Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.Betrachtungen Dann, daß sich in allen Bollen, Draus ein Baum fast ganz besteht, So viel Bäume finden sollen, Dieß besiegt und übergeht Aller Menschen Witz und Wissen, Wer wird hier nicht rufen müssen: Himmel, Erde, Luft und Meer, Herr, sind voll von deiner Ehr! Will man hier noch weiter gehen, Und erwägen, daß kein Ast Wachsen können und entstehen, Wär' im Baum nicht eingefass't Eine Menge solcher Augen, Die allein zu zeugen taugen. Zweige, Blätter, Frucht und Blüt Rühren ein gesetzt Gemüth. Denn dieß ist nicht zuzuschreiben Eines Baumes Zäserlein, Als die bloß zum Dehnen, Treiben, Und zum Wachsen fähig seyn, Aber nie ein Aug' erzeugen; Auch ist dieß dem Saft nicht eigen, Der allein die Pflanzen nährt, Aber selbe nicht vermehrt. Denn dieselbe zu gestalten, Jst ganz eine andre Kraft. Nimmer kann dieß Amt verwalten Bloß das Holz, auch nicht der Saft. Nicht das kleinste Gras auf Erden, Kann durch Naß gebildet werden: Aus dem Dotter ganz allein Kann kein Huhn erzeuget seyn. Wenn
Betrachtungen Dann, daß ſich in allen Bollen, Draus ein Baum faſt ganz beſteht, So viel Baͤume finden ſollen, Dieß beſiegt und uͤbergeht Aller Menſchen Witz und Wiſſen, Wer wird hier nicht rufen muͤſſen: Himmel, Erde, Luft und Meer, Herr, ſind voll von deiner Ehr! Will man hier noch weiter gehen, Und erwaͤgen, daß kein Aſt Wachſen koͤnnen und entſtehen, Waͤr’ im Baum nicht eingefaſſ’t Eine Menge ſolcher Augen, Die allein zu zeugen taugen. Zweige, Blaͤtter, Frucht und Bluͤt Ruͤhren ein geſetzt Gemuͤth. Denn dieß iſt nicht zuzuſchreiben Eines Baumes Zaͤſerlein, Als die bloß zum Dehnen, Treiben, Und zum Wachſen faͤhig ſeyn, Aber nie ein Aug’ erzeugen; Auch iſt dieß dem Saft nicht eigen, Der allein die Pflanzen naͤhrt, Aber ſelbe nicht vermehrt. Denn dieſelbe zu geſtalten, Jſt ganz eine andre Kraft. Nimmer kann dieß Amt verwalten Bloß das Holz, auch nicht der Saft. Nicht das kleinſte Gras auf Erden, Kann durch Naß gebildet werden: Aus dem Dotter ganz allein Kann kein Huhn erzeuget ſeyn. Wenn
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0140" n="120"/> <fw place="top" type="header">Betrachtungen</fw><lb/> <lg n="463"> <l>Dann, daß ſich in allen Bollen,</l><lb/> <l>Draus ein Baum faſt ganz beſteht,</l><lb/> <l>So viel Baͤume finden ſollen,</l><lb/> <l>Dieß beſiegt und uͤbergeht</l><lb/> <l>Aller Menſchen Witz und Wiſſen,</l><lb/> <l>Wer wird hier nicht rufen muͤſſen:</l><lb/> <l>Himmel, Erde, Luft und Meer,</l><lb/> <l>Herr, ſind voll von deiner Ehr!</l> </lg><lb/> <lg n="464"> <l>Will man hier noch weiter gehen,</l><lb/> <l>Und erwaͤgen, daß kein Aſt</l><lb/> <l>Wachſen koͤnnen und entſtehen,</l><lb/> <l>Waͤr’ im Baum nicht eingefaſſ’t</l><lb/> <l>Eine Menge ſolcher Augen,</l><lb/> <l>Die allein zu zeugen taugen.</l><lb/> <l>Zweige, Blaͤtter, Frucht und Bluͤt</l><lb/> <l>Ruͤhren ein geſetzt Gemuͤth.</l> </lg><lb/> <lg n="465"> <l>Denn dieß iſt nicht zuzuſchreiben</l><lb/> <l>Eines Baumes Zaͤſerlein,</l><lb/> <l>Als die bloß zum Dehnen, Treiben,</l><lb/> <l>Und zum Wachſen faͤhig ſeyn,</l><lb/> <l>Aber nie ein Aug’ erzeugen;</l><lb/> <l>Auch iſt dieß dem Saft nicht eigen,</l><lb/> <l>Der allein die Pflanzen naͤhrt,</l><lb/> <l>Aber ſelbe nicht vermehrt.</l> </lg><lb/> <lg n="466"> <l>Denn dieſelbe zu geſtalten,</l><lb/> <l>Jſt ganz eine andre Kraft.</l><lb/> <l>Nimmer kann dieß Amt verwalten</l><lb/> <l>Bloß das Holz, auch nicht der Saft.</l><lb/> <l>Nicht das kleinſte Gras auf Erden,</l><lb/> <l>Kann durch Naß gebildet werden:</l><lb/> <l>Aus dem Dotter ganz allein</l><lb/> <l>Kann kein Huhn erzeuget ſeyn.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Wenn</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [120/0140]
Betrachtungen
Dann, daß ſich in allen Bollen,
Draus ein Baum faſt ganz beſteht,
So viel Baͤume finden ſollen,
Dieß beſiegt und uͤbergeht
Aller Menſchen Witz und Wiſſen,
Wer wird hier nicht rufen muͤſſen:
Himmel, Erde, Luft und Meer,
Herr, ſind voll von deiner Ehr!
Will man hier noch weiter gehen,
Und erwaͤgen, daß kein Aſt
Wachſen koͤnnen und entſtehen,
Waͤr’ im Baum nicht eingefaſſ’t
Eine Menge ſolcher Augen,
Die allein zu zeugen taugen.
Zweige, Blaͤtter, Frucht und Bluͤt
Ruͤhren ein geſetzt Gemuͤth.
Denn dieß iſt nicht zuzuſchreiben
Eines Baumes Zaͤſerlein,
Als die bloß zum Dehnen, Treiben,
Und zum Wachſen faͤhig ſeyn,
Aber nie ein Aug’ erzeugen;
Auch iſt dieß dem Saft nicht eigen,
Der allein die Pflanzen naͤhrt,
Aber ſelbe nicht vermehrt.
Denn dieſelbe zu geſtalten,
Jſt ganz eine andre Kraft.
Nimmer kann dieß Amt verwalten
Bloß das Holz, auch nicht der Saft.
Nicht das kleinſte Gras auf Erden,
Kann durch Naß gebildet werden:
Aus dem Dotter ganz allein
Kann kein Huhn erzeuget ſeyn.
Wenn
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |