Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.Gottes Größe. Von der körperlichen Größe ward ich zu den Geistig- keiten, Und derselben unergründlich- unbegreiflich- unbekannt- Jn sich selbst verborgenen, denkenden Beschaffenheiten Unvermerket hingeführt. Da ich denn derselben Stand, Mit verwirretem Erstaunen, ohne Raum und Ort befand, Dergestalt, daß tausend Geister kaum von einer Nadel- Spitze Den fast unsichtbaren Platz, oder Raum, zu ihrem Sitze, Wie es scheint, gebrauchen müssen. Wenn man sich die Geister-Welt, Nach den Gründen unsers Wissens, wie man lehrt, vor Augen stellt, Hat so wenig Raum und Geist mit einander was gemein, Daß uns deucht, die Geister könnten all' an einem Orte seyn, Ohn' einander sich zu hindern. Ob ich gleich, daß dieser Schluß Mir nicht eben richtig scheint, und ganz unbegreiflich fällt, Mit Erlaubniß unsrer Weisen, öffentlich gestehen muß. Da vielmehr es ordentlicher, von denselben dieß zu gläuben, Daß sie in ein Mittel-Wesen, zwischen Geist und Leib, gehüllt, Wodurch jeder, abgesondert, doch noch einen Ort erfüllt, Und sie etwan, auf die Weise, unter sich verschieden bleiben. Was die menschliche Vernunft von den Geistern fasset, scheint Den Begriff uns fast zu geben. Doch begreif' ich auch dabey, Daß ihr Wesen von der Gottheit auch darinn verschieden sey: Daß
Gottes Groͤße. Von der koͤrperlichen Groͤße ward ich zu den Geiſtig- keiten, Und derſelben unergruͤndlich- unbegreiflich- unbekannt- Jn ſich ſelbſt verborgenen, denkenden Beſchaffenheiten Unvermerket hingefuͤhrt. Da ich denn derſelben Stand, Mit verwirretem Erſtaunen, ohne Raum und Ort befand, Dergeſtalt, daß tauſend Geiſter kaum von einer Nadel- Spitze Den faſt unſichtbaren Platz, oder Raum, zu ihrem Sitze, Wie es ſcheint, gebrauchen muͤſſen. Wenn man ſich die Geiſter-Welt, Nach den Gruͤnden unſers Wiſſens, wie man lehrt, vor Augen ſtellt, Hat ſo wenig Raum und Geiſt mit einander was gemein, Daß uns deucht, die Geiſter koͤnnten all’ an einem Orte ſeyn, Ohn’ einander ſich zu hindern. Ob ich gleich, daß dieſer Schluß Mir nicht eben richtig ſcheint, und ganz unbegreiflich faͤllt, Mit Erlaubniß unſrer Weiſen, oͤffentlich geſtehen muß. Da vielmehr es ordentlicher, von denſelben dieß zu glaͤuben, Daß ſie in ein Mittel-Weſen, zwiſchen Geiſt und Leib, gehuͤllt, Wodurch jeder, abgeſondert, doch noch einen Ort erfuͤllt, Und ſie etwan, auf die Weiſe, unter ſich verſchieden bleiben. Was die menſchliche Vernunft von den Geiſtern faſſet, ſcheint Den Begriff uns faſt zu geben. Doch begreif’ ich auch dabey, Daß ihr Weſen von der Gottheit auch darinn verſchieden ſey: Daß
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Gottes Groͤße.
Von der koͤrperlichen Groͤße ward ich zu den Geiſtig-
keiten,
Und derſelben unergruͤndlich- unbegreiflich- unbekannt-
Jn ſich ſelbſt verborgenen, denkenden Beſchaffenheiten
Unvermerket hingefuͤhrt. Da ich denn derſelben Stand,
Mit verwirretem Erſtaunen, ohne Raum und Ort befand,
Dergeſtalt, daß tauſend Geiſter kaum von einer Nadel-
Spitze
Den faſt unſichtbaren Platz, oder Raum, zu ihrem Sitze,
Wie es ſcheint, gebrauchen muͤſſen. Wenn man ſich die
Geiſter-Welt,
Nach den Gruͤnden unſers Wiſſens, wie man lehrt, vor
Augen ſtellt,
Hat ſo wenig Raum und Geiſt mit einander was gemein,
Daß uns deucht, die Geiſter koͤnnten all’ an einem Orte
ſeyn,
Ohn’ einander ſich zu hindern. Ob ich gleich, daß dieſer
Schluß
Mir nicht eben richtig ſcheint, und ganz unbegreiflich
faͤllt,
Mit Erlaubniß unſrer Weiſen, oͤffentlich geſtehen muß.
Da vielmehr es ordentlicher, von denſelben dieß zu glaͤuben,
Daß ſie in ein Mittel-Weſen, zwiſchen Geiſt und Leib,
gehuͤllt,
Wodurch jeder, abgeſondert, doch noch einen Ort erfuͤllt,
Und ſie etwan, auf die Weiſe, unter ſich verſchieden bleiben.
Was die menſchliche Vernunft von den Geiſtern faſſet,
ſcheint
Den Begriff uns faſt zu geben. Doch begreif’ ich auch
dabey,
Daß ihr Weſen von der Gottheit auch darinn verſchieden
ſey:
Daß
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