Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

Cornaro.
Bey einem langen, fröhlichen, vergnügten Leben, sicher
führt.

Jch bin nicht nur für sie, für mich; fürs ganze mensch-
liche Geschlecht,

Von einer billigen Verwundrung und inniglichen Scham
gerührt:

Und dieses, wie es mich bedünkt, mit großem Fug und
großem Recht.

Das Mittel, wodurch alle Menschen zum späten Alter
fähig seyn,

Und zwar zum frohen und gesunden, ist bloß die Mäßig-
keit allein:

Wozu er solche leichte Regeln, die alle unumstößlich, giebet,
Daß es der ganzen Menschheit schimpflich, daß man sie
noch nicht ausgeübet.
Was hab ich, dacht ich, bey dem Zustand, für meine
Lehren, doch zu hoffen,

"Daß man sich, im Gebrauch der Sinnen, zu Gottes
Ruhm, vergnügen soll;

Da diese Lehre, die das Leben, bey einem ungestöhrten
Wohl,

Uns zu verlängern fähig ist, noch ihre Absicht nicht
getroffen!

Das, was der Mensch hat, heißt es dort, das läßt
er willig für sein Leben;
Und dennoch sieht man keinen fast, es zu erhalten, sich
bestreben.

Wie wenig werden sich demnach an deine gut gemeynten
Lehren,

Dacht ich, da sie noch lange nicht so viel versprechen
können, kehren!
"Ver-

Cornaro.
Bey einem langen, froͤhlichen, vergnuͤgten Leben, ſicher
fuͤhrt.

Jch bin nicht nur fuͤr ſie, fuͤr mich; fuͤrs ganze menſch-
liche Geſchlecht,

Von einer billigen Verwundrung und inniglichen Scham
geruͤhrt:

Und dieſes, wie es mich beduͤnkt, mit großem Fug und
großem Recht.

Das Mittel, wodurch alle Menſchen zum ſpaͤten Alter
faͤhig ſeyn,

Und zwar zum frohen und geſunden, iſt bloß die Maͤßig-
keit allein:

Wozu er ſolche leichte Regeln, die alle unumſtoͤßlich, giebet,
Daß es der ganzen Menſchheit ſchimpflich, daß man ſie
noch nicht ausgeuͤbet.
Was hab ich, dacht ich, bey dem Zuſtand, fuͤr meine
Lehren, doch zu hoffen,

“Daß man ſich, im Gebrauch der Sinnen, zu Gottes
Ruhm, vergnuͤgen ſoll;

Da dieſe Lehre, die das Leben, bey einem ungeſtoͤhrten
Wohl,

Uns zu verlaͤngern faͤhig iſt, noch ihre Abſicht nicht
getroffen!

Das, was der Menſch hat, heißt es dort, das laͤßt
er willig fuͤr ſein Leben;
Und dennoch ſieht man keinen faſt, es zu erhalten, ſich
beſtreben.

Wie wenig werden ſich demnach an deine gut gemeynten
Lehren,

Dacht ich, da ſie noch lange nicht ſo viel verſprechen
koͤnnen, kehren!
“Ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <pb facs="#f0530" n="516"/>
                <fw place="top" type="header">Cornaro.</fw><lb/>
                <l>Bey einem langen, fro&#x0364;hlichen, vergnu&#x0364;gten Leben, &#x017F;icher<lb/><hi rendition="#et">fu&#x0364;hrt.</hi></l><lb/>
                <l>Jch bin nicht nur fu&#x0364;r &#x017F;ie, fu&#x0364;r mich; fu&#x0364;rs ganze men&#x017F;ch-<lb/><hi rendition="#et">liche Ge&#x017F;chlecht,</hi></l><lb/>
                <l>Von einer billigen Verwundrung und inniglichen Scham<lb/><hi rendition="#et">geru&#x0364;hrt:</hi></l><lb/>
                <l>Und die&#x017F;es, wie es mich bedu&#x0364;nkt, mit großem Fug und<lb/><hi rendition="#et">großem Recht.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <lg n="2">
                <l>Das Mittel, wodurch alle Men&#x017F;chen zum &#x017F;pa&#x0364;ten Alter<lb/><hi rendition="#et">fa&#x0364;hig &#x017F;eyn,</hi></l><lb/>
                <l>Und zwar zum frohen und ge&#x017F;unden, i&#x017F;t bloß <hi rendition="#fr">die Ma&#x0364;ßig-</hi><lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">keit</hi> allein:</hi></l><lb/>
                <l>Wozu er &#x017F;olche leichte Regeln, die alle unum&#x017F;to&#x0364;ßlich, giebet,</l><lb/>
                <l>Daß es der ganzen Men&#x017F;chheit &#x017F;chimpflich, daß man &#x017F;ie<lb/><hi rendition="#et">noch nicht ausgeu&#x0364;bet.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <lg n="3">
                <l>Was hab ich, dacht ich, bey dem Zu&#x017F;tand, fu&#x0364;r meine<lb/><hi rendition="#et">Lehren, doch zu hoffen,</hi></l><lb/>
                <l>&#x201C;Daß man &#x017F;ich, im Gebrauch der Sinnen, zu Gottes<lb/><hi rendition="#et">Ruhm, vergnu&#x0364;gen &#x017F;oll;</hi></l><lb/>
                <l>Da die&#x017F;e Lehre, die das Leben, bey einem unge&#x017F;to&#x0364;hrten<lb/><hi rendition="#et">Wohl,</hi></l><lb/>
                <l>Uns zu verla&#x0364;ngern fa&#x0364;hig i&#x017F;t, noch ihre Ab&#x017F;icht nicht<lb/><hi rendition="#et">getroffen!</hi></l><lb/>
                <l><hi rendition="#fr">Das, was der Men&#x017F;ch hat,</hi> heißt es dort, <hi rendition="#fr">das la&#x0364;ßt</hi></l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">er willig fu&#x0364;r &#x017F;ein Leben;</hi> </hi> </l><lb/>
                <l>Und dennoch &#x017F;ieht man keinen fa&#x017F;t, es zu erhalten, &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#et">be&#x017F;treben.</hi></l><lb/>
                <l>Wie wenig werden &#x017F;ich demnach an deine gut gemeynten<lb/><hi rendition="#et">Lehren,</hi></l><lb/>
                <l>Dacht ich, da &#x017F;ie noch lange nicht &#x017F;o viel ver&#x017F;prechen<lb/><hi rendition="#et">ko&#x0364;nnen, kehren!</hi></l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">&#x201C;Ver-</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[516/0530] Cornaro. Bey einem langen, froͤhlichen, vergnuͤgten Leben, ſicher fuͤhrt. Jch bin nicht nur fuͤr ſie, fuͤr mich; fuͤrs ganze menſch- liche Geſchlecht, Von einer billigen Verwundrung und inniglichen Scham geruͤhrt: Und dieſes, wie es mich beduͤnkt, mit großem Fug und großem Recht. Das Mittel, wodurch alle Menſchen zum ſpaͤten Alter faͤhig ſeyn, Und zwar zum frohen und geſunden, iſt bloß die Maͤßig- keit allein: Wozu er ſolche leichte Regeln, die alle unumſtoͤßlich, giebet, Daß es der ganzen Menſchheit ſchimpflich, daß man ſie noch nicht ausgeuͤbet. Was hab ich, dacht ich, bey dem Zuſtand, fuͤr meine Lehren, doch zu hoffen, “Daß man ſich, im Gebrauch der Sinnen, zu Gottes Ruhm, vergnuͤgen ſoll; Da dieſe Lehre, die das Leben, bey einem ungeſtoͤhrten Wohl, Uns zu verlaͤngern faͤhig iſt, noch ihre Abſicht nicht getroffen! Das, was der Menſch hat, heißt es dort, das laͤßt er willig fuͤr ſein Leben; Und dennoch ſieht man keinen faſt, es zu erhalten, ſich beſtreben. Wie wenig werden ſich demnach an deine gut gemeynten Lehren, Dacht ich, da ſie noch lange nicht ſo viel verſprechen koͤnnen, kehren! “Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/530
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/530>, abgerufen am 18.12.2024.