Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.Seltsames Betragen der Menschen. "Die Menschen kommen auf die Welt, bemühen sich, sich zu ernähren, "Dann werden sie verliebt, und suchen sich fortzupflan- zen, zu vermehren, "So wie es auch die Thiere machen. Man strebt dar- auf nach eitlen Ehren; "Dann wird man geizig. Unser Zweck ist, Geld und Reichthum zu erwerben. "Wir werden endlich krank, und sterben. Oder deutlicher: "Jn unsrer Jugend schwärmen wir, in völliger Zu- friedenheit, "Sind für uns selber unbesorgt. Nur wünschen wir, zur selben Zeit, "(Als fromme wohlgerathne Kinder) daß unsre Eltern klüger wären! "Um dreißig Jahren dünket uns zuweilen, daß wir selbst nicht klug. "Jm vierzigsten erfahren wirs, und suchen alsdenn umzukehren. "Sind wir nun funfzig; schmählen wir auf den bishe- rigen Verzug, "Bemerken öfters, mit Befremdung, der schnellen Zeiten strengen Fluß, "Und treiben unsern klugen Vorsatz zu einem ernstlichen Entschluß. "Jn den großmüthigen Gedanken, da man sich zu ver- bessern strebt, "Entschliesset man, entschliesset wieder, und stirbt zu- letzt, wie man gelebt. Der L l 4
Seltſames Betragen der Menſchen. “Die Menſchen kommen auf die Welt, bemuͤhen ſich, ſich zu ernaͤhren, “Dann werden ſie verliebt, und ſuchen ſich fortzupflan- zen, zu vermehren, “So wie es auch die Thiere machen. Man ſtrebt dar- auf nach eitlen Ehren; “Dann wird man geizig. Unſer Zweck iſt, Geld und Reichthum zu erwerben. “Wir werden endlich krank, und ſterben. Oder deutlicher: “Jn unſrer Jugend ſchwaͤrmen wir, in voͤlliger Zu- friedenheit, “Sind fuͤr uns ſelber unbeſorgt. Nur wuͤnſchen wir, zur ſelben Zeit, “(Als fromme wohlgerathne Kinder) daß unſre Eltern kluͤger waͤren! “Um dreißig Jahren duͤnket uns zuweilen, daß wir ſelbſt nicht klug. “Jm vierzigſten erfahren wirs, und ſuchen alsdenn umzukehren. “Sind wir nun funfzig; ſchmaͤhlen wir auf den bishe- rigen Verzug, “Bemerken oͤfters, mit Befremdung, der ſchnellen Zeiten ſtrengen Fluß, “Und treiben unſern klugen Vorſatz zu einem ernſtlichen Entſchluß. “Jn den großmuͤthigen Gedanken, da man ſich zu ver- beſſern ſtrebt, “Entſchlieſſet man, entſchlieſſet wieder, und ſtirbt zu- letzt, wie man gelebt. Der L l 4
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Seltſames Betragen der Menſchen.
“Die Menſchen kommen auf die Welt, bemuͤhen ſich,
ſich zu ernaͤhren,
“Dann werden ſie verliebt, und ſuchen ſich fortzupflan-
zen, zu vermehren,
“So wie es auch die Thiere machen. Man ſtrebt dar-
auf nach eitlen Ehren;
“Dann wird man geizig. Unſer Zweck iſt, Geld und
Reichthum zu erwerben.
“Wir werden endlich krank, und ſterben.
Oder deutlicher:
“Jn unſrer Jugend ſchwaͤrmen wir, in voͤlliger Zu-
friedenheit,
“Sind fuͤr uns ſelber unbeſorgt. Nur wuͤnſchen wir,
zur ſelben Zeit,
“(Als fromme wohlgerathne Kinder) daß unſre Eltern
kluͤger waͤren!
“Um dreißig Jahren duͤnket uns zuweilen, daß wir ſelbſt
nicht klug.
“Jm vierzigſten erfahren wirs, und ſuchen alsdenn
umzukehren.
“Sind wir nun funfzig; ſchmaͤhlen wir auf den bishe-
rigen Verzug,
“Bemerken oͤfters, mit Befremdung, der ſchnellen Zeiten
ſtrengen Fluß,
“Und treiben unſern klugen Vorſatz zu einem ernſtlichen
Entſchluß.
“Jn den großmuͤthigen Gedanken, da man ſich zu ver-
beſſern ſtrebt,
“Entſchlieſſet man, entſchlieſſet wieder, und ſtirbt zu-
letzt, wie man gelebt.
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