Sobald dein Nächster dir misfällt, Wirst du auch ihm gar bald misfallen. Wann nun dein Nächster alle Welt; So bleibet dieses festgestellt: Misfällt sie dir; misfällst du allen.
Erwägte man doch diese Lehre: daß unsere Rechthabe- rey, Anstatt uns Ehr und Ruhm zu bringen, ohn Ausnahm, immer schädlich sey! Der, den auch deine Klugheit selber im Zanken zwingt, dir Recht zu lassen, Wird, zur Belohnung deines Sieges, betrübter Lohn! gewiß dich hassen.
Solche Schönheit hat die Tugend, daß selbst unsre Lüste nie Vollenkommen ohne sie.
Räth-
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zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Sobald dein Naͤchſter dir misfaͤllt, Wirſt du auch ihm gar bald misfallen. Wann nun dein Naͤchſter alle Welt; So bleibet dieſes feſtgeſtellt: Misfaͤllt ſie dir; misfaͤllſt du allen.
Erwaͤgte man doch dieſe Lehre: daß unſere Rechthabe- rey, Anſtatt uns Ehr und Ruhm zu bringen, ohn Ausnahm, immer ſchaͤdlich ſey! Der, den auch deine Klugheit ſelber im Zanken zwingt, dir Recht zu laſſen, Wird, zur Belohnung deines Sieges, betruͤbter Lohn! gewiß dich haſſen.
Solche Schoͤnheit hat die Tugend, daß ſelbſt unſre Luͤſte nie Vollenkommen ohne ſie.
Raͤth-
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zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.
Sobald dein Naͤchſter dir misfaͤllt,
Wirſt du auch ihm gar bald misfallen.
Wann nun dein Naͤchſter alle Welt;
So bleibet dieſes feſtgeſtellt:
Misfaͤllt ſie dir; misfaͤllſt du allen.
Erwaͤgte man doch dieſe Lehre: daß unſere Rechthabe-
rey,
Anſtatt uns Ehr und Ruhm zu bringen, ohn Ausnahm,
immer ſchaͤdlich ſey!
Der, den auch deine Klugheit ſelber im Zanken zwingt,
dir Recht zu laſſen,
Wird, zur Belohnung deines Sieges, betruͤbter Lohn!
gewiß dich haſſen.
Solche Schoͤnheit hat die Tugend, daß ſelbſt unſre
Luͤſte nie
Vollenkommen ohne ſie.
Raͤth-
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/571>, abgerufen am 23.06.2024.
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