Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
über das Reich der Pflanzen.
Laßt uns, eh' wir weiter gehen,
Noch die Bildung und das Fleisch
Eines Apfels recht besehen,
Welches der gelehrte Ruisch
Uns anatomirt gezeiget.
Dieses Wunder übersteiget
Alles, alles welches man
Von Gewächsen denken kann.
Tausend Adern, wie in Thieren,
Sind in dieser Frucht zu sehn,
Die, in vielerley Manieren,
Zirkelnd durch einander gehn.
Alle sind mit Fleisch umringet:
Wenn der Saft nun durch sie dringet,
Wird das Fleisch, drinn er sich senkt,
Ausgedehnt, genährt, getränkt.
Ob die Säfte durchs Gedränge
Jn die dünne Kleinigkeit
Der fast unsichtbaren Gänge
Des Geschmacks Beschaffenheit,
Oder ob sie aus dem Samen
Solch ein Wesen überkamen,
Oder durch das Sonnenlicht:
Faßt der Menschen Witz noch nicht.
Wer bewundert das Gehäuse
Mitten in dem Apfel nicht,
Das auf sonderbare Weise,
Und recht künstlich, zugericht!
Es scheint, dieß sey angeleget,
Daß der Same drinn geheget
Und genau gesichert sey.
Welche Vorsorg herrscht hiebey!
Aus-
uͤber das Reich der Pflanzen.
Laßt uns, eh’ wir weiter gehen,
Noch die Bildung und das Fleiſch
Eines Apfels recht beſehen,
Welches der gelehrte Ruiſch
Uns anatomirt gezeiget.
Dieſes Wunder uͤberſteiget
Alles, alles welches man
Von Gewaͤchſen denken kann.
Tauſend Adern, wie in Thieren,
Sind in dieſer Frucht zu ſehn,
Die, in vielerley Manieren,
Zirkelnd durch einander gehn.
Alle ſind mit Fleiſch umringet:
Wenn der Saft nun durch ſie dringet,
Wird das Fleiſch, drinn er ſich ſenkt,
Ausgedehnt, genaͤhrt, getraͤnkt.
Ob die Saͤfte durchs Gedraͤnge
Jn die duͤnne Kleinigkeit
Der faſt unſichtbaren Gaͤnge
Des Geſchmacks Beſchaffenheit,
Oder ob ſie aus dem Samen
Solch ein Weſen uͤberkamen,
Oder durch das Sonnenlicht:
Faßt der Menſchen Witz noch nicht.
Wer bewundert das Gehaͤuſe
Mitten in dem Apfel nicht,
Das auf ſonderbare Weiſe,
Und recht kuͤnſtlich, zugericht!
Es ſcheint, dieß ſey angeleget,
Daß der Same drinn geheget
Und genau geſichert ſey.
Welche Vorſorg herrſcht hiebey!
Aus-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0179" n="159"/>
        <fw place="top" type="header">u&#x0364;ber das Reich der Pflanzen.</fw><lb/>
        <lg n="618">
          <l>Laßt uns, eh&#x2019; wir weiter gehen,</l><lb/>
          <l>Noch die Bildung und das Flei&#x017F;ch</l><lb/>
          <l>Eines Apfels recht be&#x017F;ehen,</l><lb/>
          <l>Welches der gelehrte Rui&#x017F;ch</l><lb/>
          <l>Uns anatomirt gezeiget.</l><lb/>
          <l>Die&#x017F;es Wunder u&#x0364;ber&#x017F;teiget</l><lb/>
          <l>Alles, alles welches man</l><lb/>
          <l>Von Gewa&#x0364;ch&#x017F;en denken kann.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="619">
          <l>Tau&#x017F;end Adern, wie in Thieren,</l><lb/>
          <l>Sind in die&#x017F;er Frucht zu &#x017F;ehn,</l><lb/>
          <l>Die, in vielerley Manieren,</l><lb/>
          <l>Zirkelnd durch einander gehn.</l><lb/>
          <l>Alle &#x017F;ind mit Flei&#x017F;ch umringet:</l><lb/>
          <l>Wenn der Saft nun durch &#x017F;ie dringet,</l><lb/>
          <l>Wird das Flei&#x017F;ch, drinn er &#x017F;ich &#x017F;enkt,</l><lb/>
          <l>Ausgedehnt, gena&#x0364;hrt, getra&#x0364;nkt.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="620">
          <l>Ob die Sa&#x0364;fte durchs Gedra&#x0364;nge</l><lb/>
          <l>Jn die du&#x0364;nne Kleinigkeit</l><lb/>
          <l>Der fa&#x017F;t un&#x017F;ichtbaren Ga&#x0364;nge</l><lb/>
          <l>Des Ge&#x017F;chmacks Be&#x017F;chaffenheit,</l><lb/>
          <l>Oder ob &#x017F;ie aus dem Samen</l><lb/>
          <l>Solch ein We&#x017F;en u&#x0364;berkamen,</l><lb/>
          <l>Oder durch das Sonnenlicht:</l><lb/>
          <l>Faßt der Men&#x017F;chen Witz noch nicht.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="621">
          <l>Wer bewundert das Geha&#x0364;u&#x017F;e</l><lb/>
          <l>Mitten in dem Apfel nicht,</l><lb/>
          <l>Das auf &#x017F;onderbare Wei&#x017F;e,</l><lb/>
          <l>Und recht ku&#x0364;n&#x017F;tlich, zugericht!</l><lb/>
          <l>Es &#x017F;cheint, dieß &#x017F;ey angeleget,</l><lb/>
          <l>Daß der Same drinn geheget</l><lb/>
          <l>Und genau ge&#x017F;ichert &#x017F;ey.</l><lb/>
          <l>Welche Vor&#x017F;org herr&#x017F;cht hiebey!</l>
        </lg><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Aus-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0179] uͤber das Reich der Pflanzen. Laßt uns, eh’ wir weiter gehen, Noch die Bildung und das Fleiſch Eines Apfels recht beſehen, Welches der gelehrte Ruiſch Uns anatomirt gezeiget. Dieſes Wunder uͤberſteiget Alles, alles welches man Von Gewaͤchſen denken kann. Tauſend Adern, wie in Thieren, Sind in dieſer Frucht zu ſehn, Die, in vielerley Manieren, Zirkelnd durch einander gehn. Alle ſind mit Fleiſch umringet: Wenn der Saft nun durch ſie dringet, Wird das Fleiſch, drinn er ſich ſenkt, Ausgedehnt, genaͤhrt, getraͤnkt. Ob die Saͤfte durchs Gedraͤnge Jn die duͤnne Kleinigkeit Der faſt unſichtbaren Gaͤnge Des Geſchmacks Beſchaffenheit, Oder ob ſie aus dem Samen Solch ein Weſen uͤberkamen, Oder durch das Sonnenlicht: Faßt der Menſchen Witz noch nicht. Wer bewundert das Gehaͤuſe Mitten in dem Apfel nicht, Das auf ſonderbare Weiſe, Und recht kuͤnſtlich, zugericht! Es ſcheint, dieß ſey angeleget, Daß der Same drinn geheget Und genau geſichert ſey. Welche Vorſorg herrſcht hiebey! Aus-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/179
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/179>, abgerufen am 25.11.2024.