Die, wenn sie, Herr, von deinen Werken, von Welt und Sinnen nichtes wüßten, Jn ewiger Unwissenheit von deinem Daseyn bleiben müßten. Wie könnten immermehr Begriffe, Gedanken, Bilder und Jdeen Jn einer sinnen-körperlosen und leeren Menschenseel' ent- stehen? Der klügste Geist müßt' ohne Kraft, ohn' Ueberlegung und Vergnügen, Ein nimmerdenkend Wesen bleiben, kein Geist seyn, ewig brache liegen. Muß eine Seele denn nicht billig den Werth, o Herr, von deinen Werken, Die deine Herrlichkeit uns zeigen, mit Andacht, Dank und Ehrfurcht merken? Dein Schaffen, Formen und Erhalten, dein unbegreifli- ches Regieren So ungeheurer Himmelskörper, der Welt und aller Wesen spüren, Bewundern und dich anzubeten, und zwar dich ewgen Gott allein Tief unterwürfig zu verehren, gereizet und verbunden seyn? Du rufst Geschöpfen, und sie kommen; du sprichst: ver- geht, und sie vergehen, Da andre denn, auf deinen Wink, aufs neu, an ihrer Stell', entstehen. Wobey jedoch vernünftge Wesen auf deine Liebe sich ver- lassen, Und, daß sie nicht vernichtigt werden, zu deiner Ehr' im Glauben fassen. Sie sehen die Zerstörlichkeit der Körper, und ihr Aendern an Als Folgen deiner weisen Ordnung, doch die den Geist nicht treffen kann.
O großer
N n 3
zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
Die, wenn ſie, Herr, von deinen Werken, von Welt und Sinnen nichtes wuͤßten, Jn ewiger Unwiſſenheit von deinem Daſeyn bleiben muͤßten. Wie koͤnnten immermehr Begriffe, Gedanken, Bilder und Jdeen Jn einer ſinnen-koͤrperloſen und leeren Menſchenſeel’ ent- ſtehen? Der kluͤgſte Geiſt muͤßt’ ohne Kraft, ohn’ Ueberlegung und Vergnuͤgen, Ein nimmerdenkend Weſen bleiben, kein Geiſt ſeyn, ewig brache liegen. Muß eine Seele denn nicht billig den Werth, o Herr, von deinen Werken, Die deine Herrlichkeit uns zeigen, mit Andacht, Dank und Ehrfurcht merken? Dein Schaffen, Formen und Erhalten, dein unbegreifli- ches Regieren So ungeheurer Himmelskoͤrper, der Welt und aller Weſen ſpuͤren, Bewundern und dich anzubeten, und zwar dich ewgen Gott allein Tief unterwuͤrfig zu verehren, gereizet und verbunden ſeyn? Du rufſt Geſchoͤpfen, und ſie kommen; du ſprichſt: ver- geht, und ſie vergehen, Da andre denn, auf deinen Wink, aufs neu, an ihrer Stell’, entſtehen. Wobey jedoch vernuͤnftge Weſen auf deine Liebe ſich ver- laſſen, Und, daß ſie nicht vernichtigt werden, zu deiner Ehr’ im Glauben faſſen. Sie ſehen die Zerſtoͤrlichkeit der Koͤrper, und ihr Aendern an Als Folgen deiner weiſen Ordnung, doch die den Geiſt nicht treffen kann.
O großer
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zum vergnuͤgten und gelaſſenen Sterben.
Die, wenn ſie, Herr, von deinen Werken, von Welt und
Sinnen nichtes wuͤßten,
Jn ewiger Unwiſſenheit von deinem Daſeyn bleiben muͤßten.
Wie koͤnnten immermehr Begriffe, Gedanken, Bilder und
Jdeen
Jn einer ſinnen-koͤrperloſen und leeren Menſchenſeel’ ent-
ſtehen?
Der kluͤgſte Geiſt muͤßt’ ohne Kraft, ohn’ Ueberlegung
und Vergnuͤgen,
Ein nimmerdenkend Weſen bleiben, kein Geiſt ſeyn, ewig
brache liegen.
Muß eine Seele denn nicht billig den Werth, o Herr,
von deinen Werken,
Die deine Herrlichkeit uns zeigen, mit Andacht, Dank
und Ehrfurcht merken?
Dein Schaffen, Formen und Erhalten, dein unbegreifli-
ches Regieren
So ungeheurer Himmelskoͤrper, der Welt und aller Weſen
ſpuͤren,
Bewundern und dich anzubeten, und zwar dich ewgen
Gott allein
Tief unterwuͤrfig zu verehren, gereizet und verbunden ſeyn?
Du rufſt Geſchoͤpfen, und ſie kommen; du ſprichſt: ver-
geht, und ſie vergehen,
Da andre denn, auf deinen Wink, aufs neu, an ihrer
Stell’, entſtehen.
Wobey jedoch vernuͤnftge Weſen auf deine Liebe ſich ver-
laſſen,
Und, daß ſie nicht vernichtigt werden, zu deiner Ehr’ im
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Als Folgen deiner weiſen Ordnung, doch die den Geiſt
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/585>, abgerufen am 23.06.2024.
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