Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.Betrachtungen Wodurch wir vor den andern Thieren, uns auf so manche Art zu laben An tausendfachen Gegenwürfen, unstreitig einen Vor- zug haben. Was kann verwunderlicher seyn, als wie ein Werk- zeug, welches sich Beständig durch sich selbst ersetzt und sich erneuret? Jhre Speise Giebt ihnen täglich ihre Kräfte, auf recht bewunderns- werthe Weise, Die sie verlieren, immer wieder. Sie fügen, uns ganz unbegreiflich, Jn ihre Körper fremde Wesen, die durch ein' Art Ver- wandelung, (Worüber wir mit Recht erstaunen,) und seltsame Ver- änderung, Zu ihrem eignen Wesen werden. Zu Anfang wird die Kost zerrieben, Darauf in einen Saft verkehrt, dann, als durch einen Sieb getrieben, Gereiniget, und abgesondert von Theilen, die zu grob und dick. Darauf wird es zum Mittelpunkt, der fast der Geister Herd zu nennen, Geführt, wo es gemach verdünnt, zu Blut wird, und von da zurück Durch unzählbare Röhren läuft, um, durch dieß nimmer stille Rennen, Die Glieder alle zu befeuchten. Durchs Fleisch filtrirt sichs nach und nach Und wird zu Fleisch selbst allgemach. So manche Kost, so mancher Saft, die von verschied'- nen Farben seyn, Die
Betrachtungen Wodurch wir vor den andern Thieren, uns auf ſo manche Art zu laben An tauſendfachen Gegenwuͤrfen, unſtreitig einen Vor- zug haben. Was kann verwunderlicher ſeyn, als wie ein Werk- zeug, welches ſich Beſtaͤndig durch ſich ſelbſt erſetzt und ſich erneuret? Jhre Speiſe Giebt ihnen taͤglich ihre Kraͤfte, auf recht bewunderns- werthe Weiſe, Die ſie verlieren, immer wieder. Sie fuͤgen, uns ganz unbegreiflich, Jn ihre Koͤrper fremde Weſen, die durch ein’ Art Ver- wandelung, (Woruͤber wir mit Recht erſtaunen,) und ſeltſame Ver- aͤnderung, Zu ihrem eignen Weſen werden. Zu Anfang wird die Koſt zerrieben, Darauf in einen Saft verkehrt, dann, als durch einen Sieb getrieben, Gereiniget, und abgeſondert von Theilen, die zu grob und dick. Darauf wird es zum Mittelpunkt, der faſt der Geiſter Herd zu nennen, Gefuͤhrt, wo es gemach verduͤnnt, zu Blut wird, und von da zuruͤck Durch unzaͤhlbare Roͤhren laͤuft, um, durch dieß nimmer ſtille Rennen, Die Glieder alle zu befeuchten. Durchs Fleiſch filtrirt ſichs nach und nach Und wird zu Fleiſch ſelbſt allgemach. So manche Koſt, ſo mancher Saft, die von verſchied’- nen Farben ſeyn, Die
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0258" n="238"/> <fw place="top" type="header">Betrachtungen</fw><lb/> <lg n="74"> <l>Wodurch wir vor den andern Thieren, uns auf ſo manche<lb/><hi rendition="#et">Art zu laben</hi></l><lb/> <l>An tauſendfachen Gegenwuͤrfen, unſtreitig einen Vor-<lb/><hi rendition="#et">zug haben.</hi></l><lb/> <l>Was kann verwunderlicher ſeyn, als wie ein Werk-<lb/><hi rendition="#et">zeug, welches ſich</hi></l><lb/> <l>Beſtaͤndig durch ſich ſelbſt erſetzt und ſich erneuret? Jhre<lb/><hi rendition="#et">Speiſe</hi></l><lb/> <l>Giebt ihnen taͤglich ihre Kraͤfte, auf recht bewunderns-<lb/><hi rendition="#et">werthe Weiſe,</hi></l><lb/> <l>Die ſie verlieren, immer wieder. Sie fuͤgen, uns ganz<lb/><hi rendition="#et">unbegreiflich,</hi></l><lb/> <l>Jn ihre Koͤrper fremde Weſen, die durch ein’ Art Ver-<lb/><hi rendition="#et">wandelung,</hi><lb/> (Woruͤber wir mit Recht erſtaunen,) und ſeltſame Ver-<lb/><hi rendition="#et">aͤnderung,</hi></l><lb/> <l>Zu ihrem eignen Weſen werden. Zu Anfang wird die<lb/><hi rendition="#et">Koſt zerrieben,</hi></l><lb/> <l>Darauf in einen Saft verkehrt, dann, als durch einen<lb/><hi rendition="#et">Sieb getrieben,</hi></l><lb/> <l>Gereiniget, und abgeſondert von Theilen, die zu grob<lb/><hi rendition="#et">und dick.</hi></l><lb/> <l>Darauf wird es zum Mittelpunkt, der faſt der Geiſter<lb/><hi rendition="#et">Herd zu nennen,</hi></l><lb/> <l>Gefuͤhrt, wo es gemach verduͤnnt, zu Blut wird, und<lb/><hi rendition="#et">von da zuruͤck</hi></l><lb/> <l>Durch unzaͤhlbare Roͤhren laͤuft, um, durch dieß nimmer<lb/><hi rendition="#et">ſtille Rennen,</hi></l><lb/> <l>Die Glieder alle zu befeuchten. Durchs Fleiſch filtrirt<lb/><hi rendition="#et">ſichs nach und nach</hi></l><lb/> <l>Und wird zu Fleiſch ſelbſt allgemach.</l><lb/> <l>So manche Koſt, ſo mancher Saft, die von verſchied’-<lb/><hi rendition="#et">nen Farben ſeyn,</hi></l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [238/0258]
Betrachtungen
Wodurch wir vor den andern Thieren, uns auf ſo manche
Art zu laben
An tauſendfachen Gegenwuͤrfen, unſtreitig einen Vor-
zug haben.
Was kann verwunderlicher ſeyn, als wie ein Werk-
zeug, welches ſich
Beſtaͤndig durch ſich ſelbſt erſetzt und ſich erneuret? Jhre
Speiſe
Giebt ihnen taͤglich ihre Kraͤfte, auf recht bewunderns-
werthe Weiſe,
Die ſie verlieren, immer wieder. Sie fuͤgen, uns ganz
unbegreiflich,
Jn ihre Koͤrper fremde Weſen, die durch ein’ Art Ver-
wandelung,
(Woruͤber wir mit Recht erſtaunen,) und ſeltſame Ver-
aͤnderung,
Zu ihrem eignen Weſen werden. Zu Anfang wird die
Koſt zerrieben,
Darauf in einen Saft verkehrt, dann, als durch einen
Sieb getrieben,
Gereiniget, und abgeſondert von Theilen, die zu grob
und dick.
Darauf wird es zum Mittelpunkt, der faſt der Geiſter
Herd zu nennen,
Gefuͤhrt, wo es gemach verduͤnnt, zu Blut wird, und
von da zuruͤck
Durch unzaͤhlbare Roͤhren laͤuft, um, durch dieß nimmer
ſtille Rennen,
Die Glieder alle zu befeuchten. Durchs Fleiſch filtrirt
ſichs nach und nach
Und wird zu Fleiſch ſelbſt allgemach.
So manche Koſt, ſo mancher Saft, die von verſchied’-
nen Farben ſeyn,
Die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |