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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

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Franzosen nackend wären ausgezogen und eines Mo-
nathes Löhnung beraubet worden, so gab der Gouver-
neur dem Officier einen derben Verweis, sagte, daß
er armen verwundeten und wehrlosen Leuten lieber hät-
te Beystand leisten, als so mit ihnen umgehen sollen,
und befahl ihm, dem Sergeanten sowohl die Klei-
dungsstücke als auch das Geld wieder heraus zu ge-
ben; den Sergeanten aber schickte er mit einem Passe
nach Mastricht. Ein Beyspiel des Edelmuthes,
welchen man selten bey einem Feinde antrifft. Da ich
an meiner Wunde noch immer unpaß war, so beschloß
ich zu Hall zu bleiben, ob es gleich ein offner Ort
war, der fast täglich von Französischen Partheyen be-
sucht ward. Jch hatte hier einen geschickten Wund-
arzt, der niemand als mich selbst zu besorgen hatte,
und daher meine Wunde desto besser abwarten konnte,
dagegen in Brüssel alles voll von unsern Verwunde-
ten war. So lange ich hier war, genoß ich viele Höf-
lichkeit von der Geistlichkeit dieses Ortes, hielt mich
aber nicht länger auf, als bis ich auf Krücken gehen
konnte, da ich denn einen Französischen Paß bekam,
und mich nach Mastricht begab, wo ein Lieutenants-
Patent auf mich wartete.

1710. Vier-
ter Feldzug.

1710 verließen wir schon im April unsere Win-
terquartiere und kamen den 15ten bey Dornick an,
wo unser allgemeiner Sammelplatz war. Den 20sten,
nachdem die Armee formiret war, brach sie Nachmit-
tags um 5 Uhr auf, und marschierte die ganze Nacht
in zwey Colonnen. Unser Aufbruch war so unerwar-
tet, und ward mit so vieler Verschwiegenheit und Ord-
nung vollzogen, daß wir den folgenden Morgen ohne
den geringsten Widerstand in die Französischen Linien

einrückten.

Franzoſen nackend waͤren ausgezogen und eines Mo-
nathes Loͤhnung beraubet worden, ſo gab der Gouver-
neur dem Officier einen derben Verweis, ſagte, daß
er armen verwundeten und wehrloſen Leuten lieber haͤt-
te Beyſtand leiſten, als ſo mit ihnen umgehen ſollen,
und befahl ihm, dem Sergeanten ſowohl die Klei-
dungsſtuͤcke als auch das Geld wieder heraus zu ge-
ben; den Sergeanten aber ſchickte er mit einem Paſſe
nach Maſtricht. Ein Beyſpiel des Edelmuthes,
welchen man ſelten bey einem Feinde antrifft. Da ich
an meiner Wunde noch immer unpaß war, ſo beſchloß
ich zu Hall zu bleiben, ob es gleich ein offner Ort
war, der faſt taͤglich von Franzoͤſiſchen Partheyen be-
ſucht ward. Jch hatte hier einen geſchickten Wund-
arzt, der niemand als mich ſelbſt zu beſorgen hatte,
und daher meine Wunde deſto beſſer abwarten konnte,
dagegen in Bruͤſſel alles voll von unſern Verwunde-
ten war. So lange ich hier war, genoß ich viele Hoͤf-
lichkeit von der Geiſtlichkeit dieſes Ortes, hielt mich
aber nicht laͤnger auf, als bis ich auf Kruͤcken gehen
konnte, da ich denn einen Franzoͤſiſchen Paß bekam,
und mich nach Maſtricht begab, wo ein Lieutenants-
Patent auf mich wartete.

1710. Vier-
ter Feldzug.

1710 verließen wir ſchon im April unſere Win-
terquartiere und kamen den 15ten bey Dornick an,
wo unſer allgemeiner Sammelplatz war. Den 20ſten,
nachdem die Armee formiret war, brach ſie Nachmit-
tags um 5 Uhr auf, und marſchierte die ganze Nacht
in zwey Colonnen. Unſer Aufbruch war ſo unerwar-
tet, und ward mit ſo vieler Verſchwiegenheit und Ord-
nung vollzogen, daß wir den folgenden Morgen ohne
den geringſten Widerſtand in die Franzoͤſiſchen Linien

einruͤckten.
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[28/0038] Franzoſen nackend waͤren ausgezogen und eines Mo- nathes Loͤhnung beraubet worden, ſo gab der Gouver- neur dem Officier einen derben Verweis, ſagte, daß er armen verwundeten und wehrloſen Leuten lieber haͤt- te Beyſtand leiſten, als ſo mit ihnen umgehen ſollen, und befahl ihm, dem Sergeanten ſowohl die Klei- dungsſtuͤcke als auch das Geld wieder heraus zu ge- ben; den Sergeanten aber ſchickte er mit einem Paſſe nach Maſtricht. Ein Beyſpiel des Edelmuthes, welchen man ſelten bey einem Feinde antrifft. Da ich an meiner Wunde noch immer unpaß war, ſo beſchloß ich zu Hall zu bleiben, ob es gleich ein offner Ort war, der faſt taͤglich von Franzoͤſiſchen Partheyen be- ſucht ward. Jch hatte hier einen geſchickten Wund- arzt, der niemand als mich ſelbſt zu beſorgen hatte, und daher meine Wunde deſto beſſer abwarten konnte, dagegen in Bruͤſſel alles voll von unſern Verwunde- ten war. So lange ich hier war, genoß ich viele Hoͤf- lichkeit von der Geiſtlichkeit dieſes Ortes, hielt mich aber nicht laͤnger auf, als bis ich auf Kruͤcken gehen konnte, da ich denn einen Franzoͤſiſchen Paß bekam, und mich nach Maſtricht begab, wo ein Lieutenants- Patent auf mich wartete. 1710 verließen wir ſchon im April unſere Win- terquartiere und kamen den 15ten bey Dornick an, wo unſer allgemeiner Sammelplatz war. Den 20ſten, nachdem die Armee formiret war, brach ſie Nachmit- tags um 5 Uhr auf, und marſchierte die ganze Nacht in zwey Colonnen. Unſer Aufbruch war ſo unerwar- tet, und ward mit ſo vieler Verſchwiegenheit und Ord- nung vollzogen, daß wir den folgenden Morgen ohne den geringſten Widerſtand in die Franzoͤſiſchen Linien einruͤckten.

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Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/38>, abgerufen am 21.11.2024.