Allein, sie sind in ihrem Wesen, so lange sie gesollt, bestanden. Sie waren, zu beständger Dauer und ewgem Währen nicht gemacht, Sie waren, aus dem Stoff der Welt, vereinet und zu Hauf gebracht: Jetzt sind sie wieder aufgelöst, und wieder mit dem Stoff vereinet, Aus welchem sie genommen waren, wie dieß unwider- sprechlich scheinet. Allein, wo blieb? wo ist die Seele? hör ich dich unge- duldig fragen. Die meynende Philosophie soll ihre Meynung deutlich sagen. Die Seele, die, durch ihren Körper, zu einem bessern Stand gelangt, Als welchen sie zuerst gehabt, da er sie mit der Welt ver- bunden, Und sie, in den erschaffnen Werken, den, welcher alles schuf, gefunden, Scheint nicht von einem solchen Wesen, Das, wie die Körper, aufzulösen, Wohl aber, da die Gottheit ihr, aus lauter Lieb in ihrem Leben, Von seinem wesentlichen Daseyn ein überzeuglichs Licht gegeben; Glaubt man mit Recht, auf seiner Lieb allein sich grün- dend, daß er wolle, Daß ein von ihm erleuchtet Wesen nicht sterben, nicht vergehen solle.
Mißfällt dir diese Meynung nicht, und billigst du, was ich gesprochen, Jch fodre keinen Dank von dir: verdank es diesen Todtenknochen.
Glau-
Vermiſchte Gedichte
Allein, ſie ſind in ihrem Weſen, ſo lange ſie geſollt, beſtanden. Sie waren, zu beſtaͤndger Dauer und ewgem Waͤhren nicht gemacht, Sie waren, aus dem Stoff der Welt, vereinet und zu Hauf gebracht: Jetzt ſind ſie wieder aufgeloͤſt, und wieder mit dem Stoff vereinet, Aus welchem ſie genommen waren, wie dieß unwider- ſprechlich ſcheinet. Allein, wo blieb? wo iſt die Seele? hoͤr ich dich unge- duldig fragen. Die meynende Philoſophie ſoll ihre Meynung deutlich ſagen. Die Seele, die, durch ihren Koͤrper, zu einem beſſern Stand gelangt, Als welchen ſie zuerſt gehabt, da er ſie mit der Welt ver- bunden, Und ſie, in den erſchaffnen Werken, den, welcher alles ſchuf, gefunden, Scheint nicht von einem ſolchen Weſen, Das, wie die Koͤrper, aufzuloͤſen, Wohl aber, da die Gottheit ihr, aus lauter Lieb in ihrem Leben, Von ſeinem weſentlichen Daſeyn ein uͤberzeuglichs Licht gegeben; Glaubt man mit Recht, auf ſeiner Lieb allein ſich gruͤn- dend, daß er wolle, Daß ein von ihm erleuchtet Weſen nicht ſterben, nicht vergehen ſolle.
Mißfaͤllt dir dieſe Meynung nicht, und billigſt du, was ich geſprochen, Jch fodre keinen Dank von dir: verdank es dieſen Todtenknochen.
Glau-
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Vermiſchte Gedichte
Allein, ſie ſind in ihrem Weſen, ſo lange ſie geſollt, beſtanden.
Sie waren, zu beſtaͤndger Dauer und ewgem Waͤhren
nicht gemacht,
Sie waren, aus dem Stoff der Welt, vereinet und zu
Hauf gebracht:
Jetzt ſind ſie wieder aufgeloͤſt, und wieder mit dem Stoff
vereinet,
Aus welchem ſie genommen waren, wie dieß unwider-
ſprechlich ſcheinet.
Allein, wo blieb? wo iſt die Seele? hoͤr ich dich unge-
duldig fragen.
Die meynende Philoſophie ſoll ihre Meynung deutlich ſagen.
Die Seele, die, durch ihren Koͤrper, zu einem beſſern
Stand gelangt,
Als welchen ſie zuerſt gehabt, da er ſie mit der Welt ver-
bunden,
Und ſie, in den erſchaffnen Werken, den, welcher alles
ſchuf, gefunden,
Scheint nicht von einem ſolchen Weſen,
Das, wie die Koͤrper, aufzuloͤſen,
Wohl aber, da die Gottheit ihr, aus lauter Lieb in ihrem
Leben,
Von ſeinem weſentlichen Daſeyn ein uͤberzeuglichs Licht
gegeben;
Glaubt man mit Recht, auf ſeiner Lieb allein ſich gruͤn-
dend, daß er wolle,
Daß ein von ihm erleuchtet Weſen nicht ſterben, nicht
vergehen ſolle.
Mißfaͤllt dir dieſe Meynung nicht, und billigſt du,
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Jch fodre keinen Dank von dir: verdank es dieſen
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/434>, abgerufen am 16.02.2025.
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