Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite


Lobgedichte
auf die Pamela.
Das, was man, von der wahren Tugend, in hun-
dert tausend Büchern lehret,
Wird, durch der Pamela Betragen, auf eine solche
Weis' erkläret,
Daß der nicht nur kein tugendhaftes, kein menschlichs
Herz im Busen hegt,
Den diese tugendhafte Schöne zur Tugendliebe nicht be-
wegt.


Die Tugend war den Sterblichen, doch nur dem Na-
men nach, bekannt,
Bis sie, uns Menschen zu beglücken, beschloß, zu uns
herab zu steigen,
Und uns, mit allem ihren Reiz, sich in der Pamela zu
zeigen.
Doch leider! es war diese Mühe von ihr vergebens an-
gewandt.
Die Pamela ward spröd und kalt, als ein gemeines Buch,
gelesen;
Ein jeder, wenig ausgenommen, blieb das, so er vorher
gewesen.
Jhr Sittenlehrer, könnt denn künftig all' eure Lehren sicher
sparen;
Die Menschen werden immer seyn so gut und böse, wie
sie waren.
Jch
M m 5


Lobgedichte
auf die Pamela.
Das, was man, von der wahren Tugend, in hun-
dert tauſend Buͤchern lehret,
Wird, durch der Pamela Betragen, auf eine ſolche
Weiſ’ erklaͤret,
Daß der nicht nur kein tugendhaftes, kein menſchlichs
Herz im Buſen hegt,
Den dieſe tugendhafte Schoͤne zur Tugendliebe nicht be-
wegt.


Die Tugend war den Sterblichen, doch nur dem Na-
men nach, bekannt,
Bis ſie, uns Menſchen zu begluͤcken, beſchloß, zu uns
herab zu ſteigen,
Und uns, mit allem ihren Reiz, ſich in der Pamela zu
zeigen.
Doch leider! es war dieſe Muͤhe von ihr vergebens an-
gewandt.
Die Pamela ward ſproͤd und kalt, als ein gemeines Buch,
geleſen;
Ein jeder, wenig ausgenommen, blieb das, ſo er vorher
geweſen.
Jhr Sittenlehrer, koͤnnt denn kuͤnftig all’ eure Lehren ſicher
ſparen;
Die Menſchen werden immer ſeyn ſo gut und boͤſe, wie
ſie waren.
Jch
M m 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0573" n="553"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Lobgedichte<lb/>
auf die Pamela.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">D</hi>as, was man, von der wahren Tugend, in hun-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">dert tau&#x017F;end Bu&#x0364;chern lehret,</hi> </l><lb/>
              <l>Wird, durch der Pamela Betragen, auf eine &#x017F;olche</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Wei&#x017F;&#x2019; erkla&#x0364;ret,</hi> </l><lb/>
              <l>Daß der nicht nur kein tugendhaftes, kein men&#x017F;chlichs</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Herz im Bu&#x017F;en hegt,</hi> </l><lb/>
              <l>Den die&#x017F;e tugendhafte Scho&#x0364;ne zur Tugendliebe nicht be-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">wegt.</hi> </l>
            </lg><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">D</hi>ie Tugend war den Sterblichen, doch nur dem Na-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">men nach, bekannt,</hi> </l><lb/>
              <l>Bis &#x017F;ie, uns Men&#x017F;chen zu beglu&#x0364;cken, be&#x017F;chloß, zu uns</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">herab zu &#x017F;teigen,</hi> </l><lb/>
              <l>Und uns, mit allem ihren Reiz, &#x017F;ich in der Pamela zu</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">zeigen.</hi> </l><lb/>
              <l>Doch leider! es war die&#x017F;e Mu&#x0364;he von ihr vergebens an-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">gewandt.</hi> </l><lb/>
              <l>Die Pamela ward &#x017F;pro&#x0364;d und kalt, als ein gemeines Buch,</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">gele&#x017F;en;</hi> </l><lb/>
              <l>Ein jeder, wenig ausgenommen, blieb das, &#x017F;o er vorher</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">gewe&#x017F;en.</hi> </l><lb/>
              <l>Jhr Sittenlehrer, ko&#x0364;nnt denn ku&#x0364;nftig all&#x2019; eure Lehren &#x017F;icher</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">&#x017F;paren;</hi> </l><lb/>
              <l>Die Men&#x017F;chen werden immer &#x017F;eyn &#x017F;o gut und bo&#x0364;&#x017F;e, wie</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">&#x017F;ie waren.</hi> </l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">M m 5</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[553/0573] Lobgedichte auf die Pamela. Das, was man, von der wahren Tugend, in hun- dert tauſend Buͤchern lehret, Wird, durch der Pamela Betragen, auf eine ſolche Weiſ’ erklaͤret, Daß der nicht nur kein tugendhaftes, kein menſchlichs Herz im Buſen hegt, Den dieſe tugendhafte Schoͤne zur Tugendliebe nicht be- wegt. Die Tugend war den Sterblichen, doch nur dem Na- men nach, bekannt, Bis ſie, uns Menſchen zu begluͤcken, beſchloß, zu uns herab zu ſteigen, Und uns, mit allem ihren Reiz, ſich in der Pamela zu zeigen. Doch leider! es war dieſe Muͤhe von ihr vergebens an- gewandt. Die Pamela ward ſproͤd und kalt, als ein gemeines Buch, geleſen; Ein jeder, wenig ausgenommen, blieb das, ſo er vorher geweſen. Jhr Sittenlehrer, koͤnnt denn kuͤnftig all’ eure Lehren ſicher ſparen; Die Menſchen werden immer ſeyn ſo gut und boͤſe, wie ſie waren. Jch M m 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/573
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/573>, abgerufen am 23.06.2024.