Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
über das Reich der Thiere.
Von einer solchen sonderbaren und unbegreiflich regen
Kraft,

Daß in der inneren Bewegung, und in des Kreislaufs
Eigenschaft

Das Leben zu bestehen scheint. Doch ist sein Stoff
so mannichfalt,

Und ist es so subtil gemischt, daß man die wirkliche Gestalt
Durchaus nicht zu entdecken fähig, und daß, bey al-
ler Müh und Fleiß,

Man nicht sein Wesen zu begreifen, noch minder nach-
zuahmen weis.
Die innere Centralbewegung scheint von der Luft bloß
herzurühren,

Und ist dieselbige so nöthig zu der Erhaltung unsers
Lebens,

Daß, ohn den Athem auszulassen und ohn denselben
einzuziehen,

Wir sonder Aufschub sterben würden, und unsern Geist
sogleich verlieren.

Ohn Athem wäre das Bemühen,
Das Leben länger zu behalten, bey jedem Menschen ganz
vergebens.

Das Athmen nun, so viel wir fassen, scheint auf die
Weise zu geschehn,

Wenn nämlich unsre Ribben, Muskeln, zusammt der
Lunge sich erhöhn,

Wodurch die Brust dann hol und leer, indem das
Zwerchfell unter sich,

Die Ribben über sich gezogen, der Bau der Lunge aus-
gespannt.

Wenn wir nun Athem von uns lassen, und daß die Luft
wird weggesandt,
Ge-
N 5
uͤber das Reich der Thiere.
Von einer ſolchen ſonderbaren und unbegreiflich regen
Kraft,

Daß in der inneren Bewegung, und in des Kreislaufs
Eigenſchaft

Das Leben zu beſtehen ſcheint. Doch iſt ſein Stoff
ſo mannichfalt,

Und iſt es ſo ſubtil gemiſcht, daß man die wirkliche Geſtalt
Durchaus nicht zu entdecken faͤhig, und daß, bey al-
ler Muͤh und Fleiß,

Man nicht ſein Weſen zu begreifen, noch minder nach-
zuahmen weis.
Die innere Centralbewegung ſcheint von der Luft bloß
herzuruͤhren,

Und iſt dieſelbige ſo noͤthig zu der Erhaltung unſers
Lebens,

Daß, ohn den Athem auszulaſſen und ohn denſelben
einzuziehen,

Wir ſonder Aufſchub ſterben wuͤrden, und unſern Geiſt
ſogleich verlieren.

Ohn Athem waͤre das Bemuͤhen,
Das Leben laͤnger zu behalten, bey jedem Menſchen ganz
vergebens.

Das Athmen nun, ſo viel wir faſſen, ſcheint auf die
Weiſe zu geſchehn,

Wenn naͤmlich unſre Ribben, Muskeln, zuſammt der
Lunge ſich erhoͤhn,

Wodurch die Bruſt dann hol und leer, indem das
Zwerchfell unter ſich,

Die Ribben uͤber ſich gezogen, der Bau der Lunge aus-
geſpannt.

Wenn wir nun Athem von uns laſſen, und daß die Luft
wird weggeſandt,
Ge-
N 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0221" n="201"/>
          <fw place="top" type="header">u&#x0364;ber das Reich der Thiere.</fw><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Von einer &#x017F;olchen &#x017F;onderbaren und unbegreiflich regen<lb/><hi rendition="#et">Kraft,</hi></l><lb/>
            <l>Daß in der inneren Bewegung, und in des Kreislaufs<lb/><hi rendition="#et">Eigen&#x017F;chaft</hi></l><lb/>
            <l>Das Leben zu be&#x017F;tehen &#x017F;cheint. Doch i&#x017F;t &#x017F;ein Stoff<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;o mannichfalt,</hi></l><lb/>
            <l>Und i&#x017F;t es &#x017F;o &#x017F;ubtil gemi&#x017F;cht, daß man die wirkliche Ge&#x017F;talt</l><lb/>
            <l>Durchaus nicht zu entdecken fa&#x0364;hig, und daß, bey al-<lb/><hi rendition="#et">ler Mu&#x0364;h und Fleiß,</hi></l><lb/>
            <l>Man nicht &#x017F;ein We&#x017F;en zu begreifen, noch minder nach-<lb/><hi rendition="#et">zuahmen weis.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="5">
            <l>Die innere Centralbewegung &#x017F;cheint von der Luft bloß<lb/><hi rendition="#et">herzuru&#x0364;hren,</hi></l><lb/>
            <l>Und i&#x017F;t die&#x017F;elbige &#x017F;o no&#x0364;thig zu der Erhaltung un&#x017F;ers<lb/><hi rendition="#et">Lebens,</hi></l><lb/>
            <l>Daß, ohn den Athem auszula&#x017F;&#x017F;en und ohn den&#x017F;elben<lb/><hi rendition="#et">einzuziehen,</hi></l><lb/>
            <l>Wir &#x017F;onder Auf&#x017F;chub &#x017F;terben wu&#x0364;rden, und un&#x017F;ern Gei&#x017F;t<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ogleich verlieren.</hi></l><lb/>
            <l>Ohn Athem wa&#x0364;re das Bemu&#x0364;hen,</l><lb/>
            <l>Das Leben la&#x0364;nger zu behalten, bey jedem Men&#x017F;chen ganz<lb/><hi rendition="#et">vergebens.</hi></l><lb/>
            <l>Das Athmen nun, &#x017F;o viel wir fa&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;cheint auf die<lb/><hi rendition="#et">Wei&#x017F;e zu ge&#x017F;chehn,</hi></l><lb/>
            <l>Wenn na&#x0364;mlich un&#x017F;re Ribben, Muskeln, zu&#x017F;ammt der<lb/><hi rendition="#et">Lunge &#x017F;ich erho&#x0364;hn,</hi></l><lb/>
            <l>Wodurch die Bru&#x017F;t dann hol und leer, indem das<lb/><hi rendition="#et">Zwerchfell unter &#x017F;ich,</hi></l><lb/>
            <l>Die Ribben u&#x0364;ber &#x017F;ich gezogen, der Bau der Lunge aus-<lb/><hi rendition="#et">ge&#x017F;pannt.</hi></l><lb/>
            <l>Wenn wir nun Athem von uns la&#x017F;&#x017F;en, und daß die Luft<lb/><hi rendition="#et">wird wegge&#x017F;andt,</hi></l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">N 5</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Ge-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[201/0221] uͤber das Reich der Thiere. Von einer ſolchen ſonderbaren und unbegreiflich regen Kraft, Daß in der inneren Bewegung, und in des Kreislaufs Eigenſchaft Das Leben zu beſtehen ſcheint. Doch iſt ſein Stoff ſo mannichfalt, Und iſt es ſo ſubtil gemiſcht, daß man die wirkliche Geſtalt Durchaus nicht zu entdecken faͤhig, und daß, bey al- ler Muͤh und Fleiß, Man nicht ſein Weſen zu begreifen, noch minder nach- zuahmen weis. Die innere Centralbewegung ſcheint von der Luft bloß herzuruͤhren, Und iſt dieſelbige ſo noͤthig zu der Erhaltung unſers Lebens, Daß, ohn den Athem auszulaſſen und ohn denſelben einzuziehen, Wir ſonder Aufſchub ſterben wuͤrden, und unſern Geiſt ſogleich verlieren. Ohn Athem waͤre das Bemuͤhen, Das Leben laͤnger zu behalten, bey jedem Menſchen ganz vergebens. Das Athmen nun, ſo viel wir faſſen, ſcheint auf die Weiſe zu geſchehn, Wenn naͤmlich unſre Ribben, Muskeln, zuſammt der Lunge ſich erhoͤhn, Wodurch die Bruſt dann hol und leer, indem das Zwerchfell unter ſich, Die Ribben uͤber ſich gezogen, der Bau der Lunge aus- geſpannt. Wenn wir nun Athem von uns laſſen, und daß die Luft wird weggeſandt, Ge- N 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/221
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/221>, abgerufen am 27.04.2024.