Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.Seelen-Betrachtung. Wär der ganze Kreis der Welt voll von solchen Men-schen-Seelen, Die entblößt von allen Sinnen; würd sich die Natur verhehlen; Würden ihnen Erd' und Himmel, ja sie ihnen selber fehlen. "Thut denn eine Seele wohl, daß sie Sinn' und Welt verachtet, "Die doch ihre Lehrer sind? daß sie sich allein betrachtet "Als der Wahrheit einzge Quelle? daß sie, frech, bereits hienieden "Alle Dinge fassen will, welche sie, nach dieser Zeit, "Jn verklärter Wissenschaft, und vermehrter Fähig- keit, "Nach des Schöpfers Lieb' und Ordnung, zu begreifen, erst beschieden? "Denn aus ihrer Schwäche selbst machet sie mit Recht den Schluß: "Daß sie, von der Gottheit Liebe, Beßrung hoffen kann, und muß. "Durch die Sinnen sich der Welt, "Auf vernünftge Art, gebrauchen, scheinet hier der Menschen Pflicht, "Zu dem Endzweck scheinen Körper, Seel- und Sinnen, zugericht't. "Will man das, was Gott verbunden, und einander zugesellt, "Trotz-
Seelen-Betrachtung. Waͤr der ganze Kreis der Welt voll von ſolchen Men-ſchen-Seelen, Die entbloͤßt von allen Sinnen; wuͤrd ſich die Natur verhehlen; Wuͤrden ihnen Erd’ und Himmel, ja ſie ihnen ſelber fehlen. “Thut denn eine Seele wohl, daß ſie Sinn’ und Welt verachtet, “Die doch ihre Lehrer ſind? daß ſie ſich allein betrachtet “Als der Wahrheit einzge Quelle? daß ſie, frech, bereits hienieden “Alle Dinge faſſen will, welche ſie, nach dieſer Zeit, “Jn verklaͤrter Wiſſenſchaft, und vermehrter Faͤhig- keit, “Nach des Schoͤpfers Lieb’ und Ordnung, zu begreifen, erſt beſchieden? “Denn aus ihrer Schwaͤche ſelbſt machet ſie mit Recht den Schluß: “Daß ſie, von der Gottheit Liebe, Beßrung hoffen kann, und muß. “Durch die Sinnen ſich der Welt, “Auf vernuͤnftge Art, gebrauchen, ſcheinet hier der Menſchen Pflicht, “Zu dem Endzweck ſcheinen Koͤrper, Seel- und Sinnen, zugericht’t. “Will man das, was Gott verbunden, und einander zugeſellt, “Trotz-
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Seelen-Betrachtung.
Waͤr der ganze Kreis der Welt voll von ſolchen Men-
ſchen-Seelen,
Die entbloͤßt von allen Sinnen; wuͤrd ſich die Natur
verhehlen;
Wuͤrden ihnen Erd’ und Himmel, ja ſie ihnen ſelber
fehlen.
“Thut denn eine Seele wohl, daß ſie Sinn’ und
Welt verachtet,
“Die doch ihre Lehrer ſind? daß ſie ſich allein
betrachtet
“Als der Wahrheit einzge Quelle? daß ſie, frech, bereits
hienieden
“Alle Dinge faſſen will, welche ſie, nach dieſer Zeit,
“Jn verklaͤrter Wiſſenſchaft, und vermehrter Faͤhig-
keit,
“Nach des Schoͤpfers Lieb’ und Ordnung, zu begreifen,
erſt beſchieden?
“Denn aus ihrer Schwaͤche ſelbſt machet ſie mit Recht
den Schluß:
“Daß ſie, von der Gottheit Liebe, Beßrung hoffen kann,
und muß.
“Durch die Sinnen ſich der Welt,
“Auf vernuͤnftge Art, gebrauchen, ſcheinet hier der
Menſchen Pflicht,
“Zu dem Endzweck ſcheinen Koͤrper, Seel- und Sinnen,
zugericht’t.
“Will man das, was Gott verbunden, und einander
zugeſellt,
“Trotz-
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