Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

zum irdischen Vergnügen in Gott.

Sie ertragen, ohne Lindrung, allen Zorn der Jahres-
zeiten,

Sonder ihren mildern Einfluß und derselben Lieblichkeiten
Je zu fühlen, zu genießen. Ein beständger Lebenszwang
Folget ihnen auf den Fuß, und begleitet ihren Gang,
Lässet sie kaum Athem holen. Er entreißet sie dem
Schlummer,

Wenn er ihnen noch so nöthig, und verlängert ihren
Kummer.

Seel und Körper ist denselben mehrentheils fast einerley,
Kaum begreifen sie, ob die von dem unterschieden sey.
Jhre Pflicht scheint sonst in nichts zu bestehn auf dieser
Erden,

Als unausgesetzt zu reden nur mit Eseln und mit Pferden,
Der sie ihnen anvertrauet, hält sie meist einander gleich,
Ja er hält von jenen öfters mehr, ihr Armen, als von
euch.

Jhnen ist der Freyheit Schatz, der so süß ist, nicht
bekannt,

Und noch weniger die Freyheit am Gemüth und am Ver-
stand.

Alle Fähigkeit zu denken ist denselbigen verborgen,
Sammt dem Nutzen und Gebrauch, alles ist nur ange-
wandt,

Jhre Arbeit zu erdulden, und nur bloß davor zu sorgen,
Daß sie Plagen, Schmerz und Pein,
Nur so wenig als es möglich, mögen ausgestellet seyn.
Nun trifft man, im Gegentheil von denselben,
Menschen an,

Wovon man, mit großem Recht, dieses wirklich sagen
kann:
Die

zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott.

Sie ertragen, ohne Lindrung, allen Zorn der Jahres-
zeiten,

Sonder ihren mildern Einfluß und derſelben Lieblichkeiten
Je zu fuͤhlen, zu genießen. Ein beſtaͤndger Lebenszwang
Folget ihnen auf den Fuß, und begleitet ihren Gang,
Laͤſſet ſie kaum Athem holen. Er entreißet ſie dem
Schlummer,

Wenn er ihnen noch ſo noͤthig, und verlaͤngert ihren
Kummer.

Seel und Koͤrper iſt denſelben mehrentheils faſt einerley,
Kaum begreifen ſie, ob die von dem unterſchieden ſey.
Jhre Pflicht ſcheint ſonſt in nichts zu beſtehn auf dieſer
Erden,

Als unausgeſetzt zu reden nur mit Eſeln und mit Pferden,
Der ſie ihnen anvertrauet, haͤlt ſie meiſt einander gleich,
Ja er haͤlt von jenen oͤfters mehr, ihr Armen, als von
euch.

Jhnen iſt der Freyheit Schatz, der ſo ſuͤß iſt, nicht
bekannt,

Und noch weniger die Freyheit am Gemuͤth und am Ver-
ſtand.

Alle Faͤhigkeit zu denken iſt denſelbigen verborgen,
Sammt dem Nutzen und Gebrauch, alles iſt nur ange-
wandt,

Jhre Arbeit zu erdulden, und nur bloß davor zu ſorgen,
Daß ſie Plagen, Schmerz und Pein,
Nur ſo wenig als es moͤglich, moͤgen ausgeſtellet ſeyn.
Nun trifft man, im Gegentheil von denſelben,
Menſchen an,

Wovon man, mit großem Recht, dieſes wirklich ſagen
kann:
Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="3">
            <l>
              <pb facs="#f0511" n="491"/>
              <fw place="top" type="header">zum irdi&#x017F;chen Vergnu&#x0364;gen in Gott.</fw>
            </l><lb/>
            <l>Sie ertragen, ohne Lindrung, allen Zorn der Jahres-<lb/><hi rendition="#et">zeiten,</hi></l><lb/>
            <l>Sonder ihren mildern Einfluß und der&#x017F;elben Lieblichkeiten</l><lb/>
            <l>Je zu fu&#x0364;hlen, zu genießen. Ein be&#x017F;ta&#x0364;ndger Lebenszwang</l><lb/>
            <l>Folget ihnen auf den Fuß, und begleitet ihren Gang,</l><lb/>
            <l>La&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ie kaum Athem holen. Er entreißet &#x017F;ie dem<lb/><hi rendition="#et">Schlummer,</hi></l><lb/>
            <l>Wenn er ihnen noch &#x017F;o no&#x0364;thig, und verla&#x0364;ngert ihren<lb/><hi rendition="#et">Kummer.</hi></l><lb/>
            <l>Seel und Ko&#x0364;rper i&#x017F;t den&#x017F;elben mehrentheils fa&#x017F;t einerley,</l><lb/>
            <l>Kaum begreifen &#x017F;ie, ob die von dem unter&#x017F;chieden &#x017F;ey.</l><lb/>
            <l>Jhre Pflicht &#x017F;cheint &#x017F;on&#x017F;t in nichts zu be&#x017F;tehn auf die&#x017F;er<lb/><hi rendition="#et">Erden,</hi></l><lb/>
            <l>Als unausge&#x017F;etzt zu reden nur mit E&#x017F;eln und mit Pferden,</l><lb/>
            <l>Der &#x017F;ie ihnen anvertrauet, ha&#x0364;lt &#x017F;ie mei&#x017F;t einander gleich,</l><lb/>
            <l>Ja er ha&#x0364;lt von jenen o&#x0364;fters mehr, ihr Armen, als von<lb/><hi rendition="#et">euch.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Jhnen i&#x017F;t der Freyheit Schatz, der &#x017F;o &#x017F;u&#x0364;ß i&#x017F;t, nicht<lb/><hi rendition="#et">bekannt,</hi></l><lb/>
            <l>Und noch weniger die Freyheit am Gemu&#x0364;th und am Ver-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tand.</hi></l><lb/>
            <l>Alle Fa&#x0364;higkeit zu denken i&#x017F;t den&#x017F;elbigen verborgen,</l><lb/>
            <l>Sammt dem Nutzen und Gebrauch, alles i&#x017F;t nur ange-<lb/><hi rendition="#et">wandt,</hi></l><lb/>
            <l>Jhre Arbeit zu erdulden, und nur bloß davor zu &#x017F;orgen,</l><lb/>
            <l>Daß &#x017F;ie Plagen, Schmerz und Pein,</l><lb/>
            <l>Nur &#x017F;o wenig als es mo&#x0364;glich, mo&#x0364;gen ausge&#x017F;tellet &#x017F;eyn.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="5">
            <l>Nun trifft man, im Gegentheil von den&#x017F;elben,<lb/><hi rendition="#et">Men&#x017F;chen an,</hi></l><lb/>
            <l>Wovon man, mit großem Recht, die&#x017F;es wirklich &#x017F;agen<lb/><hi rendition="#et">kann:</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[491/0511] zum irdiſchen Vergnuͤgen in Gott. Sie ertragen, ohne Lindrung, allen Zorn der Jahres- zeiten, Sonder ihren mildern Einfluß und derſelben Lieblichkeiten Je zu fuͤhlen, zu genießen. Ein beſtaͤndger Lebenszwang Folget ihnen auf den Fuß, und begleitet ihren Gang, Laͤſſet ſie kaum Athem holen. Er entreißet ſie dem Schlummer, Wenn er ihnen noch ſo noͤthig, und verlaͤngert ihren Kummer. Seel und Koͤrper iſt denſelben mehrentheils faſt einerley, Kaum begreifen ſie, ob die von dem unterſchieden ſey. Jhre Pflicht ſcheint ſonſt in nichts zu beſtehn auf dieſer Erden, Als unausgeſetzt zu reden nur mit Eſeln und mit Pferden, Der ſie ihnen anvertrauet, haͤlt ſie meiſt einander gleich, Ja er haͤlt von jenen oͤfters mehr, ihr Armen, als von euch. Jhnen iſt der Freyheit Schatz, der ſo ſuͤß iſt, nicht bekannt, Und noch weniger die Freyheit am Gemuͤth und am Ver- ſtand. Alle Faͤhigkeit zu denken iſt denſelbigen verborgen, Sammt dem Nutzen und Gebrauch, alles iſt nur ange- wandt, Jhre Arbeit zu erdulden, und nur bloß davor zu ſorgen, Daß ſie Plagen, Schmerz und Pein, Nur ſo wenig als es moͤglich, moͤgen ausgeſtellet ſeyn. Nun trifft man, im Gegentheil von denſelben, Menſchen an, Wovon man, mit großem Recht, dieſes wirklich ſagen kann: Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/511
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/511>, abgerufen am 03.05.2024.