22.11.2024.